Dritte Impfung hat Immunsystem gesättigt
Immunologe erklärt: Vierte Impfung im Herbst - wenn überhaupt
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Brauchen wir jetzt doch den zweiten Booster? Denn der nach einer Auffrischimpfung mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin zunächst hohe Schutz gegen Klinikeinweisungen und Notaufnahme bei einer Omikron-Infektion verringert sich schon nach einigen Monaten. Das geht aus einer jetzt im Fachblatt „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlichten Untersuchung aus Südkalifornien hervor. Immunologe Prof. Dr. Andreas Radbruch ordnet die Studienergebnisse ein und erklärt, warum eine vierte Impfung sogar kontraproduktiv sein kann.
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Schutz wird drei Monate nach Boosterung wieder schwächer
„Covid-19-Auffrischimpfungen mit Pfizer/Biontech verbessern den Schutz gegen Omikron signifikant, obwohl dieser Schutz nach drei Monaten gegen Besuche in der Notaufnahme und sogar gegen Krankenhausaufenthalte nachzulassen scheint“ – so die Zusammenfassung einer Studie unter Leitung der Epidemiologin Sara Y. Tartof vom Gesundheitskonsortium Kaiser Permanente.
Für die Studie haben die Forscher 11 123 Krankenhauseinweisungen und Besuche in der Notaufnahme, die nicht zu einer Krankenhauseinweisung wegen einer akuten Atemwegsinfektion führten, untersucht. Viele Menschen verunsichert die Nachricht über diese neuen Studienergebnisse. Ist der Impfschutz jetzt noch gegeben – oder nicht?
Warum kamen die Leute ins Krankenhaus?
„Ich würde das nicht allzu hoch bewerten“, sagt Immunologe Professor Dr. Andreas Radbruch. „Denn was nicht untersucht wurde, ist, wie viele von diesen Patienten tatsächlich auf die Intensivstation mussten oder an der Krankheit sogar verstorben sind.“ Die Daten vom Robert-Koch-Institut zeigten nämlich, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung sehr stabil sei, so der Experte. „Auch drei Monate und sogar sechs Monate nach der dritten Impfung.“ In der Studie sei nicht klar definiert, warum die Leute ins Krankenhaus kamen und sich dort behandeln ließen. „Das eigentlich Wichtige ist ja, dass der Impfstoff uns vor Intensivstationen und Tod schützt“, sagt Radbruch.
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Dritte Impfung hat Immunsystem gesättigt
Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt den zweiten Booster für Menschen ab 70, für Menschen mit Immunschwächen ab fünf Jahren und für alle, die in einem Alten- oder Pflegeheim wohnen oder betreut werden. Für alle Anderen gilt: „Die dritte Impfung hat das Immunsystem im Prinzip schon gesättigt, das heißt, das Immunsystem hat durch die drei Impfungen schon eine maximale Immunität aufgebaut“, so Radbruch.
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Und die maximale Immunität entsteht so, erklärt er uns: Wird das Virus oder der Impfstoff entfernt, dann konkurrieren die Zellen des Immunsystems noch um das bisschen, was noch da ist. „Und das schaffen sie nur, wenn sie immer bessere Antikörper machen, die immer schärfer an das Antigen binden.“ Nach einem halben Jahr ist gar nichts mehr da – und dann müssen diese Zellen sehen, wo sie bleiben. „Und die bilden dann sozusagen das immunologische Gedächtnis und bleiben uns über Jahrzehnte hinweg erhalten.“
Vierte Impfung macht unempfindlich für Varianten
Es könnte sogar nachteilig sein, jetzt eine vierte Impfung zu verabreichen. „Man verschießt seine Pulver“, erklärt der Immunologe. „Wenn man sich eine vierte Impfung, die nicht so wahnsinnig viel, aber immerhin ein bisschen was bringt, wenn man sich die aufsparen würde, bis es wirklich nötig ist, dann hätte man wenigstens diesen geringen Effekt im Herbst, wenn eine neue Welle ansteht.“
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Denn durch ein wiederholtes Impfen mit dem gleichen Impfstoff, in der gleichen Dosis, an der gleichen Stelle in den Muskeln werde das Immunsystem in gewisser Weise geprägt. „Es wird nicht nur gesättigt, sondern es wird dann auch sozusagen eine bestimmte Richtung geschoben“, erklärt der Experte. „Und man wird dadurch vielleicht ein bisschen unempfindlich für Varianten, die versuchen, dem Immunsystem auszuweichen.“
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Anti-Körper in den Schleimhäuten verschwinden schnell
Ein wichtiger Punkt, so Radbruch: Die Antikörper, die uns vor schwerer Krankheit schützen, sind die Antikörper, die wir im Blut tragen. Die Antikörper, die uns vor einer Infektion schützen und auch vor leichten Erkrankungen, sind die, die auf den Schleimhäuten der Atemwege sind. Die verschwinden relativ schnell wieder - selbst wenn sie im Blut noch da sind und uns nach schwerer Krankheit schützen.
"Auf den Schleimhäuten nehmen sie relativ schnell ab und bereits nach relativ kurzer Zeit, nach ein paar Monaten, ist man gar nicht mehr vor der Infektion geschützt und die Infektion wird dann wie eine normale Erkältung ablaufen, vielleicht auch eine besonders schwere Erkältung." Aber sobald das Virus versuche, ins Blut einzudringen, werde es von den dort vorhandenen Antikörpern abgefangen und könne keinen weiteren Schaden anrichten.
Impfen im Herbst: Klappt das auch ohne Impfzentren?
Wirklich nötig dürfte die Auffrischung also frühestens im Herbst sein, wenn eine neue Welle ansteht. Doch könnte es dann nicht große Probleme geben, weil ja immer mehr Impfstellen und Impfzentren dicht machen? Andreas Gassen von Kassenärztliche Bundesvereinigung sagt: „Meines Erachtens wird das keine Probleme machen, weil ja der überwiegende Teil der Impfungen in den letzten Monaten in den Haus- und Fachärztepraxen durchgeführt wurde, und das wird auch im Herbst ohne Probleme möglich sein, wichtig ist, dass man sich jetzt schon ein Konzept für die Impfungen im Herbst überlegt, möglicherweise in Kombination mit der Grippeschutz-Impfung.“ (ubr/ija)
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