Was kommt - und was bleibt nach fast 12 Jahren?Abschied von Hessens Ministerpräsident: "Mir wird mit Sicherheit nicht langweilig."
Seit 2010 ist er Hessens Oberhaupt, seit 2018 der dienstälteste Ministerpräsident: Volker Bouffier. Doch nun macht der CDU-Politiker Schluss: Mit 70 Jahren geht er in Rente. Unsere RTL-Moderatoren Tina Mattick und Tobias Radloff haben Volker Bouffier zum letzten Gespräch als Ministerpräsident getroffen und seine lange Zeit an Hessens Spitze Revue passieren lassen, sowohl die Höhen als auch die Tiefen. Und natürlich durfte eine Frage nicht ausbleiben: Wie geht es für Sie weiter, Herr Ministerpräsident a.D.?
Mit Frank Sinatra und Whitney Houston in den Ruhestand

Am Montag Abend (30.05.) wird Bouffier mit einer feierlichen Serenade im Schloss Biebrich verabschiedet. 600 Gäste werden erwartet, darunter auch zahlreiche Weggefährten des 70-Jährigen. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), der Regierungschef von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), sowie der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) haben ihr Kommen angekündigt. Wie schon beim Zapfenstreich für Angela Merkel durfte sich auch Volker Bouffier drei Lieder wünschen, die vom Heeresmusikkorps Kassel gespielt werden. Auf seiner Wunschliste stehen „Die Gedanken sind frei“, „One Moment in Time“ von Whitney Houston sowie „My Way“ von Frank Sinatra.
Der Weg zur ersten schwarz-grünen Landesregierung
Auf seinem politischen „Way“ hielt Volker Bouffier der CDU immer die Treue. Seit 1978 gehört er dem Landesvorstand der CDU Hessen an, war von 1987 bis 1991 Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Justiz, von 1999 bis 2010 hessischer Innenminister, bis er am 31. August 2010 schließlich zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt wurde.
Im Dezember 2013 unterschrieb Bouffier, gemeinsam mit Tarek Al-Wazir (Grüne), einen historischen Vertrag: den Koalitionsvertrag von CDU und Grüne. So wurde Hessen als erstes Bundesland in der Geschichte der Republik von einer schwarz-grünen Regierung angeführt. Eine Koalition, die zwar eine Herausforderung war, sich aber letztendlich bewährt hat, so der Ministerpräsident im RTL-Abschiedsinterview.

Persönliche und politische Schicksalsschläge
Seine Amtszeit war jedoch nicht nur von Erfolgen gekrönt, der 70-Jährige musste auch viele Schicksalsschläge – sowohl privat als auch politisch – verkraften. 2019 bekommt er die Diagnose Hautkrebs, gönnt sich aber trotz Strahlentherapie keine Pause. Im Juni 2019 dann der nächste Schock: Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke wird auf seiner Terrasse in Nordhessen erschossen. Er habe sich für ein freies Land und einen demokratischen Rechtsstaat eingesetzt, in dem jeder seine Meinung äußern darf. Für seine aufrichtige und unerschrockene Einstellung habe er mit dem Leben bezahlen müssen, so Bouffier am zweiten Todestag von Walter Lübcke.

Terror, Pandemie und ein schwerer Abschied
Im Februar 2020 folgt eine Hiobsbotschaft auf die andere. Am 19. Februar erschießt der Extremist Tobias R. in Hanau neun Menschen – aus rassistischen Motiven. Nur wenige Tage später, am 24. Februar rast Maurice P. in Volkmarsen in einem Rosenmontagsumzug und verletzt zahlreiche Menschen, darunter auch viele Kinder.
Und dann war da noch dieses Virus, das sich langsam und dann immer schneller seinen Weg über die ganze Welt gebahnt hat und natürlich auch in Hessen ankommt: Corona. Im März 2020 geht dann plötzlich alles ganz schnell: Veranstaltungen werden abgesagt, Schulen und Kitas machen dicht, Kontakte sollen auf ein Minimum reduziert werden. Bouffier steht vor seiner wohl größten Herausforderung. Auch im Abschiedsinterview denkt er an diese Zeit zurück: „Ich habe fast 400.000 Briefe und Mails an mich persönlich bekommen. Da bleibt man sehr dicht dran, wenn die Oma einem schreibt: Seit drei Monaten hab ich keines meiner Kinder gesehen – helfen Sie mir.“ Seine freien Tage verbrachte der 70-Jährige vor seinem Laptop, um die vielen Mails und Briefe zu beantworten. „Die haben alle gedacht, meine Antwort sei ein Fake“, so Bouffier im Interview. Ihm sei immer wichtig gewesen, Hessen ruhig durch diese Krise zu führen.

„Wir verneigen uns vor Dr. Thomas Schäfer mit allerhöchstem Respekt und in tiefer Dankbarkeit.“ Mit diesen Worten und sichtlich aufgewühlt verabschiedete sich Volker Bouffier von seinem Kollegen und Freund, Finanzminister Thomas Schäfer. Der 54-Jährige nahm sich Ende März 2020 das Leben. Es war ein offenes Geheimnis, dass Schäfer wohl als Nachfolger für Bouffier im Gespräch war.
Auf Bouffier folgt Rhein
Doch wer wird nun das große Erbe von Bouffier übernehmen? Sein Nachfolger steht bereits in den Startlöcher: Landtagspräsident Boris Rhein. Beim traditionellen "Künzeller Treffen" der CDU im Februar 2022 nannte Bouffier Boris Rhein als seinen Nachfolger als Ministerpräsident und als CDU-Landesvorsitzenden. Sollte er tatsächlich gewählt werden, wird Rhein bereits am morgigen Dienstag in die hessische Staatskanzlei einziehen.
Im Video: Bouffier stellt Boris Rhein als seinen Nachfolger vor
Bouffiers Resümee
Mit seiner feierlichen Verabschiedung am 30. Juni 2022 endet die Ära Bouffier in Hessen. Obwohl gerade die letzten Jahre von vielen bitteren Erfahrungen geprägt waren – Lübcke, Schäfer, Hanau, Corona-Dauerstress – blickt Bouffier mit viel Dankbarkeit auf seine vielen Jahre an Hessens Spitze: „In der Summe war es eine Zeit, für die ich sehr, sehr dankbar bin und die ich mit Freude gemacht habe.“
Und für alle, die sich fragen, wie es mit Bouffier weitergeht, wenn er dann Ministerpräsident a.D. ist, hat der 70-Jährige beruhigende Worte: „Mir wird mit Sicherheit nicht langweilig!“ (tim/ora/dgö mit dpa)