Prophylaxe und Heilung in einem?Lungenkrebspatienten erhalten erstmals Biontech-Impfstoff – können Erkrankte jetzt hoffen?

Die mRNA-Technologie hat zur Entwicklung von Coronaimpfstoffen im Rekordtempo beigetragen (Archivbild)
mRNA-Impfstoffe sind vielen seit Corona ein Begriff. Nun soll das gleiche Verfahren auch bei Lungenkrebs angewendet werden. Kann das funktionieren?
Sven Hoppe/dpa

Können wir Lungenkrebs bald vorbeugen oder gar heilen?
Nur wenige Tage nachdem Trainer-Legende Christoph Daum an Lungenkrebs gestorben ist, gibt es hoffnungsvolle Nachrichten für alle Betroffenen: Aktuell wird ein Impfstoff gegen die Krebsart getestet - eine mRNA-Impfung von Biontech, die gesünder und effizienter als eine Chemotherapie sein soll. Doch wie erfolgversprechend ist die neue Behandlung wirklich?

Das steckt wirklich hinter der Impfung

Sie sind die Pioniere des neuen Lungenkrebs-Impfstoffes: 130 Patienten aus sieben Ländern weltweit sind Teil der ersten klinischen Studie zum Impfstoff BNT116. Auf dem mRNA-Impfstoff von Biontech liegen große Hoffnungen: Laut den Studienleitern soll der Impfstoff besser verträglich sein als beispielsweise eine Chemotherapie, weil er nur die kranken Krebszellen angreift und keine gesunden Zellen.

Impfen gegen Lungenkrebs - kann das wirklich funktionieren? Die Antwort unseres Experten auf diese Frage ist eher ernüchternd.

„Das ist keine Impfung gegen Krebs, dass man ihn nicht bekommt“, stellt Mediziner Dr. Christoph Specht im RTL-Interview klar. Der Piks wirke nicht als Prophylaxe, also vorbeugend, sondern als Therapie, wenn man bereits an Krebs erkrankt sei, erklärt er im Gespräch.

Im Video: Spürhunde können Lungenkrebs erschnüffeln

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So soll der mRNA-Impfstoff gegen den Krebs vorgehen

Dr. Specht erklärt das so: Jeden Tag stellt unser Körper neue Zellen her. Dabei passieren manchmal Fehler und eine Zelle entartet. Daraus kann Krebs entstehen, aber: Unser Immunsystem erkennt die entartete Zelle an irgendeinem besonderen Merkmal, das sie von den gesunden Zellen unterscheidet – zum Beispiel ein Stück Eiweiß auf der Oberfläche. Die Zelle wird in der Regel dann unschädlich gemacht, zum Beispiel durch Antikörper.

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Ein altes oder geschwächtes Immunsystem kann eine solche kranke Zelle aber auch mal übersehen - und genau hier setzt der mRNA-Impfstoff an. Der werde laut Specht mit dem besonderen Merkmal der spezifischen Krebszelle gefüttert und soll das Immunsystem wieder „aufwecken“, um Antikörper gegen die Krebszelle zu bilden. „Diese Antikörper sollen die Tumorzellen angreifen und markieren, damit das Immunsystem eingreifen kann.“

Das Problem: Sobald die Zellen mutieren oder sich unsichtbar machen, helfe auch der Impfstoff nicht mehr. Denn dann passe das besondere Merkmal, das in der mRNA der Impfung hinterlegt sei, nicht mehr auf die Zelle.

„Das ist eine hoch individualisierte Medizin“

„Das ist eine hoch individualisierte Medizin“, sagt Specht. Die Impfung könne bei Patient A anschlagen und bei Patient B nicht, selbst wenn beide Lungenkrebs hätten. Wenn das besondere Merkmal bei beiden Krebszellen unterschiedlich sei, schlafe das Immunsystem weiter.

Dementsprechend entstehe durch die Impfung auch keine richtige Immunität. Sollte ein Patient erneut an Lungenkrebs erkranken, würde das Immunsystem nur reagieren, wenn die Zellen exakt dasselbe besondere Merkmal aufweisen würden wie bei der Ersterkrankung.

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Deshalb sieht Specht in der Impfung keine Erlösung vom Krebs., vielmehr handle es sich dabei um „einen weiteren Baustein in der Krebsbehandlung“. Trotzdem stelle die Impfung eine Art Revolution dar, weil es ein neues Verfahren sei.

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Für wen eignet sich die neue Impfung?

In Großbritannien bekam vergangene Woche der erste Patient seine Impfung, wie der Guardian berichtet. Dass hinter der Impfung vielmehr eine Behandlung stecke, zeige sich auch daran, wie häufig der Patient gespritzt werden müsse: Innerhalb einer halben Stunde bekommt der Patient sechs aufeinanderfolgende Injektionen. In den nächsten sechs Wochen bekommt er jeweils eine Dosis pro Woche, danach 54 Wochen lang eine Dosis alle drei Wochen.

„Das scheint nötig zu sein, um die Antikörperproduktion entsprechend hochzuhalten“, erklärt Specht. Wenn der Impfstoff weiterentwickelt werde, werden auch die Impfintervalle länger, vermutet er.

Mediziner Dr. Christoph Specht hat eine klare Meinung zu den Klimaklebern.
Dr. Christoph Specht erklärt im RTL-Interview, was es mit dem neuen mRNA-Impfstoff bei Lungenkrebs auf sich hat.
RTL

Dass die Impfung tatsächlich gesünder sein könne als eine Chemotherapie, weil sie keine gesunden Zellen angreife, bestätigt Specht. Er vermutet allerdings, dass die Impfung – sollte sie zugelassen werden – nur bei speziellen Krebsarten angewendet werden würde. „Es gibt auch Krebszellen, die sich so gut tarnen können, dass die kein Merkmal haben, was sie von den anderen Zellen unterscheidet“, erklärt der Experte. „Und dann fällt diese Therapie aus.“

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Die Impfung sei also keine Krebs-Prophylaxe, stelle keine gesicherte Immunität her und müsse eigentlich für jeden Menschen personalisiert werden. Für Menschen, die bereits erkrankt sind, könnte der Impfstoff als Behandlungsmaßnahme allerdings die letzte Möglichkeit sein, den Krebs zu besiegen.