Psychologin gibt wichtige TippsIhr seid ein People Pleaser? Wie ihr endlich aufhört, es allen recht machen zu wollen

Mother meditating at the kitchen with her children flying around
Ständig denkt ihr an andere - während ihr selbst dabei zu kurz kommt. Das nervt? Ganz einfach: Macht Schluss damit!
Maria Pavlova, Maria Pavlova
von Vera Dünnwald

Eigentlich habt ihr keine Lust oder keine Zeit. Aber am Ende tut ihr es trotzdem.
Denn schließlich müsste der Kumpel seinen Umzug ja sonst alleine meistern und die beste Freundin, die feiern gehen will, möchte man ja auch nicht hängen lassen. Solche oder ähnliche Situationen kommen euch bekannt vor? Glückwunsch, dann seid ihr mit großer Wahrscheinlichkeit ein People Pleaser.

Was ist überhaupt ein People Pleaser?

„Nein“ zu sagen, fällt euch schwer. Ihr seid stets darauf bedacht, es allen Menschen um euch herum recht zu machen. Ihr entschuldigt euch, obwohl noch gar nichts passiert ist. Ihr habt kein Problem damit, euch für eure Liebsten gefühlt ein Bein auszureißen.

Willkommen im People-Pleaser-Club!

In gewisser Weise sind all diese Eigenschaften durchaus positiv zu bewerten. Ihr seid der Freund, auf den man sich stets verlassen kann! Von euch könnte sich der ein oder andere sogar eine Scheibe abschneiden.

Doch es gibt ein Problem: Was ist, wenn die Bedürfnisse der anderen so weit über die eigenen gestellt werden, dass man selbst zu kurz kommt? Sich um andere zu kümmern, schön und gut. Aber wie wäre es mal mit etwas Me-Time?

Die britische Psychologin Emma Reed Turrell hat sich dem Thema People Pleasing in ihrem Buch „Selbst.Zufrieden“ angenommen. Kleiner Spoiler vorab: Die Autorin ist selbst ein People Pleaser. Oder besser gesagt: Sie war es.

Denn auch sie hat Schluss gemacht: „Wandlungsfähig wie ein Chamäleon verstand ich mich jeder Situation anzupassen, um den Menschen das zu geben, was sie sich wünschten“, schreibt sie in ihrem Buch. Schnell bemerkt sie jedoch: Diese „Es-allen-recht-machen“-Haltung hinderte sie „an einem authentischen Leben.“ Sie wurde sogar krank.

Lese-Tipp: Warum Nein sagen vielen so schwerfällt

Aufgrund der Angst, andere Menschen zu verlieren, verlieren wir uns am Ende selbst

Shot of a young businesswoman looking anxious in a demanding office environment
Aufopferungsvoll und selbstlos zu sein ist eine gute Eigenschaft? An sich schon. Es kommt nur darauf an, in welchem Ausmaß man das Ganze ausübt - sonst ist man schnell mal überfordert.
Yuri Arcurs, www.peopleimages.com

Aber woher kommt das People-Pleaser-Dasein überhaupt und warum verhalten wir uns so? Wollen wir wirklich einfach nur aufmerksam, rücksichtsvoll oder selbstlos sein? Das erklärt die gelernte Psychotherapeutin: Eigentlich steckt dahinter „der Wunsch, die Reaktionen der anderen zu lenken und das Unbehagen zu vermeiden, das ein eventuelles Missfallen in uns wecken würde.“

Denn an oberster Stelle steht für den People Pleaser nun mal: Ich möchte Leuten gefallen. Noch besser: „Gebraucht zu werden fühlt sich beinahe genauso an wie geliebt zu werden.“ Laut Turrell tun wir es, weil wir Angst haben, Menschen zu verlieren. Doch „im vergeblichen Versuch, sie zufriedenzustellen, verlieren wir uns selbst.“

Dieses Problem sei jedoch kein Charakterfehler, der uns zu weniger liebenswerten Wesen macht, sondern ein Ergebnis unserer Konditionierung. Wir sind so aufgewachsen und sozialisiert worden, haben gelernt uns anzupassen und zu funktionieren. Aber: „Gemocht oder gebraucht zu werden ist nichts wert, wenn wir uns dabei komplett selbst aufopfern. Irgendwann müssen wir uns alle entscheiden: ob wir es anderen recht machen oder ob wir authentische Menschen sein wollen.“

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Die vier verschiedenen People-Pleasing-Typen

Die Autorin unterscheidet zwischen vier verschiedenen Typen des People Pleasers. Sie „alle haben dasselbe Problem verkörpert: die Unfähigkeit, sich so, wie man ist, gut genug zu fühlen.“

  1. Der klassische People Pleaser: Sie sind stolz auf ihre Fähigkeit, Dinge auf die Reihe zu kriegen. Sie existieren, um das Leben anderer leichter zu machen und haben quasi das eigene Selbstwertgefühl durch das der anderen ersetzt.

  2. Der Schatten: Sie verbringen ihr Leben im Dienste anderer; jeder, die im Licht stehen und scheinbar wichtiger sind und die Aufmerksamkeit eher verdient haben als sie selbst. Sie machen sich kleiner und den anderen größer, um die beste Nummer zwei zur Nummer eins zu sein.

  3. Der Beschwichtiger: Sie agieren nach dem Motto „Bloß nicht unangenehm auffallen“ und sind in der Lage, angespannte Situationen zu retten und menschliche Zusammenarbeit zu erleichtern. Das Boot irgendwie ins Wanken bringen? Kommt für sie nicht infrage!

  4. Der Verweigerer: Auch sie sind People Pleaser – aber nur im Untergrund, denn sie selbst würden sich nie als solchen bezeichnen. Sie vermeiden Nähe in Beziehungen, halten ihre Partner auf Abstand und verbergen ihre Schwachstellen hinter einer Persönlichkeit, die eine dicke Haut hat. Ihre Gefühle haben sie stets in die hinterste Ecke verbannt.

Nicht immer sei eine strikte Trennung möglich, so Turrell: „Verschiedene Kombinationen von Umweltfaktoren führen zu unterschiedlichen Mischungen bei den Pleasing-Profilen, die sich im Lauf der Zeit verändern und weiterentwickeln können.“ Es könnte also durchaus sein, dass ihr euch nicht nur in einem der Profile wiederfindet – sondern gleich in mehreren. Aber keine Angst! Dass wir Menschen gefallen wollen, lernen wir bereits in jungen Jahren.

Es anderen Recht zu machen, erlernen wir bereits als Babys und in unserer Kindheit

„Schon ein winziges Baby weiß, dass es diese Liebe für sein Überleben braucht, und die Evolution hat ihm eine Superkraft gewährt: die Macht, zu gefallen“, erklärt die Autorin. Wenn ein Säugling euch in Zukunft anlächelt, dann nicht, weil er wirklich gut drauf – sondern weil er gelernt hat, dass sein Handeln bei euch gut ankommt.

Wenn wir größer und zu Kindern geworden sind, geht es weiter: „Kinder saugen Anerkennung förmlich in sich auf. [...] Und je mehr du fürs Lustig- oder Nettsein, für Großzügigkeit oder Geduld gelobt wurdest, umso mehr hast du wohl solche Situationen aufgesucht, umso mehr wurden sie Teil deiner Identität.“

Und – kommt euch das zufällig bekannt vor?

Wir wollen unsere Eltern beglücken, wenn wir klein sind, „allerdings sind wir nicht dazu geschaffen, unsere Eltern für immer zu erfreuen.“ Irgendwann, wenn wir erwachsen sind, „müssen wir Erwartungen der Vergangenheit aus heutiger Perspektive überprüfen, um darüber nachzudenken und sie neu zu verstehen.“

Für jeden, der es hören muss, hält die Autorin einige wichtige Worte bereit: „Nicht gemocht zu werden ist zwar unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich.“

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„Du hast dich verändert“ - die schlimmsten Worte für einen People Pleaser?

Group of women seated at a cafe's window relaxing during a cold afternoon in Scandinavia, Copenhagen.
Wenn sie sagen „Du hast dich verändert“ - ist das wirklich ein schlechtes Zeichen?
Photographer: Leonardo Patrizi, Copyright - Leonardo Patrizi

Emma Reed Turrell beleuchtet in ihrem Buch People Pleaser unter anderem in Freundschaften und in Beziehungen. Bei Freundschaften zum Beispiel sei es okay, Leute auch einfach abzuschreiben. „Nicht, weil sie uns nichts bedeuten, sondern weil sie uns nicht zu schätzen wissen. [...] Es ist okay, sich zu häuten und über Freundschaften hinauszuwachsen.“

Denn: Eine zwischenmenschliche Beziehung – egal ob Freundschaft oder Partnerschaft – funktioniert nur, wenn man auf Augenhöhe miteinander umgehen kann. „Wenn sie dir sagen, dass ‘du dich verändert hast’, weißt du, dass sie eigentlich meinen: ‘Mir passt es nicht, dass es nicht mehr nach meinem Willen geht.’“

Wenn ihr so etwas schon einmal gehört habt, denkt einfach daran, „dass Reaktionen von Menschen oft mehr über ihre Beziehung zu sich selbst aussagen, als dass sie ein legitimes Urteil über uns abgeben können.“

Aber: Was lösen People Pleaser eigentlich bei eurem Gegenüber aus? Vorab sei gesagt: Das Es-allen-recht-machen-wollen „ist eine egoistische Handlung, mit einer selbstlosen Schleife garniert, und eine todsichere Methode, um Leuten auf den Sack zu gehen.“

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Sich selbst in den Vordergrund zu rücken ist gut!

Wenn ihr beim Lesen mehrmals dachtet: „Hilfe, die Autorin spricht mir aus der Seele“, dann könnte „Selbst.Zufrieden“ euch zukünftig dabei helfen, euren inneren People Pleaser loszuwerden – ganz ohne schlechtes Gewissen.

Denn in Wahrheit kann diese Angewohnheit „niemanden glücklich machen.“ Damit wir uns selbst zufriedenstellen können, müssen wir Verantwortung für all unsere Gefühle übernehmen. Das Sich-selbst-Zufriedenstellen bedeutet aber wahrlich nicht, „Ich zuerst“ – „sondern einfach nur ‘Ich auch’.“

Empathisch zu sein ist eine besondere Gabe. „Doch wenn du es allen recht machen willst, wirfst du deine Liebe und Empathie unterschiedslos allen vor, auch denen, die sie niemals schätzen werden, nicht schätzen können“, so Turrell.

Und die Wahrheit ist: Wir sind gut genug. Wir sind es immer gewesen. „Daher, um unserer aller willen: Stell.Dich.Selbst.Zufrieden.“