„Zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal sind zumutbar”Kassenärzte-Chef fordert neue Praxisgebühr und Erhöhung der Tabaksteuer

Bernd von Jutrczenka
Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), fordert „zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal”.
deutsche presse agentur

Der Verband der Kassenärzte fordert neue Einnahmequellen für unser Gesundheitssystem.
Vorstellbar sei „eine Art Praxisgebühr 2.0, bei der die Kassen das Geld bei den Patienten einziehen”, sagt Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der Rheinischen Post. Außerdem zieht er einen interessanten Döner-Vergleich.

Verbandschef vergleicht Praxisgebühr mit Dönerpreis

„Zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal sind zumutbar, das ist der Preis eines Döners”, sagt Gassen. Die Gebühr solle aber nicht vor Ort beim Arztbesuch eingezogen werden. Dies würde zu viel bürokratischen Aufwand für die Praxen bedeuten. Gassen erinnert an das Volumen der bis 2012 erhobenen Gebühr: „Damals hat die Praxisgebühr den Kassen zwei Milliarden Euro im Jahr gebracht. Zum Vergleich: Pro Patient bekommt ein Hautarzt zum Beispiel nur rund 15 Euro im Monat.”

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UMFRAGE: Wie findet ihr den Vorschlag des Kassenärzte-Chefs?

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Gesetzliche Krankenkassen weisen Forderung zurück

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) weist Gassens Forderungen zurück. „Einfach mehr Geld führt nicht zu einer besseren Versorgung, sondern konserviert nur die alten Strukturen”, erklärt der Sprecher des Spitzenverbands, Florian Lanz. „Das Gesundheitswesen braucht Veränderung, keinen Stillstand.” Es gebe in der GKV „kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem”. An dem aktuell von der Bundesregierung geplanten Sparpaket sollten sich auch Pharmaindustrie und niedergelassene Ärzte beteiligen.

Zur Erinnerung: Eine generelle Praxisgebühr für Arztbesuche gab es für gesetzlich Versicherte von 2004 bis Ende 2012 in Höhe von pauschal zehn Euro pro Quartal. Diese führte zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand, die Einsparungen blieben hinter den Erwartungen zurück. Zugleich ging die Zahl der Arztbesuche zurück. Dies löste Befürchtungen aus, dass medizinisch sinnvolle Vorsorgetermine oder Behandlungen von potenziellen Patienten nicht wahrgenommen wurden.

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„Wir brauchen endlich eine Zuckersteuer”

Kassenarzt-Chef Gassen fordert zudem eine Steuer auf Zucker einzuführen und die Steuer auf Tabak und Alkohol zu erhöhen: „Es gibt Wege, Einnahmen gezielt zu erhöhen: Wir brauchen endlich eine Zuckersteuer wie in skandinavischen Ländern. Zugleich sollte die Tabak- und Alkoholsteuer erhöht werden und die Einnahmen zweckgebunden in das Gesundheitswesen gehen, sie dürfen nicht wie bisher im Bundeshaushalt versickern.”

Gassen sagt: „Zwei Euro Steuern mehr pro Zigaretten-Packung wären doch ein guter Anfang. Das würde rund sieben Milliarden Euro im Jahr bringen – und wenn es Jugendliche vom Rauchen abhält, umso besser.” Rauchen sei schließlich die Hauptursache für Lungenkrebs, Herzinfarkte, Schlaganfälle.

Er bekräftigt seine Forderung, die Homöopathie als Kassenleistung zu streichen: „Es gibt keine Evidenz, dass Homöopathie wirkt. Menschen sollen gerne Globuli und Mistel-Zweige einsetzen, wenn sie daran glauben – aber nicht zu Lasten der Beitragszahler. Allein für Homöopathie zahlen die Kassen 50 Millionen Euro im Jahr.”

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Zudem fordert Gassen das Bundesgesundheitsministerium auf, die Erstattung von Gesundheits-Apps zu streichen – beispielsweise von Apps, die Versicherte mit Handy oder Computer nutzen können, um das Rauchen aufzugeben oder Depressionen zu lindern. Mit solchen Apps werde „ohne erwiesenen Nutzen viel Geld verschwendet”, kritisiert der Verbandschef. „Sie haben zwischen 2020 und 2024 rund 234 Millionen Euro gekostet, und die Ausgaben steigen.” (ele)

Verwendete Quellen: RTL-Recherche, dpa, Rheinische Post