Baerbock-Ehe-Aus nach 17 JahrenWie Kinder eine Trennung gut verarbeiten können

Eine Trennung ist doppelt belastend für Eltern und Kinder.
Außenministerin Annalena Baerbock und ihr Ehemann Daniel Holefleisch geben in einer gemeinsamen Erklärung ihre Trennung bekannt. Beide haben zwei Kinder. Bei einer Trennung stehen die Kinder häufig zwischen den Stühlen, wollen es beiden recht machen und bleiben oftmals selbst dabei auf der Strecke. Im Erwachsenenalter zeigt sich dieses Verhalten immer wieder als Trauma. Familienberaterin Ruth Marquardt gibt Tipps zur Verarbeitung.
Trennung nach 17 Jahren Ehe
„Wir haben in einem längeren Prozess gemeinsam vor einiger Zeit entschieden, dass wir kein Paar mehr sind.” Nach 17 Jahren Ehe ziehen Annalena Baerbock und ihr Ehemann einen Schlussstrich. Beide haben zusammen zwei Kinder im Alter von neun und 13 Jahren.
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Um möglichen Spekulationen zuvorzukommen und ihre Privatsphäre zu schützen, sagt das Paar zu Bild: „Es gibt keine neuen Partner. Das Wichtigste bleibt für uns, gemeinsam dafür zu sorgen, dass unsere beiden Töchter in Ruhe und in einem liebevollen Umfeld aufwachsen können. Entsprechend wohnen wir auch weiter in unserem gemeinsamen Zuhause in Potsdam.”

Zwar nicht mehr als Ehepaar, aber als Elternpaar wollen sie gemeinsam für ihre Kinder da sein: „Wir bleiben in tiefer Bedeutung füreinander ein Elternpaar, das weiterhin zusammen im Leben unserer Kinder präsent ist.”
Die Angst vor Trennungen bleibt ein Leben lang
In Deutschland leben rund 2,5 Millionen Kinder mit nur einem Elternteil zusammen. Jährlich kommen durch neue Scheidungen knapp 120.000 Kinder hinzu, berichtet das Statistische Bundesamt. Nicht statistisch erfasst werden Trennungskinder, deren Eltern nicht verheiratet waren – die Dunkelziffer ist also um einiges höher. Was all diese Kinder gemeinsam haben, ist die emotionale Last, die sie durch die Trennung ihrer Eltern tragen. Das Verhalten derer wirkt sich maßgeblich auf die Entwicklung ihrer Kinder aus – und hinterlässt oft tiefe Spuren, die sich erst im Erwachsenenalter deutlich zeigen.
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„Trennungskinder können als Erwachsene erhöhten Stress in Abschieds- oder Trennungssituationen jeglicher Art erleben“, erklärt die systemische Familienberaterin Ruth Marquardt in einem früheren Gespräch mit RTL. Gerade deswegen sei ein friedvoller und respektvoller Umgang der Partner untereinander so wichtig. „Viele Kinder berichten von einem großen Harmoniebedürfnis. Streit wird oft als massiv bedrohlich erlebt und muss auf jeden Fall vermieden werden.“ Und das wirke sich nicht nur auf eine romantische Beziehung mit einem Partner aus, sondern auf alle Beziehungen und sogar das Berufsleben.
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Welche emotionale Last tragen Trennungskinder?
„Was für Trennungskinder meist schwierig ist, ist das Gefühl, sich entscheiden zu müssen, denn nicht beide Eltern stehen gleichermaßen zur Verfügung“, erklärt Familienberaterin Ruth Marquardt.

Schwierig ist für Trennungskinder auch die Schuldfrage, denn „häufig geben sich Kinder sogar die Schuld dafür, dass Eltern sich streiten und schließlich trennen“, so die Expertin. Und im neuen Alltag nach der Trennung wartet eine weitere emotionale Herausforderung, nämlich dann, wenn sich die Eltern nicht gut verstehen und schlecht übereinander reden.
„Spätestens jetzt geraten die Kinder zwischen die Stühle und in einen Loyalitätskonflikt. Wem sollen sie glauben? Sie stellen sich Fragen, zweifeln aber immer an sich selbst und ihrer Wahrnehmung“, erklärt Marquardt. Ein klassisches Beispiel dabei ist: „Sie lieben ihre Mutter doch – wie kann es sein, dass der Vater jetzt so schlecht über sie spricht?“
Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht repräsentativ.
Wie zeigt sich ein Trennungs-Trauma bei Scheidungskindern?
Egal wie lange die Trennung der Eltern zurückliegt, oftmals wirkt sie sich noch im Erwachsenenalter auf das Verhalten aus. „Wenn die Trennung der Eltern als traumatisch erlebt wurde, hat sich das im Gehirn und im Körper dieser Menschen abgespeichert“, sagt Marquardt. Anzeichen dafür können Angststörungen oder ein gesteigertes Harmoniebedürfnis sein. Doch nicht immer lassen sich diese Ängste so eindeutig zuordnen.
„Vielleicht entwickeln sich aus dieser Angst auch andere Ängste – oft sattelt sich eine Angst auf eine andere. Gerade wenn unerklärliche körperliche oder psychische Symptome auftreten, deren Ursache nur schwer zu finden ist, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit und auf mögliche Erfahrungen von Schmerz oder Verlust zu riskieren“, empfiehlt Ruth Marquardt. So etwas gelinge am besten, wenn es therapeutisch geführt ist.
Diese Regeln sollten getrennt lebende Eltern beachten:
Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten getrennt lebende Eltern drei wichtige Regeln beachten. Ihr Verhalten beeinflusst die Entwicklung der gemeinsamen Kinder massiv, daher ist es für beide Elternteile wichtig, sie zu schützen:
Nicht vor den Kindern streiten.
Nicht schlecht über den anderen Elternteil vor den Kindern reden. Das schließt auch subtile Äußerungen ein, etwa „Na typisch, dein Vater ist mal wieder zu spät“ oder „Na toll, deine Mutter hat mal wieder nicht die richtigen Sachen für dich eingepackt“.
Kinder nicht ausfragen nach dem aktuellen Leben des Ex-Partners.
Diese drei Regeln sind besonders wichtig, damit ein Kind nicht das Gefühl bekommt, zwischen den Stühlen zu stehen. „Stattdessen ist es wichtig, dass sich beide Elternteile an Absprachen halten, freundlich miteinander umgehen und akzeptieren, dass sie als Eltern immer verbunden sein werden“, erklärt Familienberaterin Ruth Marquardt.
Einen solchen Weg zu entwickeln, sei für getrennt lebende Eltern nicht leicht, aber möglich, sagt die Expertin. „Eltern dürfen ihr Ego und ihre eigenen verletzten Gefühle zum Wohle der Kinder zurückstellen, denn mit denen können wir als Erwachsene lernen umzugehen“, so Marquardt.
Auch Gespräche mit anderen betroffenen Kindern können helfen. Geschwisterkinder haben den Vorteil, dass sie gemeinsam in der neuen Situation der Trennung sind. „Sie haben noch jemanden, der ihnen ganz nahe ist und die Situation ähnlich erlebt und das wird oft als stärkend und auch tröstend empfunden“, erklärt die Familienberaterin. Für Einzelkinder empfiehlt sie das Gespräch mit anderen Kindern, die in einer ähnlichen Situation sind. Das können Kinder aus dem Freundeskreis oder auch Freunde in der Schule sein.
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Müssen erwachsene Trennungskinder ihren Eltern verzeihen?
Viele Menschen merken erst, wenn sie erwachsen sind, wie belastend die Trennung der Eltern und deren Verhalten in den Jahren danach war. Der jahrelange Stand zwischen den Stühlen, das nagende Gefühl, es beiden recht machen zu müssen. Dieser innere Kampf kann Spuren hinterlassen und die Betroffenen bekommen oft ein bitteres Gefühl im Umgang mit ihren Eltern.
„Das Gespräch mit den Eltern kann sehr heilsam sein, sofern die Eltern offen und reflektiert mit der Thematik umgehen“, sagt Ruth Marquardt. Doch die Eltern müssen nicht zwangsläufig Teil dieses Gesprächs sein. „Es kann jedoch auch heilsame Elterngespräche innerhalb einer Therapie geben, bei denen die Eltern überhaupt nicht anwesend sein müssen.“
Auch wenn die Trennung der Eltern als traumatisch empfunden wurde, ist es nie zu spät, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. „Wir wissen aus der Forschung, dass es auch bei Trennungskindern das Phänomen des posttraumatischen Wachstums gibt“, sagt Marquardt. „Menschen wachsen über sich hinaus – gerade durch ihre schmerzhafte Erfahrung.“ (ude)