„Möchte meinem Kind noch ein Eis kaufen können“ Kita-Gebührenschock in Bayern! Eltern sollen plötzlich 80 Prozent mehr bezahlen

„Die Eltern sind entsetzt“, schildert eine zweifache Mutter die Lage im bayerischen Altomünster. Der Grund: Sie und viele andere Eltern wissen jetzt sicher, dass sie schon bald 80 Prozent mehr für die Kita-Betreuung ihrer Kinder zahlen müssen. Explodierende Kosten, die viele betroffene Familien gar nicht stemmen können und wollen. Was steckt dahinter? RTL hat bei der Stadtverwaltung nachgehört.
Kita-Beitragserhöhung um 80 Prozent! Eltern entsetzt
Die bayrische Kleinstadtidylle in Altomünster ist erheblich gestört, der Grund:
Aktuell zahlen Eltern 148,20 Euro für die fünf bis sechsstündige Betreuung ihrer Kinder – ab September sollen es 266,76 Euro sein.
Bei einer Ganztagsbetreuung sind das dann statt den bisherigen 222 Euro nach der Erhöhung satte 399,60 Euro!
Ein großer Batzen an Mehrkosten für Eltern, die wie viele Familien in Deutschland ohnehin schon mit gestiegenen Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben. Im Fall der dreifachen Mutter Kerstin Tetzel, die RTL um Hilfe gebeten hat, ist der Mann Alleinverdiener. Sollte es tatsächlich zu einer Kita-Beitragserhöhung in diesem Maße kommen, müsste die Familie sich umorganisieren.
„Wir werden weniger Ausflüge machen können und müssen uns stark einschränken, das steht fest“, so die Mutter traurig.
Am 19. April 2023 flatterte die folgenschwere E-Mail ins Postfach von Kerstin Tetzel und den anderen Eltern in der bayrischen Kleinstadt Altomünster. Fünf Kindergärten sind demnach von der Beitragserhöhung betroffen.
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„Als es um 80 Prozent ging, waren wir komplett geschockt“
Auch das Kind von Cornelia Neidhardt geht in Altomünster in die Kita, die Mutter engagiert sich im Elternbeirat der Kita „Die kleinen Strolche“.
„Als der Brief kam, haben wir uns nichts Böses dabei gedacht und mit einer Kita-Beitragserhöhung von 20 Prozent gerechnet. Als es dann um 80 Prozent ging, waren wir geschockt“, schildert Neidhardt.
Kurz danach fand eine Umfrage des Elternbeirats statt, laut der elf Prozent der Eltern angaben, dass sie ihr Kind abmelden und daheim betreuen müssten, wenn es tatsächlich zu der angekündigten Beitragserhöhung kommen solle. Die engagierte Mutter setzt sich dafür ein, dass es für die Eltern in Altomünster nicht ganz so dicke kommt. Seit April versuchte Neidhardt, zumindest eine stufenweise Erhöhung zu erwirken. „Wir möchten unserem Kind auch noch ein Eis kaufen können und so geht es vielen Eltern“, appelliert sie an die Verantwortlichen.
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Erhöhung der Kita-Gebühren: Wegen Defizit im Haushalt und Tariferhöhung im öffentlichen Dienst
Doch wieso soll die Kita-Gebühr überhaupt erhöht werden? Auf RTL-Anfrage erklärt der Bürgermeister von Altomünster, dass die Gemeinde hoch verschuldet sei und sich wegen des Defizits im Haushalt die großzügige Kita-Bezuschussung nicht mehr leisten könne.
„Unser Verwaltungsvorschlag waren ursprünglich 20 Prozent. Doch als der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst durchgekommen ist, mussten wir uns anders entscheiden“, erklärt Michael Reiter. Gemeint sind damit auch die Erzieherinnen und Erzieher aus dem öffentlichen Dienst, die laut Deutscher Presseagentur im kommunalen öffentlichen Dienst seit dem 1. Juli 2023 monatlich 130 Euro mehr verdienen.
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Bürgermeister: „Kann den Unmut der Eltern verstehen, wir haben aber keine andere Wahl“
„Ich kann den Unmut der Eltern verstehen, wir haben aber schlichtweg mit unseren finanziellen Mitteln keine andere Wahl“, stellt Bürgermeister Reiter klar.
Conny Neidhardt versucht seit April im Elternbeirat die Kita-Beitragserhöhung abzuwenden, doch seit Juni ist klar: Daraus wird erst einmal nichts. Am Dienstag (27. Juni 2023) konnte die engagierte Mutter zusammen mit den anderen Elternbeiräten bei der Gemeinderatssitzung aber zumindest einen kleinen Teilerfolg erzielen: Es soll eine stufenweise Erhöhung stattfinden. Statt September soll die vollständige Beitrags-Erhöhung von 80 Prozent nun erst ab Januar 2024 auf die Familien zukommen.
„Gewünscht hätten wir uns, dass es generell weniger wird. Jetzt haben die Familien aber zumindest nochmal Zeit, sich umzuorganisieren“, weiß Neidhardt. Und glücklich seien die Eltern darüber nicht.
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Mutter: „Ungerecht, wie unterschiedlich die kommunalen Kita-Gebühren in Deutschland ausfallen“
Für Cornelia Neidhardt ist der nächste Schritt das Bundesfamilienministerium. „Ich möchte die Politik wachrütteln. Es ist ungerecht, wie unterschiedlich die kommunalen Kita-Gebühren in Deutschland ausfallen. Während die Kita zum Beispiel in Berlin komplett kostenlos ist, müssen wir in einem reichen Bundesland wie Bayern jetzt auch noch mehr zahlen“, kritisiert Neidhardt.
Tatsächlich sehen die Kosten für die Kita-Betreuung in Deutschland je nach Wohnort und Kommune komplett unterschiedlich aus, was diese fünf Beispiele deutlich machen:
Nordrhein-Westfalen: kostenfreie Kita-Betreuung in den letzten beiden Jahren vor Schuleintritt
Brandenburg: kostenfreie Betreuung im Jahr vor der Einschulung und seit 1. Januar 2023 generell bei einem jährlichen Nettoeinkommen bis 35.000 Euro
Hamburg: täglich fünf Stunden kostenlose Betreuung in einer Kita von der Geburt bis zur Einschulung möglich
Rheinland-Pfalz: kostenlose Kita-Betreuung ab einem Alter von zwei Jahren
Niedersachsen: kostenlose Kita-Betreuung ab einem Alter von drei Jahren
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Altomünster: Post an das Bundesfamilienministerium - Mutter will nicht aufgeben
Die Familien in Altomünster wollen trotzdem nicht aufgeben. Die Eltern hoffen, dass sie zumindest das zuständige Familienministerium dafür sensibilisieren können, wie ungerecht Kita-Gebühren in Deutschland verteilt sind.