System kennt keine Gnade
Russische Behörden verfolgen Elfjährigen - weil er den Krieg kritisierte

Als wäre es nicht schon grotesk genug, dass in Russland in Bezug auf die Ukraine nicht das Wort „Krieg“ benutzt werden darf: Dort muss sich jetzt sogar ein Elfjähriger regelmäßig bei den Behörden melden, weil er angeblich die Armee des Landes im Krieg gegen die Ukraine verunglimpft haben soll. Was klingt wie ein Scherz, ist bitterer Ernst
Junge kommt auf Schwarze Liste
Der Schüler aus Kamyschin in der Gegend um Wolgograd sei auf die Schwarze Liste gesetzt worden, „weil er in sozialen Netzwerken Informationen verbreitet hat, die den Einsatz der russischen Streitkräfte zum Schutz der Russischen Föderation und ihrer Bürger diskreditieren“, schreibt die lokale Internetseite „Infokam.su“ am Donnerstag unter Berufung auf eine örtliche Polizeisprecherin.
Im Video: So wird in Russland über Ukraine-Krieg berichtet
Jugendamt kontrolliert Familie
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist es strafbar, in Russland öffentlich von einem Krieg zu sprechen. Der offizielle, beschönigende Sprachgebrauch ist nach wie vor: „militärische Spezialoperation“.
Dass der Junge nun auf der Schwarzen Liste steht, kann ihm später Probleme machen: Er könnte bestimmte Studiengänge nicht belegen oder Berufe ausüben dürfen, in denen ein Führungszeugnis gefordert wird. Zudem müssen sich neben ihm auch die Eltern regelmäßig melden, das Jugendamt kontrolliert die Familien. Und das alles nur wegen der Worte eines Elfjährigen.
Es drohen Bußgelder und Strafverfahren
Zusätzlich hatte Russland zu Beginn des Angriffskrieges auch ein Gesetz verabschiedet, dass eine Bestrafung wegen „Falschinformationen“ über die Streitkräfte vorsieht. Doch nicht die echten Geschehnisse in der Ukraine bestimmen, was Falschinformationen sind oder nicht: Das bestimmt allein Russlands Machtapparat.
Der bekannteste Fall ist die Journalistin Marina Owssjannikowa, die mit einem Plakat im Live-TV protestierte. Es gab schon Hunderte Bußgeld- und Strafverfahren gegen Kriegs- und Kreml-Gegner. In den meisten Fälle blieb es aber bei einem Bußgeld. (dpa/eon)