Studie zum Nutzen
Doch kein Erfolg? Deutsche fahren trotz 9-Euro-Ticket oft Auto

Die Zeit des 9-Euro-Tickets neigt sich dem Ende zu. Mit Ablauf des 31. August ist das einstige Entlastungspaket beendet. Zumindest vorerst, denn zahlreiche Nachfolger-Tickets sind bereits im Gespräch. Für die Bürger war das 9-Euro-Ticket ein voller Erfolg, so sehen es auch viele Politiker. Trotzdem möchte Bundesfinanzminister Christian Lindner keine Nachfolgeregelung finanzieren. Aber was hat das 9-Euro-Ticket überhaupt gebracht? Erste Studien liefern Ergebnisse.
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Höhere ÖPNV-Nutzung durch 9-Euro-Ticket
Fest steht: Die Erwartungen an das 9-Euro-Ticket waren riesig – von allen Seiten. Etwas mehr als zwei Monate nach dem Start des bundesweit gültigen Tickets wertet Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das Projekt bereits als Erfolg. Dabei läuft die wissenschaftliche Auswertung noch. Und erste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Sonderfahrkarte zwar durchaus Wirkung zeigt, aber kaum alle Hoffnungen und Ziele erfüllen kann.
„Tatsächlich ist die Datenlage nach wie vor sehr dünn“, sagt Philipp Kosok, Verkehrsforscher beim Interessenverband Agora Verkehrswende. Etwas mehr als eine Handvoll Studien seien ihm bekannt, die wissenschaftlichen Standards genügten.
Bei der Vermarktung war das Ticket jedenfalls ein voller Erfolg. „Das Ticket führt zu einer höheren Nutzung des Öffentlichen Verkehrs, aber vor allem selektiv auf bestimmten Strecken – sogar soweit, dass dort der Verkehr zusammenbricht“, sagt Christian Böttger, Bahn-Experte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Eine Auswertung von Mobilfunkdaten durch das Statistische Bundesamt ergab Anfang Juli: „Im Juni 2022 lagen die bundesweiten Bewegungen im Schienenverkehr im Schnitt 42 Prozent höher als im Juni 2019.“
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Wegen 9-Euro-Ticket: Mehr Zusatzfahrten
Doch das entscheidende Problem: Rund ein Viertel der im ÖPNV angetretenen Fahrten wäre ohne das Ticket gar nicht erst gemacht worden, ermittelte der VDV. Es handelt sich also nicht um Ersatzfahrten, sondern zusätzliche Reisen.
Das deckt sich mit ersten Ergebnissen einer Studie aus dem Großraum München. Demnach sind 35 Prozent der Befragten zwar häufiger Bahn und Bus gefahren – allerdings haben auch nur drei Prozent ihr eigenes Fahrzeug seltener genutzt. Auch eines Auswertung des Verkehrsdatenspezialisten TomTom für die Deutsche Presse-Agentur hatte in der ersten Phase des 9-Euro-Tickets auf einen Rückgang der Staus in großen deutschen Städten hingedeutet.
Eine radikale Änderung des täglichen Verhaltens sei nicht zu erwarten gewesen, ordnete der Leiter der Münchner Studie, Klaus Bogenberger von der TU München, ein. Er zieht ein positives Zwischenfazit.
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Lindner: "Keinerlei Mittel" für Nachfolger-Ticket
Trotzdem sind die Rufe nach einem Nachfolger-Ticket groß. Ideen gibt es bereits einige: Grünen-Politiker schlagen etwa ein Regionalticket für 29 Euro und ein bundesweit gültiges Ticket für 49 Euro im Monat vor. Oder: Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)hat sich für ein dauerhaftes 69-Euro-Ticket ausgesprochen.
Die Frage ist nur: Wie wird ein weiteres Ticket finanziert? Finanzminister Christian Lindner sieht im Bundeshaushalt keinen Spielraum für weitere Rabattaktionen im Nahverkehr. „Es stehen in der Finanzplanung für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets keinerlei Mittel zur Verfügung“, sagte der FDP-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“.
Generell sei er von einer „Gratismentalität a la bedingungsloses Grundeinkommen“ auch im Öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt. „Jeder Steuerzuschuss für ein nicht die Kosten deckendes Ticket bedeutet Umverteilung“, sagte Lindner der Tageszeitung. „Die Menschen auf dem Land, die keinen Bahnhof in der Nähe haben und auf das Auto angewiesen sind, würden den günstigen Nahverkehr subventionieren. Das halte ich für nicht fair.“ Wie es um ein Nachfolger-Ticket weitergeht, bleibt abzuwarten. (jaw, mit dpa und reuters)
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