Bundeswehr im Juni abgezogen

Afghanistan: Taliban nehmen Masar-i-Scharif kampflos ein

A Taliban fighter looks on as he stands at the city of Ghazni, Afghanistan August 14, 2021. REUTERS/Stringer NO RESALES. NO ARCHIVES
Die Taliban sind in Afghanistan auf dem Vormarsch.
MI/SEC, REUTERS, STRINGER

Auf ihrem Eroberungszug in Afghanistan haben die islamistischen Taliban am Samstag die Großstadt Masar-i-Scharif eingenommen. Den Fall der Stadt bestätigten eine Sicherheitsquelle und ein Provinzrat der Deutschen Presse-Agentur. Anscheinend sei die Stadt kampflos gefallen, sagt der Vorsitzende des örtlichen Provinzrats, Afsal Hadid der Nachrichtenagentur Reuters. In einem Feldlager am Rande der Stadt hatte die deutsche Bundeswehr bis zu ihrem Abzug im Juni ihr Hauptquartier für den Afghanistan-Einsatz.

Taliban rückten am Abend auf Masar-i-Scharif vor

Die Islamisten hatten seit rund einer Woche Masar-i-Scharif intensiv angegriffen. Immer wieder versuchten sie von mehreren Seiten, in die auch wirtschaftlich starke Metropole mit geschätzt 500.000 Einwohnern einzudringen. Milizen des Ex-Gouverneurs Mohammad Atta Nur und des Ex-Kriegsfürsten Abdul Raschid Dostum hatten zuletzt nördlich der Stadt eine zusätzliche Verteidigungslinie zur Unterstützung der Sicherheitskräfte aufgebaut.

Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Islamisten seien gegen 21 Uhr (Ortszeit) in die Stadt eingedrungen. Daraufhin hätten sie Gefangene aus dem Zentralgefängnis der Stadt freigelassen. Ein großer Teil der Sicherheitskräfte habe sich in den Bezirk Tschahar Kent und in das Camp Marmal in der Nähe des Flughafens zurückgezogen.

13.08.2021, Afghanistan, Ghazni: Taliban-Kämpfer bewachen afghanische Sicherheitskräfte die sich ergeben hatten in der Stadt Ghazni südwestlich von Kabul, Afghanistan. Die Taliban haben am Freitag ihre Offensive im Süden des Landes abgeschlossen und in einer Blitzoffensive vier weitere Provinzhauptstädte eingenommen, die Kabul allmählich einkreisen, nur wenige Wochen bevor die USA ihren zwei Jahrzehnte währenden Krieg offiziell beenden wollen. UN-Generalsekretär António Guterres hat die  militant-islamistischen Taliban zur sofortigen Einstellung ihres gewaltsamen Vormarsches in Afghanistan aufgerufen. «Die Macht durch militärische Gewalt an sich zu reißen ist ein zum Scheitern verurteiltes Vorgehen», sagte Guterres. Foto: Gulabuddin Amiri/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Taliban-Kämpfer bewachen afghanische Sicherheitskräfte die sich ergeben haben.
RG sei, dpa, Gulabuddin Amiri

Alle Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre zunichte

Der Provinzrat Sabiullah Kakar sagte, die Stadt sei vollständig unter Kontrolle der Islamisten. Auch das 209. Armeekorps am Rande der Stadt sei gefallen, durch einen „Deal“ mit den Islamisten. Alle Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre, sagte Kakar weiter, seien zunichte. Der Ex-Gouverneur und der Ex-Kriegsfürst sollen in die Stadt Hairatan an der Grenze zu Usbekistan geflohen sein und versuchen, die Grenze zu überqueren. Auch andere Sicherheitskräfte würden dasselbe versuchen.

In Masar-i-Scharif hatte die deutsche Bundeswehr bis vor kurzem ein großes Feldlager im Camp Marmal in der Nähe des Flughafens. Dort waren bis zum Sommer noch rund 1.000 deutsche Soldaten stationiert. Ende Juni waren nach der US- und Nato-Abzugsentscheidung in vier Militärmaschinen die letzten verbliebenen Soldaten ausgeflogen worden. Die Bundeswehr hatte zuletzt afghanische Sicherheitskräfte im Zuge der Nato-Mission „Resolute Support“ ausgebildet. Es könnten weitere einheimische Helfer der Bundeswehr in der Stadt sein. An ihnen werden Racheaktionen der Taliban befürchtet. Für sie könnte die geplange Rettungsaktion der Bundesregierung zu spät kommen.

ARCHIV - Ein Soldat der Bundeswehr sichert am 05.03.2013 bei Masar-i-Scharif in Afghanistan ein Tal. Der Bundestag berät am Freitag über das neue Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr. Foto: Maurizio Gambarini/dpa (zu dpa «Bundestag berät über neues Afghanistan-Mandat - Merkel trifft Ghani» vom 05.12.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Ein Soldat der Bundeswehr sichert bei Masar-i-Scharif in Afghanistan ein Tal.
dpa, Maurizio Gambarini
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Seit Beginn des Abzugs der US- und Natotruppen im Mai haben die Taliban gewaltige Gebietsgewinne verzeichnen können. Mittlerweile kontrollieren sie 21 der 34 Provinzhauptstädte des Landes. Kurz vor dem Fall von Masar-i-Scharif bestätigten lokale Behördenvertreter auch den Fall der Provinzhauptstadt Gardis in Paktia im Südosten des Landes. Am Samstag waren bereits zwei weitere kleine Provinzhauptstädte im Osten - Asadabad in Kunar und Scharana in Paktika im Südosten - kampflos an die Taliban gegangen. (dpa/jgr)