Thüringen wirbt frech – und kassiert Shitstorm „Bock auf nen geilen B***Job?“

von Anne Schneemelcher, Konrad Rampelt und Fabian Klein

Wer dachte, der öffentliche Dienst sei dröge, kennt wohl noch nicht Thüringens neue Werbekampagne.
Mit dem Slogan „Bock auf nen geilen B***job – mach’s öffentlich!” versuchte der Freistaat mithilfe, jugendliche Aufmerksamkeit zu wecken. Die kam zwar – nur anders als geplant.

„Sexistisch und bleidigend” – Zwölftklässler entsetzt

Wie wirbt man 2025 für den öffentlichen Dienst? In Thüringen offenbar mit einem anrüchigen Wortspiel. Unzeitgemäß findet das die Erfurter Gymnasiallehrerin Anja Brettin, die sich gleich die Kreide griff, um ihren Zwölftklässlern den vermeintlichen „Gag“ zu erklären. Die Reaktion? „Total entsetzt”, berichtet sie dem MDR. „Die Mädchen haben gesagt, sie finden das total sexistisch und diskriminierend, jetzt, wo sie die Aussage verstehen. Die Jungen haben gesagt, sie fühlen sich durch die Kampagne beleidigt.“ Der Spruch verstoße „mindestens gegen das gute Benehmen”, so Brettin.

Doch Aufmerksamkeit war offenbar das Ziel: „Die Kampagne setzte bewusst auf eine junge, zugespitzte und aufmerksamkeitsstarke Bildsprache. Die Motive sollten Aufmerksamkeit erregen”, teilte eine Sprecherin der Staatskanzlei auf MDR-Nachfrage mit. Nun, das ist gelungen, wenn auch nicht ganz im Sinne der Erfinder.

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Saskia Grimm, Landesjugendleiterin beim Beamtenbund, kritisiert die klischeebehaftete Wortwahl.
Saskia Grimm, Landesjugendleiterin beim Beamtenbund, kritisiert die klischeebehaftete Wortwahl.
RTL

Auch der Beamtenbund und die Gleichstellungsstelle haben mit der Provokation ein Problem. Saskia Grimm, Landesjugendleiterin beim Beamtenbund, wünscht sich weniger Klischees und mehr Ernsthaftigkeit. „Slogans wie dieser fördern altmodische Rollenbilder“, kritisiert sie. Schließlich wolle man junge Menschen für den Staatsdienst begeistern und nicht verschrecken. Die Kampagne sei „nicht so super positiv aufgefallen“ und vor allem aus Sicht junger Frauen „sehr kritisch zu sehen“, begründet sie im RTL-Interview.

Thüringens Gleichstellungsbeauftragte Gabi Ohler sieht das ähnlich: „Diese diskriminierende und sexistische Sprachverwendung kann aus meiner Sicht als Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstanden werden”, sagt sie dem MDR. Das Gesetz verbiete sexuelle Belästigung ausdrücklich. Sozialministerin Katharina Schenk (SPD) versprach, dass das Motiv „aus nachvollziehbaren Gründen” nicht weiter genutzt werde. Ein Hauch von Einsicht weht also durchs Beamtenbüro.

Linken-Politikerin stellte Dringlichkeitsanfrage

Nach zahlreichen Beschwerden stellt die Landtagsabgeordnete Ulrike Grosse-Röthig im Thüringer Landtag eine Dringlichkeitsanfrage zu dem fragwürdigen Slogan. Ihren Vorstoß begründet sie bei RTL: „Das ist keine moderne Kampagne, sondern ein Witz, den sich offensichtlich alte weiße Männer ausgedacht haben, um junge Menschen vermeintlich anzusprechen. Aber das ist nichts, womit man heute junge Menschen für den öffentlichen Dienst gewinnen kann.“

Ulrike Grosse-Röthig stellte im Thüringer Landtag eine Dringlichkeitsanfrage zu der Kampagne.
Ulrike Grosse-Röthig stellte im Thüringer Landtag eine Dringlichkeitsanfrage zu der Kampagne.
RTL

Der Spruch sei „ein geschmackloses Altherrenwitzchen“ und für Thüringen „einfach unwürdig“, wettert die Politikerin der Linken. „Die 80er Jahre sind auch hier vorbei.“

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Skandal-Postkarte nur in kleiner Auflage gedruckt

Laut Staatskanzlei kostete die Kampagne schlappe 65.000 Euro Steuergeld – inklusive Konzeption, Gestaltung, Umsetzung, Radiospots und Social-Media-Aktionen mit Gewinnspiel. Auch beleuchtete City-Light-Poster wurden geschaltet, unter anderem in Erfurt, Jena und Weimar. Die umstrittene B***Job-Postkarte war laut Landesregierung jedoch nur in kleiner Auflage gedruckt worden, Kostenpunkt gerade mal 100 Euro. Neben dem Skandal-Motiv gab es auch andere, bravere Sprüche, welche die angesprochene Zielgruppe jedoch offenbar nicht weniger cringe fand.

Mythos Sex sells hat sich „eigentlich schon lange erledigt“

Auch aus der Sicht des Marketing-Professors Marko Sarstedt (Ludwig-Maximilians-Universität in München) ist die Kampagne nur wenig zielführend. „Dieser Spruch ist doch stark abwertend, sexualisiert und passt nicht so richtig in die heutige Zeit rein“, erklärt er im RTL-Interview. „Wir wissen auch, dass so eine Art von Werbung eigentlich generell nicht funktioniert. Dieser Mythos Sex sells hat sich eigentlich schon lange erledigt.“

Zwar gebe es Branchen, in denen solche Werbungen immer noch funktionieren würden, dieser Fall zähle da aber garantiert nicht zu. „Der öffentliche Dienst und Erotik, das passt einfach nicht zusammen.”

Auch „Hippie-Eltern”-Spruch fällt durch

Lehrerin Brettin sagt, ihre Schülerinnen und Schüler seien sehr sensibilisiert dafür, wie Menschen behandelt werden. „Meinen Schülern ist es wichtig, dass die Grenzen von anderen gewahrt werden, sowohl körperliche als auch psychische.” Auch ein anderes Kampagnenmotiv („Zahl’s deinen Hippie-Eltern heim. Werd Beamte:r!”) kam in ihrer Klasse nicht gut an. Die Botschaft wirke wie eine billige Provokation und weniger wie ein echtes Werben um Vertrauen und Zukunft. „Die Unterstellung, dass sogenannte Hippie-Eltern sich darüber ärgern, wenn ihre Kinder eine seriöse Laufbahn einschlagen, haben sie als Beschimpfung begriffen.”

Thüringen hat versucht, cool zu sein und tritt mit Karacho ins Fettnäpfchen. Vielleicht beim nächsten Mal weniger „B***job” – und mehr BRAINjob.