Wirklich ganz ohne Gentechnik?
Mittels Insekten gezüchtet: Das steckt wirklich im "Totimpfstoff" von Novavax
Die große Angst vor der Gen-Technologie
Wenn es um Gentechnologie geht, sind vielen Menschen noch heute äußerst skeptisch. Die Befürchtung: Genetisch hergestellte Substanzen verändern die eigenen Erbinformationen zwangsläufig so, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist. Dass die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna bei manchen Menschen so unbeliebt sind, liegt auch daran. Schließlich steckt da RNA drin - und dann ist es ja Gentechnologie. Der Impfstoff des US-Pharmaunternehmens Novavax gilt Impf-Skeptikern deswegen als Alternative. Bei dessen Herstellung spielen Insekten eine wichtige Rolle - und so ganz ohne Gentechnologie kommt auch der nicht aus.
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Insektenzellen werden genetisch umprogrammiert
Allgemein wird NVX-CoV2373 von Novavax, Produktname Nuvaxovid, als Totimpfstoff bezeichnet. Aber das sind die Vektorimpfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson sowie die mRNA-Impfstoffe von Bionetch und Moderna auch: Vermehren kann sich hier nichts mehr. Der Impfstoffkandidat von Novavax sollte besser rekombinanter Proteinimpfstoff genannt werden. Denn er enthält für die Aktivierung des Immunsystems entscheidende Teile aus dem Spike-Protein.
„Bei diesem Impfstoff werden bis zu 14 Proteine aus den Spike-Proteinen synthetisch hergestellt“, erklärt uns Medizinexperte Dr. Christoph Specht. „Wie in vielen anderen Bereichen der Medizin wird dabei mit Zellkulturen gearbeitet, in diesem Fall sind es Insektenzellen.“ Die Zellen der Insekten, hier der Herbst-Heerwurm, werden gentechnologisch so umprogrammiert, dass genau diese Spike-Proteine hergestellt werden. Es flattern also keine Insekten durchs Labor, denen dann die Proteine irgendwie abgezapft werden.
Extrakt vom Seifenbaum als Adjuvans
"Diese Zellkulturen werden aufgereinigt, das heißt, es wird durch chemische Verfahren sozusagen alles Unnötige weggeschmissen, sodass nur die Spike-Proteine übrig bleiben", erklärt uns Specht. "Dieser Vorgang wird auch gerne 'ernten' genannt". Die so gewonnenen Proteine reichen aber nicht aus, um das Immunsystem anzuregen und für eine entsprechende Immunantwort zu sorgen.
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Deswegen werden Totimpfstoffe immer sogenannten Adjuvanzien beigemischt. Sie dienen als Wirkverstärker, die das Immunsystem besser dazu anreizen sollen, Antikörper zu produzieren. Im Falle von Nuvaxovid ist es das saponin-basierte Matrix-M-Adjuvans, das aus einem Seifenrindenbaum extrahiert wird. Novavax hält ein Patent auf diesen Wirkverstärker, es zeigte in Studien eine starke und gut verträgliche Wirkung.
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Nicht das ganze Spike-Protein wird verimpft
Viele Befürworter des Totimpfstoffs sagen: Statt wie bei mRNA-Impfstoffen nur den Bauplan für das Spike-Protein zu verimpfen, wird bei dem Impfstoffkandidaten von Novavax also gleich das ganze Spike-Protein als solches verimpft. Das stimmt so nicht. „Es wird nicht das ganze Spike-Protein künstlich hergestellt, aber wichtige Epitope, also Bindungsstellen, an denen Antikörper binden können“, erklärt uns der Präventivmediziner.
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mRNA-Impfstoffe enthalten hingegen eine genetische Nachricht an die Körperzellen. „Es ist ein Gen-Schnipsel, ja“, sagt Specht, „aber es ist kein Gen-Schnipsel, der in unsere DNA eingebaut werden könnte.“ mRNA ist nur dafür gut, in den Ribosomen, außerhalb des Zellkerns, abgelesen zu werden. „Sie geht nicht in den Zellkern, nicht dahin, wo unsere DNA liegt“, so der Medizinexperte.
Was weiß man über die Wirksamkeit von Novavax?
Im Sommer dieses Jahres stimmte die placebokontrollierten Phase-III-Studie mit etwa 30.000 Probanden optimistisch, was die Wirksamkeit des Impfstoffs von Novavax angeht. Das Vakzin erreichte mit einer Wirksamkeit von 90 Prozent eine hohe Effektivität und lag damit auf dem gleichen Niveau wie die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Eine weitere Studie mit noch einmal 15.000 Teilnehmern, die in Großbritannien durchgeführt wurden, kam auf ein ähnliches Ergebnis.
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Allerdings: Die Studien wurden durchgeführt, bevor die Delta-Variante vorherrschend wurde - und jetzt steht Omikron vor der Tür. Bekannt ist inzwischen, dass eine Booster-Impfung für ein gutes Antikörperlevel gegen Delta notwendig ist. Wie gut oder schlecht der Impfstoff gegen die Omikron-Variante wirkt, wird zurzeit überprüft.
Die Sicherheitsdaten zeigen bisher, dass der Impfstoff im Allgemeinen gut vertragen wurde. Schwerwiegende und schwere unerwünschte Ereignisse waren selten und zwischen den Impfstoff- und Placebogruppen vergleichbar. (dpa/ija)
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