Lindner kündigt Nullrunde anWird das Bürgergeld komplett auf den Kopf gestellt?

Es ist und bleibt ein Reizthema.
Politiker mehrerer Parteien fordern jetzt eine Reform. Die Ausgaben fürs Bürgergeld sind stark gestiegen. Die Regeln für Empfänger sollen zwar verschärft werden, doch das reicht nicht, meinen Kritiker auch aus der Regierung.

Lindner: „Bürgergeld hat Erwartungen nicht erfüllt”

Politiker von Union, FDP und AfD machen Druck, die Regeln für Bürgergeld-Empfänger weiter zu verschärfen. „Das Bürgergeld hat die Erwartungen nicht erfüllt, und muss deshalb weiter reformiert werden“, sagt Finanzminister Christian Lindner im ARD-„Sommerinterview“. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann spricht sich dafür aus, mehr als 100.000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. Bei der SPD stößt das auf scharfe Kritik.

Mit Blick auf seinen Haushalt sagt Lindner: „Wir haben nicht zu wenig Geld, sondern wir haben zu hohe Ausgaben.“ Gemeint sind: stark steigenden Sozialausgaben. „Das hängt auch mit der irregulären Einwanderung nach Deutschland seit 2015 zusammen. Eine große Aufgabe wird deshalb sein, unseren Sozialstaat neu aufzustellen. Kurz gesagt: treffsicher, mehr Empathie für Bedürftige, aber mehr Konsequenz bei Trittbrettfahrern.“

Linnemann (CDU) will Arbeitverweigerern Grundsicherung streichen

Linnemann sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Die Statistik legt nahe, dass eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen.“ Wenn jemand grundsätzlich nicht dazu bereit sei, müsse der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig sei. „Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden.“

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SPD sauer: Empfänger werden als faul diffamiert

Die SPD reagiert mit scharfer Kritik: Den arbeitenden Menschen in Deutschland helfe ganz sicher nicht, „Bürgergeld-Empfänger in einer willkürlich gegriffenen Größenordnung als faul zu diffamieren - und mit einer verfassungswidrigen kompletten Streichung der Leistung zu drohen“, so die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Dagmar Schmidt zu den Funke-Zeitungen.

Diese Verschärfungen sind geplant

Die Bundesregierung hat bereits Regelverschärfungen beim Bürgergeld angekündigt, um mehr Bezieher zur Aufnahme einer Arbeit bewegen.

So soll künftig ein längerer Weg zur Arbeit zumutbar sein, das Ablehnen einer zumutbaren Arbeit mit erhöhten Leistungskürzungen geahndet werden und auch Schwarzarbeit zu Kürzungen führen.

Die Maßnahmen sind Bestandteil der sogenannten Wachstumsinitiative der Ampel, die vor allem dazu dienen soll, die lahmende Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. „Ich finde es gut, dass die Ampel einen ersten Schritt beim Bürgergeld gehen will“, sagte Linnemann. Es brauche aber einen grundsätzlichen Politikwechsel – hin zu einer neuen Grundsicherung.

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Ausgaben sind deutlich gestiegen

Interessant: Deutschland hat im vergangenen Jahr etwa 42,6 Milliarden Euro für Bürgergeld ausgegeben, nach 36,6 Milliarden im Vorjahr, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten René Springer ergeben hatte. Eine weitere Anfrage Springers zum Anteil Minderjähriger im Bürgergeld ergab, dass etwa 5,6 Milliarden Euro für unter 18-Jährige ausgegeben wurden. Die noch unveröffentlichten Daten lagen der Deutschen Presse-Agentur vor.

Geändert hat sich demnach über die Jahre das Verhältnis ausländischer und deutscher Kinder und Jugendlicher im Bürgergeld: Demnach waren es 2010 rund 1,37 Millionen deutsche und 304.000 ausländische minderjährige Leistungsberechtigte. Ende 2023 lag das Verhältnis bei 907.000 zu 894.000. Die Ausgaben gingen durch die Decke, kritisiert Springer und fordert eine „Beseitigung der seit langem bestehenden und der von der Ampel zusätzlich geschaffenen Anreize zur Migration in die Sozialsysteme.“

Nullrunde im nächsten Jahr?

Das Bürgergeld war zum Jahresbeginn im Vergleich zu 2023 im Schnitt um rund zwölf Prozent angehoben worden - für Alleinstehende war das ein Plus von 61 auf 563 Euro im Monat. Der Regelsatz wird jährlich an Preise und Löhne angepasst und berücksichtigt auch die Inflation. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte gesagt, wenn die Inflation jetzt deutlich sinke, werde die nächste Anpassung entsprechend niedrig sein. Die dafür nötigen Daten liefere das Statistische Bundesamt im Sommer.

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Finanzminister Lindner hat bereits mehrfach die Erwartung geäußert, dass die Sätze 2025 nicht wieder steigen werden und bekräftigte das nun im ARD-„Sommerinterview“. Im nächsten Jahr werde es eine Nullrunde beim Bürgergeld geben, sagte er. „Es wird nicht erhöht, während die arbeitende Bevölkerung bei der Lohn- und Einkommensteuer entastet wird. Das vergrößert den Abstand wieder, auch das erwartet die Bevölkerung.“

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(dpa/eku)