Mutmaßlicher Mörder von Marco W. (†) von auf freiem Fuß

„Man verliert das Vertrauen in die Justiz“: Schwester von Opfer kann ihren zerstückelten Bruder nicht beerdigen

Lisa-Marie Michalke
Lisa-Marie Michalke ist enttäuscht von der Justiz.
RTL Nord

von Laura Küsel, Lisa Siewert und Christo Tatje

Lisa-Marie Michalke fällt es schwer über den Horror zu sprechen, den sie gerade durchleben muss. Immer wieder kommen ihr die Tränen und sie muss das Interview mit RTL unterbrechen. Im April 2020 wird ihr Bruder in der Bremer Neustadt umgebracht und seine Leiche zerstückelt in Niedersachsen gefunden. Drei Männer sollen dafür verantwortlich gemacht werden. Die Angeklagten werden aber, ähnlich wie im Fall der vergewaltigten und ermordeten 17-jährigen Zoe, wieder aus der Haft entlassen.

Leichnam von Marco W. noch nicht freigegeben

Lisa-Marie Michalke ist die Schwester des ermordeten Marco. Noch immer wird nach Teilen seines Körpers gesucht. Die bereits gefundenen Körperteile sind noch nicht für die Beerdigung freigegeben. Sie werden noch untersucht und gelten als Beweismittel. Lisa Maries größter Wunsch ihrem Bruder endlich die letzte Ruhe zu schenken, bleibt ihr verwehrt. „Man kommt nicht runter, man kommt nicht zum Trauern“, sagt sie und muss in Angst leben, weil die Mörder noch auf freiem Fuß sind.

Morden für 1.000 Euro?

Dass die drei Männer, die sie für den Mord an ihrem Bruder verantwortlich macht, aus der Untersuchungshaft entlassen worden sind, macht Lisa-Marie Michalke große Sorgen: „Wenn das wirklich stimmt, was diesen mutmaßlichen Tätern meines Bruders vorgeworfen wird und sie haben für 1.000 Euro gemordet und nach der Ermordung fand ja noch diese Zerstückelung statt, was wirklich über alle Grenzen weit hinaus geht. Da fragt man sich: Zu was sind sie noch in der Lage?“
Im Streit um das Geld soll ihr Bruder von den drei mutmaßlichen Tätern damals umgebracht worden sein – jetzt könnten sie Spuren verwischen, fürchtet sie.

Mord-Verdächtige freigelassen - Schwester ist entsetzt Ihr Bruder wurde zerstückelt
01:59 min
Ihr Bruder wurde zerstückelt
Mord-Verdächtige freigelassen - Schwester ist entsetzt

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„Man verliert das Vertrauen in die Justiz“

Über die Haftentlassung, erfährt die 28-Jährige aus der Presse und nicht von der Justiz. Vieles laufe schief und die Polizei entschuldigt sich bei ihr, sagt sie. „Man lernt das schon früh genug im Kindergarten, wenn du was gemacht hast, dann musst du auch dafür geradestehen und das ist ja gar nicht der Fall. Man verliert ja wirklich das Vertrauen in die Justiz“, erklärt Lisa-Marie Michalke im RTL Nord-Interview. „Das man so enttäuscht wird, ist ein Schlag ins Gesicht“, beklagt sie.

Das Oberlandesgericht Bremen betont Komplexität des Prozesses

Jan Stegemann
Gerichtssprecher Jan Stegemann im Gespräch mit RTL.
RTL Nord

Das Oberlandesgericht hebt die Haftbefehle im Sommer auf. Es lässt die Angeklagten auf freien Fuß, weil sie schon sechs Monate in Untersuchungshaft sitzen. „Hier ist es so, dass das Verfahren sehr komplex und auch die Beweislage sehr kompliziert ist. Aufgrund dieser Komplexität konnte die Kammer die Frist nicht mehr halten und über die Eröffnung des Hauptverfahrens vorher entscheiden“, begründet Jan Stegemann vom Oberlandesgericht Bremen den Schritt. Es gelte die Unschuldsvermutung.

Die Angeklagten sollen sich in Bremen aufhalten

Überwacht werden die Angeklagten laut Jan Stegemann nicht. „Nach unserem Kenntnisstand befinden sich die Angeklagten aber nach wie vor in Bremen und es gehen alle davon aus, dass das Verfahren dann im Januar mit den Angeklagten beginnen kann“, betont Jan Stegemann. Es sei schwierig gewesen, mit allen Beteiligten Termine zu finden. „Was ich sagen kann, ist das die Überschreitung der Frist hier sicherlich nicht daran gelegen hat, dass das Verfahren auf irgendeiner Fensterbank gelegen hat“, versichert Jan Stegemann.

Anwalt Roman von Alvensleben sieht Justiz-Skandal

Rechtsanwalt Roman von Alvensleben
Rechtsanwalt Roman von Alvensleben fordert Entlastungen für die Richter.
RTL Nord

Im Prozess wird Lisa-Marie Michalke von Anwalt Roman von Alvensleben vertreten. Er sieht für die Entscheidung die Täter aus der Untersuchungshaft zu entlassen und den Prozess zu schieben einen anderen Grund: Überlastete Gerichte durch Personalmangel, andere Termine und fehlende Investitionen. „Das ist für mich ein No Go. Da scheint es für viele Dinge kein Geld zu geben. Wir haben kein Geld für Kindergärten, wir haben kein Geld für Justiz und wir haben kein Geld für Schulen. Das sollten sich mal die Verantwortlichen und das ist nun mal die Politik hinter die Ohren schreiben“, fordert der Rechtsanwalt. Den verantwortlichen Richtern selbst macht er keinen Vorwurf. Sie könnten ja nichts dafür. Sie seien schlichtweg überlastet.

Lisa-Marie Michalke hofft auf schnelle Aufklärung

„Es werden jetzt Terminmöglichkeiten abgestimmt und dann geht es los“, erklärt Roman von Alvensleben. Lisa-Marie Michalke hofft, dass die Angeklagten dann ab Januar vor Gericht erscheinen und dass es möglichst schnell geht, damit der Rest der Leiche vielleicht auch noch gefunden werden kann. Ihr größter Wunsch ist es, ihren Bruder komplett beerdigen zu können. Ruhe hat sie bis dahin nicht.