Vier Tipps für mehr Ausgeglichenheit

Ihr ärgert euch viel zu oft? Warum die „Let them“-Theorie eure Rettung sein könnte!

Shot of a couple having a disagreement at home
Hat unser Partner etwas anders gemacht, als wir es richtig finden, sind wir schnell genervt. Aber lohnt sich das überhaupt?
iStockphoto

Euer Partner räumt die Spülmaschine immer falsch ein – und ihr ärgert euch jedes Mal?
Wir kennen es alle: Der Partner macht etwas komplett anders im Haushalt als wir, die beste Freundin hat zu einem Thema eine völlig andere Meinung oder der Typ, den wir toll finden, will einfach nichts Festes. Manchmal läuft es einfach nicht so, wie wir es gerne hätten. Dann die Kontrolle abzugeben, ist extrem schwierig. Helfen soll die sogenannte „Let them“-Theorie. Was steckt dahinter? Und ist das hilfreich – oder gar nicht?
Leben, Liebe, Lifestyle - auf RTL.de findest du alles, was deinen Alltag leichter, besser und schöner macht. Mach uns zu deiner Startseite, um mehr als andere zu wissen!

Ihr wollt Kontrolle über euer Leben? Dann hört auf zu kontrollieren!

Aufgebracht hat die „Let them“-Theorie (deutsch „Lass sie“-Theorie) die US-amerikanische Bestseller-Autorin und Moderatorin Mel Robbins. Demnach sollen wir unsere Mitmenschen einfach lassen, statt sie verändern zu wollen. In ihrem Podcast erklärt Robbins: „Der schnellste Weg, Kontrolle über sein Leben zu bekommen, ist, wenn man aufhört, Menschen in seinem Umfeld kontrollieren zu wollen. Man kann sich kaum vorstellen, wie viel Zeit, Energie und Aufmerksamkeit man verschwendet, während man versucht, andere Menschen zu kontrollieren.“

Klingt erst mal widersprüchlich? Wir haben Paarberaterin Ruth Marquardt gefragt, wie die „Let them“-Theorie funktioniert – und wann sie sinnvoll ist und wann nicht.

Lese-Tipp: Welche Sprache der Liebe sprecht ihr - und kollidiert die mit der eures Partners?

Eure Erfahrung ist gefragt!

Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht repräsentativ.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Was steckt hinter der „Let them“-Theorie?

„Die ‘Let them’-Theorie besagt, dass wir Menschen meist zu viel Energie dafür verwenden, was andere Menschen tun oder lassen sollten“, erklärt auch Ruth Marquardt im RTL-Interview. Statt uns beispielsweise Gedanken darüber zu machen, ob unser Partner die Spülmaschine richtig einräumt oder warum der Mensch, für den wir schwärmen, keine Beziehung mit uns möchte, ist es besser, die Meinung oder das Handeln des anderen einfach zu akzeptieren. Einfach stehenzulassen.

In der Folge sollen wir dann genauer auf uns schauen: Was macht es mit mir, wenn ich die andere Person so sein lasse? Womit muss ich mich dann bei mir auseinandersetzen? Und was kann ich dadurch für mich lernen?

„Im Idealfall geht es darum, den Gedanken, es anders haben zu wollen, andere Menschen kontrollieren zu wollen, loszulassen“, so Marquardt weiter.

Welche Vorteile hat die „Let them“-Theorie für unsere Beziehungen zu anderen?

Ganz klar, durch die „Let them“-Theorie gehen wir weniger in den Widerstand, können also Konflikte vermeiden, weiß die Paarberaterin. „Konflikte entstehen innerlich und äußerlich immer dann, wenn wir NICHT einverstanden sind. Wenn wir etwas anders haben wollen, als es ist.“

Sagen wir uns innerlich „lass sie oder ihn doch“, übernehmen wir die Einstellung: „Es ist okay. Akzeptiere, was ist.“ Dabei handelt es sich laut Marquardt um den modernen Ausdruck einer uralten buddhistischen Lehre: „Akzeptiere, was ist – denn alles Leid erwächst daraus, dass wir die Welt, andere Menschen, Situationen, anders haben wollen, als sie sind.“

Versuchen wir nun eben nicht, die Kontrolle über das Tun anderer zu behalten und akzeptieren unterschiedliche Ansätze, üben wir uns darin, wohlwollend auf andere Menschen zu schauen. „Damit schenken wir anderen etwas, das wir uns selbst ja auch wünschen: so angenommen und akzeptiert zu werden, wie wir sind.“ Und das verbessert wiederum unsere Beziehungen.

Lese-Tipp: Welcher Streittyp ihr seid – und was DAS über euch verrät

Welche Vorteile hat die „Let them“-Theorie für uns selbst?

Kennt ihr das auch? Ihr ärgert euch über etwas, steigert euch in etwas rein, was euch nervt – und schon ist eure Stimmung mies. Genau dem kann die „Let them“-Theorie vorbeugen: „Wenn wir uns einmal ins Gedächtnis rufen, dass negative und kritische Gedanken und Äußerungen auch unsere Stimmung vergiften, dann heißt dies im Umkehrschluss: Je mehr Gedanken von Akzeptanz, Freude und Wohlwollen ich denke – desto besser ist das auch für mich selbst.

Dass unsere Stimmung positiv bleibt, wenn wir es etwas kritisch sehen, ist nämlich gar nicht so einfach: „Damit wir in einem guten seelischen Gleichgewicht bleiben können, sollten wir für jeden negativen Gedanken zehn positive denken“, weiß die Expertin. Nur so ist es ausgeglichen, denn jeder Gedanke beeinflusst unsere Gefühle.

Die gute Nachricht ist aber: Wir haben es selbst in der Hand! Denn die Dinge sind, wie sie sind. „Das Einzige, was wir wirklich beeinflussen können, sind unsere Reaktionen auf die Dinge oder die Handlungen anderer Menschen.“

Lese-Tipp: Einseitige Freundschaft? Wann es sich nicht lohnt, Freunden hinterherzulaufen

In welchen Situation ist die „Let them“-Strategie empfehlenswert?

Immer mit der Einstellung „Lass sie doch“ durchs Leben zu gehen, ist sicher nicht möglich. Hilfreich kann es aber bei alltäglichen „Kleinigkeiten“ wie Themen im Haushalt sein, an denen wir uns so oft aufreiben, sagt Marquardt.

Zum Beispiel: Ist die Zahnpastatube aufgewickelt oder mittig ausgequetscht? Wie wurde die Spülmaschine eingeräumt? Gibt es hier überhaupt ein Richtig oder Falsch?

Tipp der Expertin: Macht euch hier bewusst – ist das gerade wirklich ein Aufreger? Sollte ich hier wirklich Kritik üben – oder meinem Partner oder meiner Partnerin nicht lieber ein Kompliment machen?

Stellt euch immer die Frage: Will ich recht haben – oder glücklich sein?

„Vor allem, wenn beide beziehungsweise alle so denken und handeln, steht das Wohl der gemeinsamen Beziehung im Vordergrund.“

Lese-Tipp: Influencerin Carmushka schwört auf Eltern-Teammeetings mit ihrem Mann

Im Video: Influencerin Carmushka schwört auf Eltern-Teammeetings mit ihrem Mann

In welchen Bereichen kann es kontraproduktiv sein, andere immer „zu lassen“?

Auch wenn eine entspanntere Haltung bei Themen rund um den Haushalt sicher gut für unser Zusammenleben ist, ist „Let them“ nicht in jedem Bereich des Lebens das Richtige.

Nicht gemeint ist mit der Theorie, dass wir ständig massive Grenzverletzungen zulassen sollten, warnt Marquardt. „Kommt ein Kollege immer zu spät und hat dies Auswirkungen auf das Team, sollte das besprochen und verändert werden.“

Auch wenn mich beispielsweise mein Partner regelmäßig beschimpft, ist es wichtig, eine Grenze zu ziehen, um mir nicht selbst zu schaden. Ebenso: Verhält sich mein Kind anderen Kindern gegenüber respektlos, ist es wichtig, ihm klarzumachen, welche Werte in unserer Gesellschaft oder der Familie gelten.

Denn Streit – und vor allem konstruktiver Streit – ist nicht zwingend schlecht, sondern die Verteidigung eigener Grenzen und daher wichtig.

Ebenfalls essenziell: Wenn wir sehen, dass ein anderer Menschen diskriminiert, bedroht oder beleidigt wird, hat „Let them“ hier nichts zu suchen. „Für solche Fälle ist die Theorie nicht gedacht. Wir sollen füreinander einstehen und uns gegen Gewalt unterstützen“, so die Paarberaterin.

Lese-Tipp: Habt ihr auch solche Freunde? DIESES Verhalten geht gar nicht in einer Freundschaft

Wie kann ich die „Let them“-Theorie konkret im Alltag umsetzen?

Start in den Tag: Macht euch schon morgens bewusst, dass ihr heute anders reagieren wollt. Statt anderen Menschen Vorschriften zu machen, geht es heute mehr darum, Situationen zu beobachten und gelassener zu reagieren und so „Let them“ zu üben.

Kommt dennoch eine Situation, die euch ärgern könnte, helfen euch folgende Tipps.

Tipp eins: Atmet tief ein und aus! Denn euer Körper wird jetzt dazu tendieren, alles wie immer zu machen.

Tipp zwei: Geht aus der Situation heraus, wenn ihr Spannung spürt. Beobachtet euren Körper: Wie fühlt ihr euch? Wo spürt ihr eventuell ein unangenehmes Gefühl? Gebt dem Gefühl Zeit, abzuklingen. Atmet erneut – und lobt euch dafür.

Tipp drei: Entscheidet am Tag immer wieder neu: Ist das jetzt etwas, das mich und meinen Selbstwert attackiert? Dann setzt eine Grenze.

Im Zweifel fragt euch: Ist das, was ich gleich sagen werde, hilfreich oder provoziert es einen unnötigen Streit? Geht es mir gerade darum, Recht zu bekommen? Oder könnte ich die Situation so stehen lassen und eine Haltung von Interesse und Neugierde einnehmen?

Tipp vier: Sehr häufig kann auch ein interessiertes Nachfragen beim Partner, Arbeitskollegen oder Kind dazu führen, dass man das Warum hinter einer bestimmten Verhaltensweise versteht. Das kann wiederum helfen, das jeweilige Verhalten leichter zu akzeptieren.

Alltagsbeispiel: Ihr seht, dass euer Partner den Teller nicht in die Spülmaschine geräumt hat.

Fragt euch: Wie möchte ich jetzt reagieren, auch wenn es mich normalerweise stört?

So könnt ihr lernen, wie ihr selbst aus alten, oft nicht hinterfragten Verhaltensweisen aussteigt und eine neue Sicht auf die Welt oder euren Partner erfahrt.

Was passiert mit uns, wenn wir aufhören, unsere Mitmenschen kontrollieren zu wollen?

„Es liest sich so leicht, die Kontrolle loslassen“, weiß die Paarberaterin. „Doch das ist die größte Übung von allen.“ Der Grund: Der Wunsch nach Kontrolle stellt eines unserer menschlichen Grundbedürfnisse dar.

Warum? „Kontrolle bedeutet für uns, dass wir uns sicher fühlen können, eine Situation im Griff haben. Der Wunsch nach Kontrolle sichert unser Überleben seit Menschengedenken.“ Der Gegenspieler dieses Wunsches ist ein Gefühl von Ohnmacht oder Unsicherheit. Keinen Einfluss auf eine Situation zu haben und dieser hilflos ausgeliefert zu sein.

Die „Let them“-Theorie in seinen Alltag zu integrieren, ist also vor allem eine Übung, eine Haltung, die jeden Tag aufs Neue trainiert werden will. Nehmen wir uns das nur vor, könnte es passieren, dass wir unseren Frust und Ärger ein paar Mal herunterschlucken und dann irgendwann explodieren, warnt Marquardt.

Darum: Übt – und sprecht darüber, was ihr gerade ausprobiert. „Die Haltung ist großartig!“ Sie kann unser Leben leichter und freier machen und unsere Lebensqualität steigern. „Sie braucht jedoch Übung und Zeit.“