Hirntumor wächst immer weiter
„Soll man ihm jetzt alle paar Monate den Kopf aufschneiden?“ Kasse verweigert Sisco (7) die Bestrahlung

„Mein Herz ist für immer gebrochen.“
Als Jana Edeafour (46) mir im Interview unter Tränen vom Schicksal ihres Sohnes Sisco erzählt, muss ich erst mal schlucken. Vor zwei Jahren bekommt der Siebenjährige die Diagnose Hirntumor. Seitdem sei kein Tag vergangen, an dem sie nicht geweint habe, sagt sie mir. Zweimal wurde Sisco schon operiert, ist auf dem rechten Auge fast blind, der Tumor wächst trotzdem weiter. Helfen könnte ihm nun eine Protonentherapie. Das Problem: Die Behandlung ist extrem teuer – und die Krankenkasse weigert sich zu zahlen.
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Mutter denkt, ihr Sohn hat Eisenmangel - Diagnose: Hirntumor
Als Jana Edeafour im Juli 2021 mit ihrem Sohn Sisco wegen einigen motorischen Auffälligkeiten zum Arzt geht, ahnt sie keine Sekunde, was auf sie zukommt. Sisco ist zu diesem Zeitpunkt oft müde, unmotiviert, schläft viel und ist nicht gut gelaunt. Auch sein rechtes Augenlid hängt herunter und sein Gang ist staksig.
Die Mutter von drei Kindern denkt zunächst an Eisenmangel, doch im MRT stellt sich heraus: Sisco hat ein Kraniopharyngeom – einen Tumor im Gehirn, der den Sehnerv seines rechten Auges zerquetscht. Da diese Art Tumor langsam wächst, muss er den Ärzten zufolge schon lange in Siscos Kopf gewesen sein. Trotzdem muss nun schnell gehandelt werden. Wenige Tage später wird der damals fünf Jahre alte Junge operiert – neun Stunden lang.
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Tumor wächst weiter und Sisco muss erneut operiert werden
Obwohl die Operation gut verläuft, kann damals nicht der gesamte Tumor entfernt werden. Ein Teil ist zu verhärtet, könnte im schlimmsten Fall mehr Schaden anrichten, wenn man versucht, ihn zu entfernen. Zunächst sieht alles gut aus. Sisco muss zwar täglich Medikamente nehmen, kommt damit aber gut zurecht. Auch bei den regelmäßigen Kontrollterminen alle drei Monate sieht ein Jahr lang alles gut aus, die Zeitspanne wird sogar auf sechs Monate verlängert.
Beim nächsten Termin dann der Schock: Der Tumor ist erneut gewachsen, Sisco wird wieder operiert. Doch auch diese Operation hilft nicht langfristig, im erneuten Kontroll-MRT ist eine Zyste gewachsen.
Krankenkasse antwortet RTL - Darum gibt es keine Kostenübernahme der Protonentherapie für Sisco
Stoppen könnte das Wachstum von Siscos Tumor nun die sogenannte Protonentherapie – eine besonders schonende Form der Bestrahlung, die das umliegende Gewebe nicht angreift und gute Ergebnisse bei Tumoren dieser Art erzielen konnte.
Doch kurz vor Therapiebeginn im Westdeutschen Protonentherapiezentrum Essen (WPE) erfährt Jana Edeafour: Ihre Krankenkasse zahlt die 29.000 Euro teure Behandlung nicht. Der Grund: Die Protonenbestrahlung sei keine Vertragsleistung. Es handele sich dabei laut Sozialgesetzbuch um eine „neue Methode“, schreibt die AOK Nordost in ihrem Ablehnungsbescheid. Auch die Kostenübernahme im Einzelfall könne nicht erfolgen, da die medizinischen/sozialmedizinischen Voraussetzungen laut Gutachten des Medizinischen Dienstes nicht erfüllt seien, heißt es weiter.
Am Telefon wird Jana Edeafour gesagt, sie soll auf Alternativbehandlungen zurückgreifen. Die 46-Jährige ist fassungslos, wie sie im Gespräch mit RTL erzählt: „Welche Alternativen wären das? Ihm alle paar Monate den Kopf aufzuschneiden?“ Zudem sei die Protonentherapie keine neue Behandlung. Allein das WPE, in dem Sisco behandelt wird, führt diese seit rund zehn Jahren durch.
Auf RTL-Anfrage schreibt die AOK Nordost hierzu:
„Die Protonentherapie wurde durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) noch nicht zugelassen und zählt daher zu den sogenannten Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB).“ Eine Kostenübernahme für eine noch nicht zugelassene Therapie sei darum nur unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall möglich. Die hierfür nötigen Voraussetzungen würden in Siscos Fall jedoch nicht erfüllt.
Weiter heißt es: „Zur Protonentherapie fehlen weltweit belastbare Studiendaten. Immer häufiger wird diese Therapie bei Kindern im Rahmen einer Studie angewandt. Die konventionelle Strahlentherapie ist allerdings dagegen ausreichend erforscht und mit positiven Ergebnissen belegt.“
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Freundin ruft Gofundme-Kampagne ins Leben - um die Therapie zu finanzieren

Für Jana Edeafour ein riesiger Schock, erzählt sie: „Was sitzt da für ein Mensch hinterm Schreibtisch?“. Die 46-Jährige hat nun Widerspruch eingelegt, in der Hoffnung, dass die AOK Nordost – so wie viele andere gesetzliche Krankenkassen auch – die Protonentherapie doch noch übernimmt.
Erst einmal geht es aber um Siscos Gesundheit: Das ist auch der Grund, warum er trotz Absage der Kasse die sechswöchige Protonentherapie angetreten hat. Seit drei Wochen sind er und seine Mutter jetzt in der Klinik in Essen. Damit sich die Familie nicht zusätzlich zu aller Belastung hoch verschuldet, hat Freundin Stefanie Schult eine Gofundme-Kampagne mit dem Namen „Hilfe für Sisco“ ins Leben gerufen. Rund 25.000 Euro sind hier schon zusammengekommen.
Als Stefanie Schult erfährt, dass die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt, handelt sie sofort, erzählt sie im Gespräch mit RTL. „Ich hab’ gesagt, ich helf’ dir, ich quatsche nicht, ich mach’.“ Sie selbst hat fünf Kinder, ihr jüngster Sohn geht mit Sisco in eine Klasse. „Es ist einfach eine Herzensangelegenheit.“
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Verzweiflung bei Mutter Jana: „Seit dem Tag dieser Diagnose damals ist kein Tag vergangen, wo ich nicht geweint habe“
Für Jana Edeafour ist dieses Engagement ihrer Freundin eine riesige Hilfe. „Seit dem Tag dieser Diagnose damals ist kein Tag vergangen, wo ich nicht geweint habe“, sagt sie. Vor Sisco möchte sie das aber vermeiden. „Ich will ihn nicht permanent vollheulen. Ich bin froh, wenn er lacht und fröhlich ist.“
Und das ist er, selbst in dieser schweren Zeit: „Er hat so einen Spaß am Leben“, erzählt seine Mutter. Seine größte Sorge, als er hört, dass er zur Bestrahlung muss, ist, dass er seine Schule vermissen wird.
Bisher hat Sisco keine Nebenwirkungen von der Protonentherapie, ist nur ab und zu etwas müde. Wenn alles planmäßig verläuft, sind Sisco und Jana Edeafour pünktlich zu Weihnachten wieder zu Hause – und vielleicht geschieht ja noch ein Weihnachtswunder und die Krankenkasse zahlt die Behandlung doch. Sollte das passieren, gehen die gesammelten Spenden übrigens an eine Stiftung – die dann einem anderen Kind hilft, das dringend eine Protonentherapie benötigt.