Medizin-Experte erklärt

Warum Biontech und Moderna auch Totimpfstoffe sind

Das Novavax-Produkt namens Nuvaxovid (NVX-CoV2373) ist im Gegensatz zu den bisher zugelassenen Impfstoffen weder ein mRNA-Impfstoff noch ein Vektor-Impfstoff.
Das Novavax-Produkt namens Nuvaxovid (NVX-CoV2373) ist im Gegensatz zu den bisher zugelassenen Impfstoffen weder ein mRNA-Impfstoff noch ein Vektor-Impfstoff.
Frank Hoermann/SVEN SIMON, picture alliance, dpa

von Ingo Jacobs

Viele Menschen, die in Sachen Impfung immer noch zögern, geben an: Sobald verfügbar, möchte ich mir lieber einen Totimpfstoff verabreichen lassen, denn ich vertraue auf bewährte Technologie - aus Angst vor unkalkulierbaren mRNA-Nebenwirkungen und Langzeitfolgen. Der „Totimpfstoff“ Nuvaxovid des US-amerikanischen Pharmaunternehmens Novavax ist nun sehr bald schon verfügbar. Doch unterscheidet der sich wirklich so sehr von mRNA-Impfstoffen?

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Ist das jetzt ein Totimpfstoff?

Zurzeit können vier Corona-Impfstoffe in Deutschland verimpft werden. Ein fünfter kommt ab dem 21. Februar hinzu: das Vakzin Nuvaxovid des Pharmaunternehmens Novavax. Studien bescheinigten die hohe Wirksamkeit des Vakzins. 16.645 Menschen aus Großbritannien, darunter Männer und Frauen zwischen 18 und 84 Jahren, nahmen teil. Ergebnis: eine Wirksamkeit von 89,7 Prozent bei zwei im Abstand von 21 Tagen verabreichten Dosen. Oft wird dieser Impfstoff in der Liste der sogenannten Totimpfstoffe geführt - aber ist er das auch, ein Totimpfstoff?

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„Tote“ Bruchstücke des Virus

„Seitdem es mRNA-Impfstoffe gibt, ist der Begriff Totimpfstoff vielleicht verwirrend“, erklärt Medizinexperte Dr. Christoph Specht im Gespräch mit RTL. Noch vor den Vektorimpfstoffen gab es ursprünglich Lebend- und Totimpfstoffe. Lebendimpfstoffe werden auch heute noch gegen zum Beispiel Gelbfieber, Mumps, Masern und Röteln eingesetzt. Das Virus wird abgeschwächt, ist noch vermehrungsfähig, löst aber nicht mehr die Krankheit aus. „Bei Totimpfstoffen, wie zum Beispiel heute noch gegen Tetanus, Diphterie oder die Grippe eingesetzt, handelt es sich nur noch um tote Bruchstücke des Virus – es kann sich nicht einmal mehr vermehren.“ Bei Lebendimpfstoffe sind die abgeschwächten Viren also noch vermehrungsfähig – bei Totimpfstoffen ist das nicht der Fall.

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Nuvaxovid - künstlich hergestellte Version des Spike-Proteins

Bei dem Impfstoff-Kandidaten Nuvaxovid des Pharmaunternehmens Novavax, für den Mitte November die Marktzulassung in der EU beantragt wurde, funktioniert es noch anders. Es handelt sich im Gegensatz zu den bisher zugelassenen Impfstoffen weder ein mRNA-Impfstoff - wie die Präparate von Biontech und Moderna - noch um einen Vektor-Impfstoff wie die von AstraZeneca und Johnson & Johnson. Das Vakzin enthält winzige Partikel, die aus einer im Labor hergestellten Version des Spike-Proteins von Sars-CoV-2 bestehen. Die werden künstlich im Labor hergestellt und massenhaft in Insektenzellen reproduziert.

Dr. Christoph Specht arbeitet im Bereich der Präventionsmedizin
Medizinexperte Dr. Christoph Specht arbeitet im Bereich der Präventionsmedizin.
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mRNA-Impfstoffe sind auch nicht „vermehrungsfähig“

„Da ist man im Gegensatz zum Totimpfstoff in der Forschung noch weiter gegangen", erläutert der Arzt. "Früher hat man das Virus für einen Totimpfstoff bildlich gesprochen in die Presse getan und kaputt gebrochen und die Einzelstücke verimpft.“ Das ist aufwändig und muss heute nicht mehr so gemacht werden. Denn jetzt ist die Wissenschaft technisch imstande, die einzelnen Protein-Bestandteile molekularbiologisch nachzubauen - deswegen auch die Bezeichnung proteinbasierter Impfstoff. Aber so gesehen sind in den Augen vieler Experten mRNA-Impfstoffe ebenso Totimpfstoffe - denn auch die sind schließlich nicht vermehrungsfähig.

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Auch Totimpfstoffe haben Nebenwirkungen

„Das Argument, nun nur einen Totimpfstoff wegen möglicher mRNA-Nebenwirkungen zu akzeptieren, taugt nicht wirklich“, erklärt uns Specht. „Denn Totimpfstoffe schließen Nebenwirkungen nicht aus, denn die notwendigen Antikörper produzieren die auch und die lösen in fast allen Fällen auch die Nebenwirkungen aus.“ Streng genommen liegt die Verwirrung um Tot- oder Lebendimpfstoff im Begriff Leben. „Viren sind nur schlechte Nachrichten, eingepackt in Protein“ – so hat der britische Nobelpreisträger Sir Peter Brian Medawar 1960 die krank machenden Winzlinge einmal beschrieben. Denn Viren sind grundsätzlich nicht lebend, sondern nur im Wirt vermehrungsfähig. Für ein Lebewesen fehlt ihnen nämlich ein entscheidendes Merkmal: ein eigener Stoffwechsel.

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