Teuer-Schock wegen Ukraine-Krieg
Inflation in Deutschland steigt im März auf 7,3 Prozent
Wir spüren es bei jedem Einkauf deutlich: Die Preise steigen immer weiter. Schon vor dem Krieg in der Ukraine wurden viele Produkte immer teurer, jetzt geht es sprunghaft nach oben. Laut der ersten Schätzung des Statistischen Bundesamts liegt die Teuerungsrate in Deutschland im März im Vergleich zum Vorjahr bei 7,3 Prozent. Ähnlich hoch wie im März war die Inflationsrate in den alten Bundesländern zuletzt im Herbst 1981, als infolge der Auswirkungen des Ersten Golfkrieges die Mineralölpreise ebenfalls deutlich geklettert waren. Es ist nicht nur die Energie, die die Preise immer weiter nach oben schraubt. Auch viele Lebensmittel wurden überdurchschnittlich teurer.
Wegen Russland-Exit: Energiepreise werden hoch bleiben
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind die Öl- und Gaspreise stark gestiegen, Tanken und Heizen verteuerte sich drastisch. Nach den vorläufigen Daten der Statistiker mussten die Menschen in Deutschland im März 39,5 Prozent mehr für Haushaltsenergie und Kraftstoffe ausgeben als im Vorjahresmonat. Nahrungsmittel verteuerten sich innerhalb eines Jahres um 6,2 Prozent. So sind Kartoffeln zum Beispiel um ein Viertel teurer geworden. Auch Eier (plus 17,6 Prozent) und Speisefette und -öle (plus 16,8 Prozent) stiegen laut Daten aus NRW ebenfalls deutlich im Preis. Gegenüber Februar stiegen die Verbraucherpreise im März insgesamt um 2,5 Prozent.
Mit einer Entspannung bei den Preisen rechnen Volkswirte vorerst nicht. „Auch die Preise für Nahrungsmittel und Industriegüter dürften im Zuge des Einbruchs der Weizenexporte aus der Ukraine und Russland beziehungsweise aufgrund neuer Störungen der Lieferketten zusätzlichen Auftrieb erhalten“, schrieb die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht für März. Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts wollen immer mehr Firmen in den kommenden drei Monaten ihre Preise erhöhen. Preissteigerungen sind dem Wirtschaftsforschungsinstitut zufolge insbesondere im konsumnahen Bereich zu erwarten.
Nach Einschätzung der „Wirtschaftsweisen“ müssen sich die Menschen in Europas größter Volkswirtschaft in Folge des Ukraine-Krieges auf dauerhaft höhere Energiepreise einstellen. Dadurch, dass sich Deutschland unabhängiger von Gas- und Ölimporten aus Russland mache, stiegen langfristig die Kosten, sagte Veronika Grimm vom Wirtschaftssachverständigenrat der Bundesregierung. „Die Energiepreise werden dadurch strukturell höher bleiben, als sie es vor dieser Krise waren.“
Wie stark sind die Verbraucherpreise zuletzt gestiegen?
Die Hoffnung auf sinkende Inflationsraten nach dem Jahreswechsel erfüllte sich nur kurzzeitig. Nach einem Rückgang auf 4,9 Prozent im Januar kletterte die Teuerung in Deutschland im Februar 2022 wieder über die Fünf-Prozent-Marke: Die Verbraucherpreise lagen um 5,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Deutlich teurer wurden Heizöl (plus 52,6 Prozent), Erdgas (plus 35,7 Prozent) und Sprit (plus 25,8 Prozent). Nicht nur die angespannte Lage auf dem Weltmarkt trieb die Preise, sondern auch die deutsche CO2-Abgabe: Seit Jahresbeginn werden 30 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.
Wie sind die weiteren Aussichten?
Die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland müssen sich nach Einschätzung von Volkswirten auf weiter steigende Preise einstellen. Im Februar lagen die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte um 25,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Für Konsumenten könnten viele Produkte also noch teurer werden, weil Unternehmen auf höhere Einkaufspreise etwa für Rohstoffe mit einem Preisaufschlag reagieren.
„Durch den Energiepreisschub aufgrund des Krieges dürfte sich der Verbraucherpreisanstieg vor allem kurzfristig nochmals spürbar verstärken“, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst. Der Bankenverband BdB erwartet auch in den nächsten Monaten Inflationsraten von mehr als sieben Prozent. „Auch für die nächsten Jahre rechnen wir mit deutlich steigenden Preisen“, sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig. Das Ifo-Institut prognostiziert für das Gesamtjahr 2022 eine Teuerungsrate von bis zu 6,1 Prozent. Das wäre die höchste Inflation in Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990.
Was heißt das für Verbraucher?
Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger leisten können. Vor allem dann, wenn Waren teurer werden, die häufig gekauft werden, spüren die Menschen das im Portemonnaie: beim Tanken, im Supermarkt. Dazu kommt: In den von der Corona-Pandemie geprägten Jahren 2020 und 2021 mussten Deutschlands Arbeitnehmer jeweils Reallohnverluste hinnehmen. Im vergangenen Jahr wurde der an sich kräftige Anstieg der Bruttolöhne um knapp 3,1 Prozent mehr als vollständig von den um gut 3,1 Prozent gestiegenen Verbraucherpreisen aufgezehrt. Für das laufende Jahr sind wegen der noch stärker anziehenden Inflation ebenfalls keine Reallohngewinne zu erwarten.
Was tut der Staat, um Verbraucher zu entlasten?
Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche ein weiteres Paket geschnürt, um die Menschen angesichts der stark gestiegenen Energie- und Spritpreise zu entlasten. Darin enthalten ist unter anderem eine auf drei Monate befristete Senkung der Energiesteuer, die den Liter Benzin um 30 Cent und Diesel um 14 Cent günstiger machen soll. Zudem erhalten Arbeitnehmer einmalig 300 Euro Energiezuschuss auf ihr Bruttogehalt und Familien pro Kind 100 Euro Bonus auf den Kinderfreibetrag. Die Gesamtkosten für den Staat werden nach Schätzung des Bundesfinanzministeriums an die 16 Milliarden Euro heranreichen, die das erste Entlastungspaket aus dem Februar umfasste.
Ist die Inflation nur in Deutschland so hoch?
Auch im Euroraum insgesamt treiben vor allem die Energiepreise die Teuerung. Im Februar erreichte sie mit 5,9 Prozent den höchsten Stand im Währungsraum seit Einführung des Euro als Verrechnungswährung im Jahr 1999. In den USA stiegen die Verbraucherpreise im Februar im Vergleich zum Vorjahr um knapp 8 Prozent, das war dort der höchste Wert seit 40 Jahren. Großbritannien erlebt den steilsten Anstieg der Verbraucherpreise seit 1992.
Hat die Europäische Zentralbank reagiert?
Angesicht der hartnäckig hohen Inflation treibt die EZB die Normalisierung ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik schneller voran. Europas Währungshüter rechnen für den Euroraum im laufenden Jahr mit einer Teuerungsrate von 5,1 Prozent. Die Notenbank strebt stabile Preise bei zwei Prozent Jahresteuerung an. Kritiker werfen der EZB schon länger vor, mit ihrer Billiggeldflut die Inflation anzuheizen.
Am 10. März hat die EZB beschlossen, den Erwerb zusätzlicher Anleihen von Staaten und Unternehmen bereits bis Mitte 2022 zurückzufahren. „Sofern die Nettokäufe wie derzeit vorgesehen im dritten Quartal enden, eröffnet das die Möglichkeit, bei Bedarf die Leitzinsen noch in diesem Jahr anzuheben“, sagte Bundesbank-Präsident Nagel wenige Tage nach der Entscheidung des EZB-Rates, dem er angehört.
Die Währungshüter haben ein Augenmerk darauf, dass es nicht zu einer gefährlichen Lohn-Preis-Spirale kommt. Steigen die Löhne als Reaktion auf die aktuell hohe Inflation zu stark, könnte das die Preise noch weiter nach oben treiben, weil Unternehmen gestiegene Löhne als Rechtfertigung von weiteren Preiserhöhungen heranziehen. Löhne und Preise schaukeln sich dann gegenseitig hoch, die Inflation könnte sich dauerhaft auf hohem Niveau festsetzen. Bislang sieht die EZB aber keine Anzeichen für eine solche Entwicklung. (dpa/aze)
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