Weiterbetrieb von zwei AKWsZoff in Ampel-Koalition: Sind Habecks Atom-Pläne "politisch bestimmt"?

Bundeswirtschaftsminister Habeck will, dass zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland bis Mitte April als Notreserve dienen sollen. Das gefällt nicht allen Ampel-Politikern. Im Gegenteil: Habecks Atom-Plan löst einen Riesen-Krach aus. Die FDP wittert politische Motive.

AKW-Laufzeit in Deutschland: Das ist Habecks Atom-Plan

Bis vor wenigen Monaten hieß es noch: Atomkraft, nein danke! Alle drei verbliebenen AKWs in Deutschland sollten bis zum Jahresende abgeschaltet werden. Mit Blick auf die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise entfachte allerdings die Diskussion über eine Verlängerung. Der grüne Bundeswirtschaftsminister ringt sich nun zu einem Weiterbetrieb von den AKWs Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg – das Werk in Emsland soll vom Netz genommen werden.

Habeck erteilte in den ARD-“Tagesthemen“ zugleich Forderungen nach einem längeren Weiterbetrieb der AKW eine Absage. Bereits im nächsten Jahr würden deutlich mehr Gaskapazitäten jenseits von Russland zur Verfügung stehen. „Das scheint ja nicht so klar zu sein, weil immer der Winter 22/23 und der Winter 23/24 in eins gesetzt wird.“ Das sei aber falsch. Das seien völlig unterschiedliche Szenarien. „Wir werden eine andere energiepolitische Situation haben im nächsten Jahr.“

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Habecks AKW-Pläne "sind politisch bestimmt"

Die FDP reagierte mit heftiger Kritik. Fraktionschef Christian Dürr sagte „Bild“, die Vorschläge reichten nicht, um die Strompreise zu mindern. „Wir müssen die Laufzeiten verlängern, sonst drohen absurde Kosten für die Verbraucher.“ Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, erklärte: „Die Ergebnisse des Stresstests sind wenig wert, denn die Annahmen sind zu optimistisch. Sie sind politisch bestimmt und nicht aus der Realität abgeleitet.“

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm argumentierte ähnlich wie die FDP und zeigte sich unzufrieden damit, dass zwei Atomkraftwerke nur als Notreserve vorgehalten werden sollen. „Anlässlich der Preisentwicklung am Strommarkt muss alles daran gesetzt werden, Erzeugungskapazitäten zu mobilisieren, die kurzfristig verfügbar gemacht werden können“, sagte Grimm den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. Die Kraftwerke sollten laufen und nicht nur in Bereitschaft sein, nur dann gebe es einen senkenden Effekt auf den Strompreis.

„Bei den drei noch laufenden AKWs sollte man über eine Laufzeitverlängerung von fünf Jahren nachdenken.“ Auch sollte geprüft werden, ob die erst kürzlich stillgelegten Kernkraftwerke reaktivierbar seien.

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"Atom ist nicht die von vielen gewünschte Generallösung"

Vertreter seiner eigenen Partei stärkten Habeck den Rücken. Die beiden Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge unterstützten die Pläne, auch wenn diese noch in der Partei diskutiert werden sollen.

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour kündigte an, bei der Basis für das Vorhaben zu werben. „Wir werden deshalb auf dem Parteitag nicht nur die Waffenlieferungen an die Ukraine zur Abstimmung stellen, sondern auch die befristete AKW-Reserve“, sagte Nouripour der Deutschen Presse-Agentur. Eine Abkehr vom Atomausstieg schloss Grünen-Chefin Ricarda Lang in der „Süddeutschen Zeitung“ aus.

Zuspruch bekam Habeck vom Koalitionspartner SPD. Fraktionsvize Matthias Miersch begrüßte das Stresstest-Ergebnis und Habecks Empfehlung als „gute Grundlage für faktenbasierte und sorgfältige Beratungen“. „Die wünsche ich mir auch von denjenigen, die schon vor Bekanntgabe der Ergebnisse nach einer Laufzeitverlängerung schreien“, sagte Miersch. „Der Stresstest zeigt: Atom ist nicht die von vielen gewünschte Generallösung.“

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Wegen Wahlen in Niedersachsen: Habeck unter Druck?

Auch Jens Spahn sieht ähnlich wie die FDP einen politischen Hintergrund. Denn dass Habeck das AKW im niedersächsischen Emsland abschalten wolle, sei kein Zufall. Dort sei auch die Anti-AKW-Bewegung gestartet. Und in Niedersachsen sind im Oktober Landtagswahlen. „Damit geht bei den Grünen die Ideologie der Partei vor den Interessen unseres Landes“, so der Vorwurf.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kritisierte ebenso die geplante Stilllegung des AKW Emsland. „Die Grünen in der Ampel in Berlin sind ganz offensichtlich von den Grünen in Niedersachsen unter Druck gesetzt worden, das Kernkraftwerk Emsland gegen alle Vernunft abzuschalten“, sagte Merz der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Der Scholz-Regierung scheinen grüne Befindlichkeiten wichtiger zu sein als das Risiko eines Stromausfalls. Für solch ein Roulette-Spiel mit unserer Energieversorgung habe ich absolut kein Verständnis.“

Habeck hatte darauf verwiesen, dass dieses AKW zwar einen gewissen Beitrag zur Netzstabilität leisten könne. „Aber dieser Beitrag ist gemessen an den beiden süddeutschen Kraftwerken zu gering.“ (jaw, mit dpa)

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