Nach dreieinhalb Jahren in Deutschland

Misshandelte Iranerin soll abgeschoben werden: "Ich wollte nur ein guter Mensch sein"

Das Schicksal der Iranerin Sanaz Safaie ist grausam, kompliziert und erinnert gleichzeitig an den Grund für die aktuellen Proteste in ihrem Heimatland. Vor Gewalt, Folter und Vergewaltigung durch die Sittenpolizei aus dem Iran geflohen, baut sich die 42-Jährige in Hamburg ein neues Leben auf. Doch das reicht nicht – Sanaz Safaie soll Deutschland verlassen.
Wie sie auf das Urteil, das ihr gerade erst wieder errichtetes Leben zerstört, reagiert und wieso sie hofft, doch noch bleiben zu dürfen, sehen Sie im Video.

Von der Sittenpolizei attackiert

Sanaz Safaies Geschichte beginnt in ihrem Heimatland, dem Iran. Dort studiert sie Fotografie, arbeitet später auch als Fotografin. Die junge Frau macht sich zudem als Künstlerin und Schauspielerin einen Namen, reist für ihre Arbeit auch immer wieder nach Europa.

Eines Tages ist sie mit Freundinnen in ihrem Auto unterwegs. Während eine der Frauen etwas kaufen möchte, warten Sanaz Safaie und eine ihrer Freundinnen im Wagen. Plötzlich hören sie Schreie. Ihre Freundin wird laut Sanaz von der Sepah, der iranischen Sittenpolizei, auf offener Straße attackiert und verprügelt – angeblich soll diese ihr Kopftuch nicht richtig getragen haben. Die heute 42-Jährige zückt ihr Handy und filmt das Ganze.

Ein Handyvideo wird Sanaz zum Verhängnis

Die drei Frauen werden verhaftet, Sanaz’ Handy konfisziert. Eineinhalb Tage bleiben sie in Gewahrsam, laut Sanaz werden sie schikaniert und beschimpft. Dann bezahlt ihr Vater die Kaution und Sanaz ist wieder frei – vorerst.

Die Künstlerin reist daraufhin nach Paris, da sie dort eine Ausstellung besuchen möchte und beantragt dafür ein Touristenvisum bei den französischen Behörden. Doch als Sanaz nach zwei Wochen Urlaub wieder in ihr Heimatland einreisen möchte, wird sie direkt am Flughafen erneut verhaftet. Der Grund: Bei ihrer ersten Verhaftung fand die Sepah noch ein weiteres Video auf ihrem Handy. Es zeigt einen Protest gegen das Regime – eine Aufnahme, die im Iran verboten ist. Ein Beamter beschuldigt sie daraufhin, eine Spionin zu sein und legt ihr ein Dokument mit diversen Anschuldigungen vor, das sie unterzeichnen soll.

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Sanaz wird zur Verräterin erklärt

Doch aus Sorge vor den Konsequenzen, die eine solche Unterschrift mit sich bringen würde, verweigert Sanaz sich. Daraufhin wird sie laut eigener Aussage mehrfach geschlagen, vergewaltigt und gedemütigt. Darüber sprechen kann sie auch im RTL-Interview nur schwer: „Da war ein geheimes Zimmer, für den Fall, dass die Sepah Leute schikanieren oder anderes mit ihnen machen wollen. Und da war ein Mann von der Sepah. Er hat zu mir viele schlechte Worte und Sätze gesagt: ‘Du bist eine Verräterin des Regimes der islamischen Republik.’ Er hat mit mir gewaltige, schlechte Sachen gemacht. Ungefähr drei oder vier Stunden lang.“

Als der Mann am nächsten Tag wieder mit dem Dokument vor ihr steht, zögert sie nicht mehr. Sanaz unterschreibt es sofort und wird anschließend freigelassen. Wieso sie gehen durfte, das fragt sich die 42-Jährige nicht. „Warum – das gibt es im Iran nicht. Die Mullahs machen was sie wollen, wann sie es wollen. Frauen haben nichts zu sagen“, erklärt sie.

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Ihr Asylantrag wird abgelehnt - wegen ihrer Parisreise

Aus Angst vor weiteren Vergewaltigungen und einer drohenden Todesstrafe verlässt Sanaz am 28. Oktober 2018 ihr Heimatland und flieht über die Türkei bis nach Hamburg. In der Hansestadt lebt ihre Cousine. Sanaz findet Unterstützung beim Verein CVJM, dem christlichen Verein junger Menschen, der Migrantinnen berät. Außerdem stellt sie einen Asylantrag – doch dieser wird abgelehnt. Das Problem in Sanaz’ Fall: ihr altes Touristenvisum von der Frankreichreise. Laut der sogenannten Dublin-Verordnung müssen Asylanträge in dem Land der europäischen Union gestellt werden, welches zuerst betreten wurde. Somit hätte Sanaz Asyl im Nachbarland Frankreich beantragen müssen und nicht in Deutschland.

Sanaz klagt vor dem Verwaltungsgericht

Sanaz klagt vor dem Hamburger Verwaltungsgericht gegen den die Entscheidung. Das Urteil lässt auf sich warten. Gleichzeit wird Hamburg zu ihrem neuen Zuhause. Als die wohl endgültige Entscheidung fällt, ist sie seit mehr als dreieinhalb Jahren in der Hansestadt. Das Gericht weist ihre Klage ab – mit der folgenden Begründung:

„Dem Gericht ist bewusst, dass eine Überstellung nach Frankreich mehr als dreieinhalb Jahre nach Einreise in das Bundesgebiet eine neuerliche Belastung für sie darstellt. Gleichwohl ist es in der Gesamtschau aller Aspekte davon überzeugt, dass die Klägerin auch in Frankreich (…) in der Lage sein wird, ein neues Unterstützungsnetzwerk aufzubauen.“

Das Urteil lässt Sanaz wenig Hoffnung. Auch ein Abschiebedatum steht bereits fest. Doch die Iranerin möchte nicht einfach gehen und versucht, mit Unterstützung der Hamburger CDU ihre Geschichte vor einem Petitionsausschuss neu erzählen zu können. Für ihre Petition konnte sie mittlerweile fast 31.000 Unterschriften sammeln. Dank dieses gewaltigen Rückhalts hofft Sanaz, doch noch irgendwie in Hamburg bleiben und endlich zur Ruhe kommen zu dürfen.