Arzt erklärt, ob das überhaupt sein kann

Mutter will mit Video beweisen: Mein Sohn Archie Battersbee (12) lebt noch!

Kann Archie Battersbee (12) selbstständig atmen? Mutter kämpft für hirntoten Sohn
00:40 min
Mutter kämpft für hirntoten Sohn
Kann Archie Battersbee (12) selbstständig atmen?

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von Vera Dünnwald

Eigentlich sind sich die Ärzte sicher: Archie Battersbee ist hirntot. Die Maschinen sollen abgestellt werden dürfen. Doch jetzt veröffentlichte seine Mutter, Hollie Dance, ein neues Video, in dem zu sehen sein soll, wie der 12-Jährige selbstständig und unabhängig von seinem Beatmungsgerät atmet. Damit möchte sie belegen: Mein Kind lebt. Die Bilder sehen Sie im Video.

Ist es wirklich möglich, dass Archie Battersbee selbstständig atmet?

RTL-Interview mit Dr. Christoph Specht.
Wie bewertet der Experte, Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht, den Fall Archie Battersbee?
RTL

Erst am 26. Juli haben drei Berufungsrichter ihr finales Urteil abgegeben und entschieden, dass die Ärzte die lebenserhaltenden Maßnahmen des hirngeschädigten Archie Battersbees rechtmäßig beenden dürfen.

Jetzt will Hollie Dance, Archies Mutter, „neue“ Beweise haben und anhand eines Clips belegen, dass ihr Sohn selbstständig atmen kann, wie die „DailyMail“ berichtet. Das Video zeigt den Monitor, der die Atemfrequenz des Zwölfjährigen wiedergibt. Zu Beginn steigt die von 14 auf 15 an, bevor das Diagramm eines Lungenpaares aufblitzt. Es soll ein Hinweis darauf sein, dass ein Atemzug getätigt wurde. Zudem hört man Atemgeräusche. Heißt das etwa, dass Archie wirklich noch eigenständig atmen kann und es ein fataler Fehler wäre, die Maschinen abzustellen?

Medizinexperte Dr. Specht erklärt im RTL-Interview. „Die Geräusche, die wir hören, lassen auf die Beatmungsmaschine schließen. Ich bezweifle, dass es sich wirklich um die Atmung des Jungen handelt.“ Für ihn sei es außerdem kein eindeutiger Indikator, dass sich die Zahl der Atemfrequenz ändert. Eine Ferndiagnose sei aber äußerst schwer zu stellen, doch dass Archie Battersbee plötzlich – nur anhand der Bewertung des Videos – von selbst atmen soll, schließt der Allgemeinmediziner und Medizinjournalist aus.

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Dr. Specht: "Für Archie sieht es schlecht aus"

Dr. Specht sagt: „Ich verstehe, dass das eine ganz furchtbare Situation ist – vor allem für die Eltern. Denn der Körper des Jungen ist vermutlich noch warm, der Brustkorb bewegt sich und auch das Herz schlägt in irgendeiner Form noch, eben weil er an Maschinen angeschlossen ist, die ihn am Leben halten. Aber wenn der Hirnstamm irreversibel verletzt ist, dann sieht es schlecht aus für Archie.“

Ein Hirntoter könne nicht eigenständig atmen, erklärt der Mediziner. „Zu der Hirndiagnostik, um bei uns in Deutschland den Hirntod feststellen zu können, gehört der sogenannte Apnoetest. Da wird die Beatmung abgestellt, sodass die Co2-Konzentration ansteigt. Dann wird geschaut, ob die Spontanatmung einsetzt. Bei einem hirntoten Patienten funktioniert dieser Reflex nicht mehr.“ Mit Maschinenunterstützung könnte Archie Battersbee eventuell noch „lange“ leben, „aber nicht selbstständig. Und selbst wenn er selbstständig lebensfähig wäre, sich aber in einem Zustand mit irreversiblen Schäden befindet, von denen er sich nicht erholen kann, dann muss man sich fragen: Ist das im Sinne des Kindes?“

Den Clip von Hollie Dance, Archies Mutter, bewertet Dr. Specht zudem als nicht aussagekräftig genug, um rechtsfähig zu sein, um damit vor Gericht belegen, dass der Zwölfjährige noch eigenständig atmet: „Im Prinzip sehen und hören wir nur einen abgefilmten Monitor – keinen Patienten, keinen Arzt. Durch die Ansagen des unbekannten Mannes, der in dem Video zu hören ist, bekommt man den Eindruck, als würde Archie reagieren, als würde der Mann Kontakt mit ihm haben. Aber da müsste man Eindeutigeres sehen.“

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Archies Eltern kämpfen vor Gericht um ihren Sohn: Wie geht es weiter?

Großbritannien, London: Paul Battersbee und Hollie Dance, die Eltern von Archie Battersbee. dem zwölfjährigen Jungen, der nach einem schweren Hirnschaden vor drei Monaten im Koma liegt. Er muss von Ärzten keine lebenserhaltenden
Die Eltern von Archie, Paul Battersbee und Hollie Dance, wollen weiter für ihren Sohn kämpfen.
bsc, dpa, Victoria Jones

Schon seit einigen Monaten liegt Archie Battersbee auf der Intensivstation im Koma. Die Ärzte des „Royal London Hospitals“ sagen, dass der Zwölfjährige „sehr wahrscheinlich“ hirntot sei. Sie konnten keine Aktivität im Hirnstamm mehr feststellen. Daher wollen sie die Maschinen, die das Kind am Leben halten, abstellen.

Archies Eltern, Hollie Dance und Paul Battersbee, wollen das jedoch nicht zulassen und kämpfen vor Gericht um das Leben ihres Sohnes. Ein erstes Gerichtsurteil stimmte den Ärzten zu, daraufhin gingen Dance und Battersbee vor das Londoner Berufungsgericht, um Einspruch einzulegen. Der wurde am 26. Juli abgelehnt.

Kurz bevor das Urteil fiel, musste Paul Battersbee wegen Verdacht auf einen Herzinfarkt ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Sprecher der Familie ließ nun gegenüber der „DailyMail“ verlauten, dass er sich erhole und es ihm „jetzt gut geht“.

Das Gericht gewährte der Familie einen 48-stündigen Aufschub, um den Eltern Zeit zu geben, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Berufung einzulegen. David Foster von der Anwaltskanzlei Moore Barlow sagte gegenüber der britischen Zeitung, dass die Eltern das neue Video als „neues Beweismaterial“ vorgelegt sehen wollen, damit die Entscheidung, Archie von der Beatmungsmaschine zu trennen, erneut überprüft werde.

Die deutsche Rechtsanwältin Nicole Mutschke erklärt im RTL-Interview, dass es Privatpersonen grundsätzlich möglich ist, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden. „Allerdings muss dann insbesondere der nationale Rechtsweg erschöpft sein“, sagt sie.

Was ist mit Archie Battersbee passiert?

Warum genau der Junge überhaupt ins Koma gefallen ist, weiß niemand genau. Am 7. April fand ihn seine Mutter mit einer Binde um den Hals. Sie vermutet, dass Archie an einer trendenden Online-Challenge teilgenommen und sich – vielleicht unbewusst – selbst verletzt habe.

Die Familie hat sich Beistand des „Christian Legal Centres“ geholt, eine Organisation, die die Familie im Kampf um Archies Leben unterstützt. „Wir möchten ihm jede Chance auf Leben geben“, so ein Sprecher der Organisation.