Verdächtige waren auf freiem FußMarco W. getötet und zerstückelt: Erst vier Jahre später fallen die Urteile

Endet jetzt endlich der Mammut-Prozess?
Marco W. stirbt vor vier Jahren auf grausame Weise. Drei Männer geraten unter Verdacht. Doch dann werden sie aus der Untersuchungshaft entlassen und kommen auf freien Fuß! Jetzt gibt es zwei Urteile gegen Patrick E. und Florian G. - Mirco P. wird freigesprochen. Warum hat das so lange gedauert?
Unruhe im Gerichtssaal
Um 14 Uhr endet an diesem Montag nach 65 Verhandlungstagen zumindest vorläufig einer der wohl spektakulärsten Prozesse der jüngeren Bremer Vergangenheit. Florian G. muss wegen Totschlags zwölf Jahre und sechs Monate, Patrick E. wegen Beihilfe fünfeinhalb Jahre in Haft. Mirco P. wird freigesprochen. Zuvor hatten die Anwälte der Angeklagten Freisprüche für ihre Mandanten gefordert. Nach der Verkündung wird es unruhig im Gerichtssaal: Florian G. beschimpft Mirco. P, meint, dieser habe Marco W. getötet und komme davon. Jan Stegmann vom Landgericht Bremen zu RTL: „Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem dritten Angeklagten, der freigesprochen wurde, man zwar davon ausgehen könnte, dass er im Nachgang zur Tat an der Verteilung der Leiche beteiligt gewesen ist. Man konnte aber eben nicht zweifelsfrei feststellen, dass er auch an der Tötung selbst beteiligt gewesen ist, so dass er dann diesbezüglich freigesprochen wurde.”
Leiche wird zerstückelt
Vor mehr als vier Jahren, im April 2024, stirbt der 46-jährige Marco W. in der Bremer Neustadt. Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Die Angeklagten haben ihn zuerst bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen, um an Geldkarten und Pins zu kommen. Dann haben sie ihr Opfer wohl im Keller seines Hauses stranguliert. Das Opfer sei mit einer Plastiktüte erstickt worden, heißt es am letzten Prozesstag. Anschließend sollen sie ihn zerstückelt und Teile seiner Leiche auf einem Feld im niedersächsischen Posthausen verteilt haben. Das größte Stück, das gefunden worden ist, ist nur 12 Zentimeter groß. Der Richter am Tag der Urteilsverkündung: „Wenn man nichts zu verbergen hat, dann entsorgt man eine Leiche nicht so kleinteilig.” Erst im Oktober und November 2021 werden die Verdächtigen festgenommen und kommen in Untersuchungshaft. Logischerweise soll zeitnah ein Prozess starten.
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Verdächtige auf freiem Fuß
Doch das Ganze ist nicht so einfach, wie es vielleicht scheint. Allein die Hauptakte des Falles umfasst mehr als 2.000 Blatt und die zuständige Kammer ist überlastet. Ohne triftigen Grund dürfen Verdächtige aber nicht länger als sechs Monate in Untersuchungshaft bleiben. Und weil der Prozess innerhalb dieser Frist nicht eröffnet wird, kommen die Verdächtigen wieder frei. Die Schwester des Toten erfährt davon erst aus der Presse. „Es ist unbeschreiblich, ich habe keine Worte dafür. Fassungslos! Was ist, wenn da jetzt noch etwas passiert?”, fragt sich Lisa-Marie Michalke damals.
Auch bei der Vernehmung der Männer ist einiges schiefgegangen: „Die Kammer hat im Laufe des Verfahrens beschlossen, dass eine zentrale Vernehmung eines der Beschuldigten nicht verwertet werden darf. Die Kammer hat festgestellt, dass der Angeklagte aus ihrer Sicht bei der Vernehmung bewusst getäuscht wurde und, dass auf ihn eine Drohkulisse aufgebaut wurde. So soll ihm auch der Zugang zu seinem Verteidiger verwehrt worden und ihm sei vorgespielt worden, dass er hier als Zeuge vernommen würde und nicht als Beschuldigter, sodass er sich nicht auf seine beschuldigten Rechte, nämlich zu schweigen, berufen konnte”, sagt Stegmann im Gespräch mit RTL.
Im Video: So haben wir 2022 über den Fall berichtet
Beerdigung nicht möglich
Erst im Februar 2023 startet endlich der Prozess gegen die drei Angeklagten, damals noch wegen Mordes aus Habgier. Die Verdächtigen schweigen zu Verhandlungsbeginn zu den Vorwürfen. Und weil der Leichnam ihres Bruders noch nicht freigegeben ist, kann die Schwester von Marco W. ihren Bruder auch so lange nach der Tat immer noch nicht beerdigen. Auch wurden immer noch nicht alle Teile der Leiche gefunden. Zum Prozessauftakt werden Verhandlungstage bis zum 1. Juni 2023 angesetzt - das Urteil fällt schließlich mehr als ein Jahr später.