Wie gesund ist Speedwatching für uns und unser Gehirn?
Medienkonsum in doppelter Geschwindigkeit – Psychologe verrät, was das mit uns macht

Manchmal muss es einfach schnell gehen!
Vor allem in einer so schnelllebigen Zeit, in der wir leben. Deswegen ist es kein Wunder, dass sich viele Menschen Sprachnachrichten auf WhatsApp, Podcasts auf Spotify oder Videos auf YouTube, TikTok und Co. in doppelter Geschwindigkeit anhören und ansehen. Können wir so wirklich Zeit sparen und in kurzer Zeit NOCH MEHR Informationen aufnehmen – oder zerstören wir unsere Aufmerksamkeitsspanne damit komplett?
Dank Speedwatching ALLES mitkriegen! Psychologe nennt Vorteile
Sowohl in der Online-Welt als auch im echten Leben wird 2025 alles schneller. Und es gibt so viel, das wir gerne konsumieren wollen. Die Weiten des Internets scheinen schier unendlich zu sein. Der neue Urlaubsvlog des Lieblings-YouTubers ist endlich draußen, die neue Mini-Serie auf Netflix, und eigentlich müsste man der besten Freundin noch auf ihre zehnminütige Sprachnachricht antworten. So wenig Zeit, so viel zu tun!
Für viele seit einigen Jahren DIE Rettung in der Not: Die Einstellung, mit der man das Medium in 1,5-facher oder gleich zweifacher Geschwindigkeit konsumieren und genießen kann. Ganz schön praktisch!
Sinnvoll klingt es allemal – aber da wir doch ohnehin schon in einer so schnelllebigen Zeit leben und uns gefühlt nur noch bei 30 Sekunden langen Videos konzentrieren können, schaden wir uns nicht auch irgendwo?
Wie bei vielen Dingen im Leben komme es auf eine gesunde Mischung an. Psychologe Michael Thiel erklärt im RTL-Interview: „Speedwatching hat sowohl potenzielle Vorteile als auch Risiken für unser Gehirn. Vorteile sind, dass Studien zeigen, dass Menschen tatsächlich in der Lage sind, schnellere Sprache zu verstehen, da das Gehirn erstaunlich effizient darin ist, auditive Informationen zu verarbeiten.”
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„Hirn hat Kapazitätsgrenze” – das macht Medienkonsum in erhöhter Geschwindigkeit so problematisch
In begrenztem Maße könne es sogar die Verarbeitungsgeschwindigkeit trainieren und kognitive Flexibilität fördern sowie die Konzentration fördern. Und: „Wenn es um bekannte oder weniger komplexe Inhalte geht, kann Speedwaching Zeit sparen, ohne dass das Verständnis darunter leidet”, so der Experte.
Trotzdem sollte man sich bewusst sein: „Unser Arbeitsgedächtnis hat eine Kapazitätsgrenze.” Und tagtäglich sind wir ohnehin schon von vielen Reizen umgeben, müssen ständig im Leben Informationen aufnehmen und verarbeiten.
Deswegen sieht Thiel auch Risiken beim Speedwatching: „Wenn Inhalte zu schnell präsentiert werden, kann das Verstehen und Abspeichern der Informationen leiden. Besonders bei komplexen Themen kann das Gehirn die Zusammenhänge nicht mehr ausreichend verarbeiten.”
Genau DAS wirke sich dann wiederum auf unsere Emotionen auf, da selbst emotionale Inhalte so an Wirkung verlieren würde. Deswegen Achtung! „Das kann langfristig zu einer Abstumpfung führen.” Zudem erklärt er: „Ein dauerhaft hohes Tempo kann unsere Aufmerksamkeitsspanne verändern, sodass wir uns an schnelle oberflächliche Informationsaufnahme gewöhnen – mit negativen Folgen für tiefere Konzentration, Entspannung und Reflexion.”
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Bei diesen Warnsignalen solltet ihr hellhörig werden
Wer bereits merkt, dass er zu tief im zu schnellen, zu hohen und zu oberflächlichen Medienstrudel steckt, der sollte folgende Warnzeichen des Psychologen beachten:
Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, längere Texte zu lesen oder fokussiert zu arbeiten.
Erhöhte Reizbarkeit: Wenn ständige Informationsaufnahme Unruhe oder Nervosität auslöst.
Schlechter Schlaf: Besonders Bildschirmzeit vor dem Schlafengehen kann den Schlaf beeinträchtigen.
Sinkende Genussfähigkeit: Wenn Inhalte nur noch „durchgescrollt“ werden statt bewusst erlebt zu werden.
Vergessen von Inhalten: Wenn Gesehenes oder Gelesenes kaum im Gedächtnis bleibt.
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Keine Lust mehr auf Speedwatching? So geht ihr richtig mit Medien um

Daher sollten wir nicht vergessen, der Reizüberflutung manchmal, so gut es eben geht, aus dem Weg zu gehen, „und sich mit seinem Lieblingsbuch oder seinem Lieblingsfilm zurückzuziehen”, empfiehlt Thiel. So könne eine Erholungsoase für Gehirn und Psyche geschafft werden. Bewusste Ruhe, Meditation, Yoga und Co. helfen dabei ebenfalls.
Was auch noch hilfreich ist:
Bewusst Phasen OHNE digitale Medien einplanen („Digital Detox”).
Podcasts, Videos und Co. zur Abwechslung mal wieder in normaler Geschwindigkeit hören beziehungsweise schauen und gezielt integrieren.
Medien mit aktiver Verarbeitung kombinieren (zum Beispiel währenddessen Notizen machen, diskutieren).
Thiel erklärt: „Medienkonsum sollte am Ende immer wieder bewusst und zielgerichtet erfolgen. Zu viel und zu schneller Konsum kann langfristig die Konzentration und das emotionale Erleben beeinträchtigen.”
Passt also auf und hinterfragt ruhig mal, ob es wirklich immer so schnell gehen muss.
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