Nachgefragt beim ExpertenNervenkrankheit sorgt in Peru für Notstand - kann das Guillain-Barré-Syndrom auch hier zur Gefahr werden?

90 Tage nationaler Gesundheitsnotstand! Die peruanische Regierung untersucht aktuell die „ungewöhnliche Zunahme“ von Fällen des Guillain-Barré-Syndroms im Land. Was bedeuten die besorgniserregenden Zahlen der seltenen Nervenkrankheit? Müssen wir uns auch hier in Deutschland sorgen?
Wie sieht die Situation in Peru aus?
Betroffene klagen über Symptome, die an einen (grippalen) Infekt erinnern. Bei einer Infektion mit dem Guillain-Barré-Syndrom stehen zunächst Glieder- und Kopfschmerzen an der Tagesordnung, es kann zu vermehrtem Schwitzen kommen. Besonders tückisch: Erst nach einiger Zeit machen sich die so typischen Lähmungserscheinungen in Füßen und Beinen bemerkbar.
In insgesamt 25 Regionen in Peru sind nun 165 Fälle mit vier Todesfällen des Guillain-Barré-Syndroms erfasst worden. Deswegen versucht die peruanische Gesundheitsministerium gegen die gehäuften Fälle der seltenen Nervenerkrankung vorzugehen. Unter anderem soll dafür die Patientenversorgung in den Gesundheitseinrichtungen sowie die Fallkontrolle verstärkt werden.
Und: Um das seltene Syndrom zu bekämpfen, sollen menschliche Antikörper, sogenannte intravenöse Immunglobuline, gekauft und eingesetzt werden.
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Was genau hat es mit dem Guillain-Barré-Syndrom auf sich?
Aber woher kommt die Krankheit überhaupt? So genau weiß man das (noch) nicht. Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht erklärt jedoch im RTL-Interview: „Man nimmt an, dass das Syndrom auf Infektionen oder Impfungen zurückgeht. Das können Grippe-, Corona- oder aber auch Magen-Darm-Infekte beziehungsweise Impfungen gewesen sein.“
Beim Guillain-Barré-Syndrom ist das Nervensystem akut entzündet. „Es handelt sich wahrscheinlich um eine autoimmun ausgelöste Entzündung in den Nerven des Rückenmarks. Die Umhüllungen der Nerven werden hierbei angegriffen, die Nervenleitung im Rückenmark ist somit gestört, sodass die Muskulatur keine Impulse mehr empfangen kann und es zu Lähmungen kommt. Die Schwäche in den Beinen, die langsam – von unten nach oben – aufsteigt, ist hier ganz typisch“, so der Mediziner weiter.
Empfindlichkeitsstörungen treten dabei seltener auf, sondern man habe wirklich mit einem Schwächegefühl zu tun und keinerlei Kraft. „Das kann zwei bis drei Wochen andauern, im schlimmsten Fall ist dann auch die Atemmuskulatur betroffen“, sagt Dr. Specht. Dies könne zwar sehr gefährlich werden, sei allerdings sehr selten.
Wichtig: Die Krankheit und somit auch die aufsteigende Lähmung sei in aller Regel selbstlimitierend. Das heißt: Es handelt sich um eine Erkrankung, die nach einiger Zeit wieder von selbst verschwindet.
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Im Video: Guillain-Barré-Syndrom - was genau ist das?
Was für Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Aber: „Patienten müssen in der Klinik engmaschig beobachtet werden. Als Therapiemaßnahme kommen Immunglobuline, als eine Art Antikörper-Cocktail, zum Einsatz. Dadurch wird der Leidensweg für die Betroffenen deutlich kürzer.“ Problem: Die Behandlungsmethode sei sehr teuer.
Und genau aus diesem Grund habe Peru auch den nationalen Notstand ausgerufen: „Der Notstand ist nicht ausgerufen worden, weil die Leute gerade umfallen wie die Fliegen – das ist eher mit Geld verbunden. Die Therapiemöglichkeit ist sehr angenehm, aber eben auch teuer. Und damit die Peruaner die Immunglobuline kaufen können, müssen sie den Gesundheitsnotstand ausrufen. Das ist eine rein politische Entscheidung und nur eine Formalie.“
Warum Peru und was bedeutet das für uns in Deutschland?
Warum sich die Fälle in Peru häufen, ist zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. „Man liest viel zur Corona-Infektion und zur Corona-Impfung, aber das Guillain-Barré-Syndrom ist schon lange bekannt. Es gibt dort – und auch generell – weder eine Kausalität noch eine Assoziation zwischen dem Syndrom und Corona“, erklärt Dr. Specht.
Denkbar wäre für ihn ein Zusammenhang mit dem Zika-Virus, das in Latein- und Südamerika verbreitet ist, „aber das sind nur Mutmaßungen.“
Generell gilt: „In Peru gibt es mehr Infektionen mit Viren, die wir hier gar nicht haben. Es könnte auch ein neues Virus sein, das für die Guillain-Barré-Fälle verantwortlich ist, das wir noch gar nicht kennen. Aber da hat man nichts in der Hand, um das festmachen zu können“, erzählt Dr. Specht weiter.
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Die Situation in Deutschland schätzt der Mediziner als „völlig entspannt“ ein: „Wir brauchen uns keine großen Sorgen zu machen. Es ist weder gegeben, sich zu fürchten davor, dass das – was immer es auslösen mag – morgen in Deutschland ist – noch gibt es irgendeinen Hinweis, dass man sagen könnte es hat mit Corona oder der Corona-Impfung zu tun. Aber es wird spannend sein, die Situation weiter zu beobachten.“