Neuer Prozess soll Unschuld am Tod einer Rentnerin beweisen
Manfred Genditzki verbrachte 13,5 Jahre in Haft - wegen eines Mordes, der keiner war?

Er saß 13,5 Jahre im Gefängnis – für einen Mord, der möglicherweise keiner war. Jahrelang musste Manfred Genditzkis Tochter damit leben, dass ihr Vater als verurteilter Mörder im Knast sitzt. Denn: Genditzki wurde im Mai 2010 wegen Mordes an Rentnerin Lieselotte Kortüm aus Rottach-Egern zu lebenslanger Haft verurteilt – er beteuerte stets seine Unschuld. Sein Verfahren wird nach entlastenden Gutachten nun wieder neu aufgenommen. Im „Spiegel“-Interview blickt der 63-Jährige, der im Sommer 2022 entlassen wurde, auf die Jahre im Gefängnis zurück.
Genditzki verpasst das Aufwachsen seiner beiden Kinder - "Das ist mir alles genommen worden"
„Das ist eine sehr harte Zeit. Und manchmal frage ich mich: Wie habe ich diese lange Zeit überlebt?“ erzählt er im Interview mit dem „Spiegel“. Auch heute noch gehe es ihm oft schlecht. Besonders heftig für den 63-Jährigen: Er hat die Kindheit seines Sohnes und seiner Tochter komplett verpasst. „Ich hätte das Kind gerne mal gewickelt oder mal eine Flasche gegeben. Das ist mir alles genommen worden.“ Das sei nicht mehr gutzumachen.
Nach dem Tod der 87-Jährigen fällt der Verdacht auf Genditzki: "Ich habe gedacht, die machen Witze!“
Alles begann im Jahr 2008: Genditzki arbeitete als Hausmeister in einer Wohnanlage. Zu Bewohnerin Liselotte Kortüm hatte er eine enge Beziehung und half der 87-Jährigen auch im Alltag. Im Interview mit dem „Spiegel“ verdeutlicht Genditzki „Das Verhältnis mit ihr war schon immer gut.“ Doch am 28. Oktober folgte die Schock-Nachricht: Der Pflegedienst fand Lieselotte Kortüm in ihrer Badewanne – tot.
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Schnell fiel der Verdacht auf den Hausmeister – und der konnte gar nicht fassen, wie ihm geschieht. „Ich habe gedacht, die machen Witze“ erinnert sich Genditzki zurück. Die Ermittler glaubten, der Hausmeister habe sein Opfer bestohlen – trotz fehlender Beweise. Auch sonst gab es kein Motiv und keine DNA von Genditzki im Bad. Die Staatsanwaltschaft behauptete, es habe Streit gegeben. Genditzki wird verurteilt – lebenslänglich.
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Genditzki nach Urteil geschockt: "Wie kann man mir so was antun?"
„Ich dachte immer, der Spaß muss irgendwann mal wieder aufhören. Ich habe gedacht, das wird sich schon alles aufklären“ sagt Genditzki zum „Spiegel“. Doch es klärte sich gar nichts auf – eher im Gegenteil. Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil zwar kurzfristig aufgehoben hatte, endete jedoch auch die zweite Verhandlung mit einer Verurteilung wegen Mordes.
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Ein möglicher Sturz der 87-Jährigen wurde vom Gericht ausgeschlossen – trotz einer Vorgeschichte. Außerdem soll sie in der Badewanne immer Wäsche eingeweicht haben. Aber auch das wollten die Richter nicht glauben. Auch heute noch macht die damalige Anklage Genditzki fassungslos. „Ich habe mich im Leben noch nie geprügelt und dann solche Vorwürfe. Ich verstehe das nicht.“
Neue Technik und Zeugenaussage sorgen für Wiederaufnahme des Verfahrens

Anwältin Regina Rick nimmt sich des Falles an. Ihre These: Der Tod von Liselotte Kostüm war kein Mord, sondern ein tragischer Haushaltsunfall. Die These der Anwältin wird durch die Zeugenaussage einer alten Freundin der Verstorbenen unterstützt. Sie bestätigte die Marotte von der 87-Jährigen, alles mit der Hand in der Badewanne einzuweichen.
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Eine biomechanische Simulation der Universität Stuttgart zeigte außerdem, dass die Verletzungen auch von einem Sturz kommen könnten. Mehrere Gutachten zur Wassertemperatur ergaben zusätzlich, dass Manfred Genditzki zum Todeszeitpunkt nicht mehr im Haus gewesen sein kann. Das überzeugte letztlich auch das Gericht – das Verfahren wurde wieder aufgenommen.
Für neuen Prozess sind 20 Verhandlungstage angesetzt
Am 12. August 2022 wurde Genditzki aus der Haft entlassen. Für den neuen Prozess sind nun 20 Verhandlungstage vorgesehen – mehr als zuvor. Die Freiheit ist für den 63-Jährigen im Moment etwas ganz Besonderes. „Dass ich jetzt wieder mit meiner Familie zusammen bin, das ist ein ganz, ganz tolles Gefühl. Das ist unbeschreiblich.“ erzählt er im „Spiegel“-Interview. Wie der Prozess ausgehen wird, ist noch offen – möglicherweise diesmal im Zweifel für den Angeklagten. (xas)