Experte gibt TippsEinseitige Freundschaften! Wie sage ich jemandem, dass er egoistisch ist?

Ich, ich, ich!
Wir kennen sie wohl alle. Die eine Person im Freundeskreis, die irgendwie nie bezahlen will, der man alles recht machen muss und die fast immer nur an sich denkt. Zwar akzeptieren wir sie so, wie sie ist, aber manchmal würden wir ihr am liebsten kräftig die Meinung geigen. Nur wie? Was tun bei Red-Flag-Alarm im Freundeskreis?
Vorsicht, toxisch: Eine Freundschaft ist keine Einbahnstraße!
Was wäre ein Leben ohne Freunde!? Gute Freunde sind Menschen, denen wir uns verbunden fühlen, mit denen wir gerne Zeit verbringen, denen wir persönliche Dinge anvertrauen – und zwar sowohl positive als auch negative. Wir brauchen sie für unser psychisches und physisches Wohlbefinden.
Wir geben Freunden nicht nur unsere Zeit und Energie, sondern auch unsere Nähe und unser Vertrauen. Darüber hinaus versuchen wir stets, all das aufrechtzuerhalten.
Und: In einer Freundschaft zu geben und zu nehmen sorgt für Sicherheit, vermittelt ein gutes Gefühl und stärkt die Bindung zueinander. Deswegen schreibt Autor Dr. Ali Fenwick in seinem Buch „Red Flags, Green Flags – Toxisches Verhalten erkennen und Grenzen setzen”, erschienen 2025 im Dumont-Verlag: „Zu geben, ist nicht jedermanns Stärke. Manche Menschen sind von Natur aus nicht besonders freigiebig, aber trotzdem gute Freunde. Andere sind nette Menschen, betrachten aber Freunde als Mittel, um im Leben besser voranzukommen, und nehmen mehr, als sie geben.”
Aber eine Freundschaft ist – genau wie jede andere gut funktionierende zwischenmenschliche Beziehung – keine Einbahnstraße!
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Experten-Tipp: Jede Freundschaft hat ein emotionales Bankkonto mit Pluspunkten
Was also tun, wenn die Freundschaft mit der besten Freundin, dem besten Kumpel oder Mitbewohner genau zu einer solchen Einbahnstraße zu werden droht und ihr keine Lust mehr habt, mehr zu geben als ihr am Ende kriegt?
Der Professor für Organisationsverhalten und Innovation an der Hult International Business School erklärt in seinem Buch, dass, wenn es dazu kommt, meist etwas passiert ist und ins Ungleichgewicht geraten ist.
Zudem vergleicht er das Ganze mit einem Bankkonto:
„Als langjähriger guter Freund hat man mit den Jahren ein emotionales Bankkonto angelegt, wo Pluspunkte gesammelt werden. Nachdem man eine solide, vertrauensvolle Beziehung aufgebaut hat, führt man nicht mehr ständig Buch über bestimmte Freundschaftsdienste. Es gibt Momente, in denen eine Person psychisch, emotional oder körperlich nicht in der Lage ist, etwas zurückzugeben. Weil das emotionale Bankkonto gut gefüllt ist, akzeptiert man das und unterstützt sie, wenn möglich in der Erwartung, dass es irgendwann besser wird.“
„Wenn sich allerdings nichts ändert und die Person weiterhin nur nimmt, wird sich das emotionale Bankkonto mit der Zeit leeren. Wie groß die Kontosumme und wie hoch der Überziehungskredit ist, den man der anderen Person einräumt, ist von Beziehung zu Beziehung verschieden.“
Manche Freunde werden auf diese Art zu Schmarotzern und nehmen, nehmen und nehmen – ohne jemals richtig zu geben.
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Egoismus als Grund für Schmarotzer-Freunde
Ein möglicher Grund dafür? Egoismus. Entweder ist dieser eine schon immer da gewesene Charaktereigenschaft oder er hat sich erst mit der Zeit entwickelt, zum Beispiel durch Traumata. Problem: Durch Egoismus lasse sich eine gesunde Freundschaft nur schwer aufrechterhalten.
Deswegen sei es wichtig, zu entscheiden, wie weit man gehen möchte. Was ist mir die Freundschaft wert?
Und übrigens, falls es euch bekannt vorkommt: People Pleaser bringen den Balanceakt in einer Freundschaft ebenfalls aus dem Gleichgewicht, weil sie von Natur aus großzügiger sind und mehr geben. Hier herrsche ein großes Risiko, ausgenutzt zu werden. Denkt also dran: „Empathie ohne Selbstachtung führt zu Selbstsabotage.“
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Wie also am besten mit einer einseitigen Freundschaft umgehen?
Laut Fenwick gibt es einige Dinge, die ihr tun könnt, wenn ihr das Gefühl habt, eure Freundschaft ist nicht mehr die, die sie mal war:
Überlegt, an welchen Verhaltensweisen oder Beobachtungen ihr überhaupt festmacht, dass die Freundschaft einseitig ist. Redet die Person nur von sich? Bezahlt sie nie einen gemeinsamen Restaurantbesuch? Will sie sich nur mit euch treffen, wenn sie etwas von euch will?
Bevor Bedenken geäußert werden, helfe es, einige Beispiele zu sammeln.Macht euch schon im Voraus Gedanken über den Ausgang des Gesprächs. Was möchtet ihr bezwecken, was möchtet ihr verbessern? Vielleicht wollt ihr ja sogar selbst eine Pause oder die Freundschaft ganz beenden. Seid ihr euch darüber im Klaren, seid ihr gut vorbereitet und könnt besser an die Sache herangehen. „Wenn die emotionalen Bindungen oder persönlichen Interessen auseinanderklaffen, ist es okay, die Beziehung zu beenden. Vielleicht ergibt es zu einem späteren Zeitpunkt Sinn, die freundschaftliche Beziehung wiederaufleben zu lassen.“
Ein klärendes Gespräch führen und sagen, dass das Ganze einen belastet – und begründen, wieso es das tut. Es sei wichtig, eigene Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Sagt offen, was euch wichtig ist (Niemand kann Gedanken lesen!), sprecht Probleme an.
Denn zu schweigen kann im Nachhinein schwerwiegendere Folgen für die Freundschaft haben, als ehrlich miteinander zu kommunizieren.
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Denkt dran: Verständnis zu zeigen, kostet nichts. Denn auch der Autor sagt, dass es manchmal eben Gründe gibt, wegen denen jemand weniger von sich gibt. Logischerweise ist es selbstverständlich, dass man dann auf seine Freunde zugeht und ihnen hilft.
„Wenn es aber keine nachvollziehbaren Gründe für Verhaltensänderungen gibt, ihr immer und immer wieder vor dem gleichen Problem steht” und ihr darüber unglücklich seid, weil ihr einfach nicht wisst, was ihr noch tun könnt und somit keine Zukunft mehr seht, dann ist es sinnvoller, die ausgestreckte Hand wieder zurückzuziehen. Und einen Schlussstrich zu ziehen.
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