„Sehr schade, dass diese Chance vergeudet wurde."

Ukrainischer Botschafter: Schröders Moskau-Besuch ein „Trauerspiel“

Fabian Sommer
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk in Berlin. Foto: Fabian Sommer/dpa
deutsche presse agentur

Es war eine Chance, auf die viele gesetzt haben: Altkanzler Gerhard Schröders Besuch bei seinem alten Freund Wladimir Putin in Moskau. Ziemlich überraschend wurde vergangene Woche bekannt, dass sich Schröder auf eigene Initiative hin, mit dem russischen Präsidenten zu „Vermittlungsgesprächen“ über die Ukraine treffen wolle. Was genau besprochen wurde, ist bis heute ein Rätsel. Aber Fakt ist: Die Gespräche haben angeblich nichts gebracht. So deutlich sagt es zumindest der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk.
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„Für die Ukraine machen weitere Gespräche Schröders gar keinen Sinn. Es ist schon traurig zu beobachten, wie die ganze Sache schief gelaufen ist.“, erklärt Melnyk im dpa-Interview.

Gerhard Schröder steht seit beginn des Kriegs vor gut drei Wochen in der Kritik. Er hatte sich weder von Putin noch von seiner Position als Lobbyist für die Erdgas-Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2, oder seinem Posten als Aufsichtsratschef des russischen Ölkonzerns Rosneft distanziert. Das hatte aber zur Folge, dass sich Mitarbeiter und diverse Vereine von ihm distanziert haben und ihm seine Ehrenmitgliedschaften entzogen haben. Erst am Dienstag gab Schröder bekannt, dass er auf seine Ehrenbürgerwürde der Stadt Hannover verzichten wolle.

„Die Ergebnisse waren aber absolut nutzlos“

Melnyk betonte erneut, dass die Initiative für die Vermittlungsaktion von Schröder ausgegangen sei. „Es gab schon gewisse Hoffnung auf Resultate, sonst hätte sich keiner in der Ukraine bereit erklärt, ihm Gehör zu schenken“, sagte er. Am Sonntagnachmittag sei ein ukrainischer Mittelsmann von Schröder persönlich über den Verlauf der Gespräche in Moskau informiert worden. „Es wurde gar nichts Neues berichtet, was wir nicht schon aus unseren eigenen Gesprächen mit der russischen Seite gewusst hätten", sagte Melnyk. „Sehr schade, dass diese Chance vergeudet wurde." Der Botschafter sprach von einem „Trauerspiel". Ähnlich hatte er sich zuvor bereits im Gespräch mit der „Bild"-Zeitung geäußert.

Zeit für konkrete Hilfsmaßnahmen

An diesem Donnerstag wendet sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache an die Abgeordneten des Bundestags. Melnyk fordert Bundeskanzler Olaf Scholz auf, anschließend eine Regierungserklärung abzugeben. Er solle sagen, wie Deutschland die Ukraine weiter unterstützen wolle. „Es wäre genau drei Wochen nach Kriegsbeginn an der Zeit, dass der deutsche Regierungschef sich wieder dazu äußert und ganz konkrete Hilfsmaßnahmen avisiert.“

Es gehe ihm dabei sowohl um weitere Waffenlieferungen, als auch um massive wirtschaftliche Unterstützung sowie um Unterstützung für die Kriegsflüchtlinge, betonte Melnyk. Es sei sehr Vieles geschehen seit der ersten Regierungserklärung des Kanzlers zum Krieg. „Deswegen hätte eine weitere klare Stellungnahme nicht nur für uns, die Ukrainer, sondern sicherlich auch für die Deutschen einen großen Stellenwert.“

Die Bundesregierung unterstützt die Ukraine sowohl mit Waffenlieferungen als auch finanziell. Deutschland hat auch bereits Zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Scholz hatte bereits am 27. Februar, Tag vier des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, eine Regierungserklärung im Bundestag abgegeben.

Selenskyj wird am Donnerstag um 9.00 Uhr in den Plenarsaal des Bundestags per Video zugeschaltet, bevor die reguläre Sitzung beginnt. Dafür sind 20 Minuten vorgesehen. Anschließend beginnt die Debatte zur Impfpflicht. Auch Oppositionsführer Friedrich Merz hat die Tagesordnung kritisiert. „Wir empfinden das als völlig unpassend“, sagte der CDU/CSU-Fraktionschef am Dienstag. (dpa/cap)

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