Kampf um Kiew

Rakete schlägt in Wohnhaus ein - Berichte über Verletzte

Der dritte Tag der russischen Invasion in der Ukraine ist mit heftigem Beschuss und Kämpfen am Stadtrand von Kiew gestartet. Im Stadtzentrum waren immer wieder heftiger Artilleriebeschuss und Kanonenfeuer zu hören. Explosionen erleuchteten den Nachthimmel. Am frühen Samstagmorgen wird sichtbar, dass ein Hochhaus in Kiew schwer getroffen wurde. Augenzeugen berichteten auch von Schüssen nahe des Regierungsviertels. Nach ukrainischen Angaben griffen russische Truppen einen Militärstützpunkt bei Kiew an. Die Attacke sei zurückgeschlagen worden, erklärt das ukrainische Militär.
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Hochhaus auf mindestens vier Etagen getroffen

Bilder von dem Hochhaus zeigten deutlich sichtbar einen Einschlag in oberen Stockwerken. Mindestens vier Etagen auf einer Seite des Hauses wurden dabei zerstört. Es stieg Rauch auf. Unklar war zunächst, was genau vorgefallen war und wie viele Opfer es gab. Auf einem Video der Nachrichtenagentur Reuters ist zu sehen, wie Rettungskräfte einen verletzten Menschen aus dem Gebäude tragen. Am Samstagmittag meldete ein Berater des ukrainischen Innenministers, niemand sei getötet worden, als die Rakete das Gebäude traf.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba veröffentlichte bei Twitter ein Foto des getroffenen Hochhauses. „Kiew, unsere schöne, friedliche Stadt hat eine weitere Nacht unter Beschuss von russischen Bodentruppen und Raketen überlebt“, schrieb er dazu. „Ich fordere die Welt auf: Russland vollständig isolieren, Botschafter ausweisen, Ölembargo, die russische Wirtschaft zerstören“, schrieb Kuleba. „Stoppt russische Kriegsverbrecher!“

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Schüsse und Kämpfe am Stadtrand von Kiew

"Auf den Straßen von Kiew finden aktive Kampfaktionen statt", warnte das ukrainische Innenministerium am Morgen in einem Facebook-Post. Den Bewohnern der Hauptstadt wird geraten, besonders vorsichtig zu sein. Wer sich aktuell in einem Luftschutz-Bereich befindet, soll den nicht verlassen. Wer sich zuhause befindet, soll sich von Balkonen und Fenstern fern halten. Das Ministerium riet dazu, sich in einem geschlossenen Raum zu Verstecken und sich mit etwas zu bedecken, das vor Schussverletzungen schützen kann. Wenn die Sirenen ertönen, sollten alle so schnell wie möglich zum nächsten Schutzraum gehen.

Russische Truppen versuchten, das Heizkraftwerk Nr. 6 anzugreifen, teilte ein Amt für Behördenkommunikation mit. Die ukrainische Armee verteidige sich. Das Kraftwerk liegt im äußersten Nordosten der Millionenstadt auf dem rechten Ufer des Flusses Dnipro. Auch von anderen Stellen auf dem rechten Ufer gab es Berichte über Explosionen und Schüsse aus automatischen Waffen.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hält eine Rede an die Nation. Foto: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa
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Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor einen entscheidenden Angriff auf die Hauptstadt in der Nacht befürchtet. „Das Schicksal des Landes entscheidet sich gerade jetzt“, sagte er am Abend in einer Videobotschaft auf seinem Telegram-Kanal. „Wir müssen alle verstehen, was auf uns wartet. Wir müssen diese Nacht durchhalten.“

Selenskyj ruft Bürger zur Verteidigung von Kiew auf

„Der Feind wird alle seine Kräfte einsetzen, um unseren Widerstand zu brechen“, sagte Selenskyj. „In dieser Nacht setzen sie zum Sturm auf Kiew an.“ Er rief alle Ukrainer auf, „den Feind wo auch immer möglich aufzuhalten“. Die Bevölkerung sollte alle Markierungen entfernen, die Saboteure an Straßen und Häusern anbringen. „Verbrennt die feindliche Militärtechnik mit allem, was zur Verfügung steht!“

Am Freitag waren russische Truppen an den Rand der Hauptstadt vorgedrungen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba berichtete von „schrecklichen russischen Raketenangriffen“ auf Kiew. Im Süden des Landes rückten die russischen Truppen in Richtung der Hafenstadt Odessa vor. Auch gab es Kämpfe um die Industriestadt Mariupol.

Schwere Kämpfe in Wassylkiw südlich von Kiew

Die russischen Truppen rücken vom Nordwesten und Nordosten auf Kiew vor. Heftige Kämpfe gab es den Angaben nach bei dem Ort Wassylkiw etwa 40 Kilometer südlich von Kiew. Dort gibt es einen Luftwaffenstützpunkt, den russische Truppen dem Anschein nach mit Fallschirmjägern erobern wollten.

Die ukrainischen Streitkräfte nahmen für sich in Anspruch, ein russisches Militärtransportflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 abgeschossen zu haben. An Bord seien Fallschirmjäger gewesen, schrieb der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj auf Twitter. Als Absturzstelle nannte er die Stadt Wassylkiw südlich von Kiew. Die Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Das ukrainische Luftwaffenkommando teilte mit, die russische Armee versuche in Wassylkiw Luftlandetruppen abzusetzen. Es gebe schwere Kämpfe.

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Russland hatte nach monatelangem Truppenaufmarsch an den Grenzen zur Ukraine am Donnerstag eine Offensive gestartet. Seit Beginn der großangelegten Invasion wurden auf ukrainischer Seite nach offiziellen Angaben mehr als 130 Soldaten getötet. Der Einmarsch löste weltweit Wut und Bestürzung aus. (jgr, mit dpa & Reuters)