Fünf von sechs Kindern getötet

Solingen: Familie zog in Wohnung, in der 5 Kinder starben - "Am Anfang schwer zu ertragen"

ARCHIV - 04.09.2020, Nordrhein-Westfalen, Solingen: Siegel der Polizei hängen an einer Wohnungstür in einem Wohnhaus. Eine damals 27 Jahre alte Mutter soll hier fünf Kinder umgebracht haben. Vor dem Wuppertaler Landgericht beginnt am 14.06.2021 der P
Hinter dieser Tür in einer Wohnung in Solingen hat sich Unvorstellbares abgespielt. Christiane K. wird vorgeworfen, fünf ihrer Kinder betäubt und anschließend ertränkt zu haben. Seit Montag (14. Juni 2021) muss sich die 28-Jährige vor Gericht verantworten. Die Anklage lautet auf heimtückischen Mord.
mk kde fc sab, dpa, Marcel Kusch

In der Tatwohnung von Solingen wohnt nun eine neue Familie

Christiane K. aus Solingen soll fünf ihrer sechs Kinder Anfang September betäubt und anschließend in der Badewanne ertränkt haben. Nur der damals 11-jährige Sohn Marcel überlebte, weil sie ihn zu seiner Oma schickte. Knapp neun Monate später hat die Tatwohnung in Solingen neue Mieter – eingezogen ist wieder eine sechsköpfige Familie.

Sechsköpfige Familie aus Syrien brauchte dringend eine Wohnung

2015 kamen Vater, Mutter und ihre vier Kinder als Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland. Seit dem 1. Juni wohnen sie in der Tatwohnung. Ob sie wissen, was in dort passiert sein soll? „Am Anfang war der Gedanke schwer zu ertragen für meine Eltern“, meint Sohn Abdullah Al Khatib. „Wir haben aber dringend eine Wohnung gebraucht und deshalb haben meine Eltern die Wohnung angenommen, welche uns die Stadt Solingen angeboten hatte. Wir sind Flüchtlinge und haben viele schreckliche Dinge gesehen“, erklärt er. „Wir beten für die Kinder, die gestorben sind.“

Nachbarin Soraya Touati: "Die soll für jedes Kind büßen"

Die ganze Nachbarschaft in der Mehrfamilienhaussiedlung ist immer noch tief getroffen und bewegt von der unfassbaren Tat. „Das bleibt sowieso für immer in unseren Köpfen“, meint eine Nachbarin zu RTL-Reporter Valerio Magno. „Die hat fünf Kinder getötet. Dafür gibt es keine Entschuldigung“. Sie lebt nur wenige Treppenstufen entfernt von der Unglückswohnung in Solingen.

„Warum kann eine Mutter ihre ganzen Kinder umbringen?“, fragt Nachbarin Soraya Touati (45). Eine von vielen Fragen, die seit Montag (14.06.2021) die Richter am Wuppertaler Landgericht klären müssen. Immer noch ist Soraya Touati tief bewegt von dem, was sich unmittelbar in ihrer Nachbarschaft abgespielt hat.

In dieser Wohnung in Solingen spielte sich das unfassbare Familiendrama ab.
In dieser Wohnung in Solingen spielte sich das unfassbare Familiendrama ab.
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Nachbarin in Solingen konnte nach der Tat wochenlang nicht schlafen

Am Tattag, einem Donnerstag Anfang September 2020, ist die 45-Jährige in ihrer Wohnung im Solinger Stadtteil Hasseldelle. Christiane K. kennt sie vom Sehen, man grüßt sich. Christianes ältester Sohn Marcel und Sorayas Sohn spielen häufig zusammen auf dem Spielplatz der Siedlung. Marcel und seine fünf Geschwister Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8) machen auf sie einen ruhigen Eindruck. Seit die Kinder von ihrer eigenen Mutter getötet wurden, quält sich Soraya Touati mit Vorwürfen.

„Ich denke immer, vielleicht hätte ich helfen können. Hätte sie was gesagt, hätte ich die Kinder genommen oder ihr geholfen. Das macht mich fertig“, erzählt sie RTL-Reporter Valerio Magno mit Tränen in den Augen. Wochenlang hat sie nach der unfassbaren Tat nicht schlafen können, muss psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, um das entsetzliche Verbrechen zu begreifen und zu verarbeiten.

Wie die Nachbarin ihre Gefühle kurz nach der Tat beschrieb - im Video

Nachbarin: "Jugendamt war dauernd hier" Kinder in Solingen getötet
01:15 min
Kinder in Solingen getötet
Nachbarin: "Jugendamt war dauernd hier"

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Grausame Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen Christiane K.

Wenn Soraya über das nachdenkt, was Christiane K. von der Staatsanwaltschaft Wuppertal vorgeworfen wird, bekommt sie Gänsehaut und zittert. Zunächst soll die zum Tatzeitpunkt 27-jährige Mutter ihren Kindern das Frühstück gemacht und heimlich Betäubungsmittel in die Getränke gerührt haben. Als die Kleinen eingeschlafen waren, soll Christiane K. Wasser in die Badewanne gelassen und Badespielzeug herausgesucht haben. Anschließend soll sie die Kinder eines nach dem anderen geweckt und ins Badezimmer geführt haben. Die drei Mädchen und zwei Jungen soll Christiane K. dann erstickt oder ertränkt haben. Nach der Tat soll sie die Kinder in Handtücher gewickelt und zurück auf ihr Bett gelegt haben.

Wut und Hass empfinde sie für die Mutter, sagt Soraya Louati. „Wie kann man ein Kind, so einen kleinen Körper, erdrücken im Wasser? Versteh ich nicht.“ Nur der älteste Sohn Marcel überlebte unverletzt. Seine Mutter hatte ihn zur Oma an den Niederrhein geschickt. Nach der ihr zur Last gelegten Wahnsinnstat hatte Christiane K. versucht, sich das Leben zu nehmen, den Suizidversuch aber überlebt. Bislang hat die Deutsche stets ihre Unschuld beteuert: Ein maskierter Unbekannter sei in ihre Wohnung eingedrungen und habe die Kinder getötet. Für diese Version seien aber keinerlei Spuren oder Ansatzpunkte entdeckt worden, hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gesagt. Es deute nichts darauf hin, dass es so gewesen sein könnte.

Christiane K. soll fünf ihrer sechs Kinder grausam getötet haben - nur der älteste Sohn Marcel überlebt
Christiane K. soll fünf ihrer sechs Kinder grausam getötet haben - nur der älteste Sohn Marcel überlebt
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Der überlebende Sohn Marcel hat alles verloren

Seit Montag, 14. Juni, muss sich Christiane K. nun vor dem Landgericht Wuppertal für ihr Handeln verantworten. Für den Mordvorwurf führt die Anklage Heimtücke an. Sie habe die Arg- und Wehrlosigkeit ihrer Kinder ausgenutzt, damit typisch heimtückisch gehandelt. Ihre ehemaligen Nachbarn werden den Prozess gegen die junge Mutter verfolgen. „Wenn sie das im vollen Bewusstsein getan hat, dann soll sie ihre Strafe bekommen. Dann ist mein Hass noch größer“, erklärt Soraya Touati. Die 45-Jährige macht Christiane K. bittere Vorwürfe: „Was ist daran schwer, jemandem zu sagen: ‚Pass auf, ich hab das Gefühl, dass ich meine Kinder umbringe. Ich glaube, ich werde es machen. Hilf mir, sofort.‘ Ich hätte sofort geholfen.“

Die Familie war dem städtischen Jugendamt bereits vor der Tat bekannt. Ihr sei auch Unterstützung gewährt worden, weitere Hilfsangebote habe die Mutter aber abgelehnt. Hinweise, dass die Kinder in Gefahr sein könnten, habe es nicht gegeben. Warum sich Christiane K. keine Hilfe gesucht hat und ihre Kinder sterben mussten, kann vielleicht im Verlauf des Prozesses geklärt werden. Nachbarin Soraya denkt auch regelmäßig an den überlebenden Sohn Marcel: „Der tut mir richtig leid“, denn der Junge habe alles verloren. Mutter und Geschwister, alles, was für ihn Zuhause war.

Hilfe bei Suizidgedanken

Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de. (lha/kra)