Kolumne Francas Fußnoten: TikTok-Diagnose Psychowrack! ADHS, depressiv und narzisstisch - wie krank mich die TikTok-Therapeuten machen

Ich bin eine depressive Narzisstin mit ADHS und alle meine zwischenmenschlichen Beziehungen sind ziemlich toxisch!
So lautet zumindest meine TikTok-Diagnose. Denn auf der App, auf der haufenweise süße Katzenvideos, Filmrezensionen und Beautytipps angezeigt werden, lauern auch jede Menge Küchentisch-Psychologen. Und die sind sich nicht zu schade für ein paar Likes und Follower simple und fragwürdige Diagnosen zu stellen. Wie gefährlich das sein kann, habe ich mit Diplom-Psychologe Joachim Schmidt besprochen.
Psychische Störungen perfekt inszeniert
Alles fing an, als ich mal nach Liebeskummer-Tipps bei Google geschaut habe. Drei Klicks später nahm mich mein Algorithmus ins Visier und fing an, mich auf diversen sozialen Medien zu attackieren. Mit bedeutungsschwangerer Musik im Hintergrund, schauten mich die topgestylten „Psychologen-Influencer“ mit durchdringendem Blick an und erklärten mir, was alles mit mir nicht stimmt. Und das ist so einiges!
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All my friends are toxic
Ich lasse meine Wäsche mal einen halben Tag im Bad liegen oder habe Probleme morgens aus dem Bett zu kommen? Diagnose: Depression (16,3 Billionen Hashtags auf TikTok). Ich stehe vor einer beruflichen Herausforderung und fühle mich unsicher, ob meine Profession für die Aufgabe ausreicht? Diagnose: Hochstapler-Syndrom (zwei Millionen Hashtags auf TikTok)! Ach ja, und weil ich ab und zu Konzentrationsschwierigkeiten habe und mich schnell langweile, kann es gut sein, dass ich ADHS (571 Millionen Hashtags auf TikTok) habe. Zwischenmenschliche Beziehungen eingehen, könnte demnächst auch schwierig werden, denn ich weiß jetzt genau, was alles „toxisches“ Verhalten (552,2 Millionen Hashtags) ist.
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Nach mehr als fünf Videos fühlt man sich regelrecht gebrainwashed und vor allem: Noch viel schlechter als vorher. Zum Glück geben die Influencer noch Tipps in „ihrem nächsten Video“, wie ich mit meiner neuen psychischen Störung umgehen kann.
„Selbstdiagnosen durch Social Media sind hochgefährlich“, sagt Diplom-Psychologe Joachim Schmidt. Als Verhaltenstherapeut behandelt er viele Patienten, die genau diese Störungen haben. Wie die Social Media-Psychologen sich präsentieren, hält er für unseriös: „Psychodiagnostik ist eine Wissenschaft. Man braucht viel Erfahrung und eine fundierte Ausbildung, um beispielsweise Depressionen zu behandeln.“ Mit ein paar Tipps bei TikTok sei es da nicht getan. Vor allem sorgten die Videos laut Schmidt dafür, dass sich die Zuschauer, welche eine Störung erkannt haben wollen, am Ende noch unsicherer und alleingelassener fühlten. Ein positiver Effekt sei jedoch, dass durch den Trend mehr Aufmerksamkeit auf psychische Krankheiten gelenkt werde.
Bei hohem Leidensdruck solle man dennoch zu einem Therapeuten gehen. Auch wenn der Schritt eine größere Hürde sei als einmal nach oben zu swipen.
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