Wie groß ist die Gefahr durch eingewanderte Mücken-Arten?Explosionsartige Ausbreitung möglich: Forscher warnen vor Mutationen des Zika-Virus

ARCHIV - Der Moskito «Aedes aegypti» oder auch «Stegomyia aegypti» am 24. Juni 2010 in Tegucigalpa, Honduras. Wegen mehr als 10 000 Zika-Infektionen hat die US-Regierung für ihr Außenterritorium Puerto Rico den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Foto: EPA/GUSTAVO AMADOR +++(c) dpa - Bildfunk+++
Das Moskito Aedes aegypti überträgt das Zika-Virus, das bei Schwangerschaft zu Entwicklungsschäden bei Babys führt.
jam mam pt wst fdt lofr, dpa, Gustavo Amador

Wissenschaftler warnen davor, dass die Welt kurz vor einem neuen Ausbruch des Zika-Virus stehen könnte. Das Virus sorgte 2016 weltweit für Schlagzeilen. Tausende Babys wurden mit Hirnschäden geboren, nachdem sich ihre Mütter während der Schwangerschaft infiziert hatten. Nach Ansicht von US-Forschern reicht eine einzige Mutation aus, um eine explosionsartige Ausbreitung auszulösen. Das berichtet die BBC. Sind invasive Mücken-Arten in Zeiten des Klimawandels eine Bedrohung für uns?

Zika-Infektion in der Schwangerschaft führt zu Mikrozephalie

Wenn sich eine Mutter während der Schwangerschaft mit dem Zika-Virus infiziert, kann das die Entwicklung des Babys schädigen und zu einer Mikrozephalie mit beschädigtem Hirngewebe führen. Zika wird durch Stiche von infizierten Aedes-aegypti-Mücken übertragen.

Eine Laborstudie des La Jolla Institute for Immunology in Kalifornien, die jetzt in der Fachzeitschrift Cell Reports veröffentlicht wurde, sagt: Das Zika-Virus kann sich sehr leicht verändern und schnell neue Varianten bilden. Die wären dann wesentlich erfolgreicher bei der Übertragung. Und das selbst in Ländern, die nach früheren Zika-Ausbrüchen eine Immunität aufgebaut haben, so das Forscher-Team.

Lese-Tipp: Erste Zika-Virus-Übertragung 2019 in Europa

Das Zika-Virus steht im Verdacht, bei Infektionen von Schwangeren Schädelfehlbildungen bei ihren Babys zu verursachen. Foto: Antonio Lacerda
Schädelfehlbildungen bei einem Baby durch eine Zika-Infektion in der Schwangerschaft.
DPA

Laborversuch zeigt nur das Offensichtliche

"Letztlich haben die Forscher hier im Labor aber nur nachgewiesen, dass das Zika-Virus auch schnell mutieren kann", sagt uns Medizinexperte Dr. Christoph Specht. "Das ist aber nicht verwunderlich, das trifft auf fast jedes Virus zu." Anlass zu akuter Sorge bestünde deswegen für den Einzelnen bei uns in Europa und Deutschland nicht - denn die verbreitende Mückenart Aedes aegypti ist vor allem in Asien und auf dem amerikanischen Kontinent beheimatet.

Außerdem sind nur 20 Prozent aller Betroffenen nach einer Infektion symptomatisch und ein Zika-Krankheitsverlauf eher harmlos, so der Experte. Sorgen müssen sich hierzulande eigentlich nur Menschen machen, die die betroffenen Regionen der Welt bereisen wollen und Nachwuchs planen.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Gesundheitsbehörden beobachten invasive Mücken-Arten

Nichtsdestotrotz monitoren auch deutsche Gesundheitsbehörden wie das Robert-Koch-Institut durchaus sehr genau, welche Mücken und damit Viren und Parasiten sich in Europa und Deutschland ausbreiten. Denn seit 2015 häufen sich Beobachtungen, dass bestimmte Arten sich vermehrt hier ansiedeln.

"Es reicht im Prinzip der berühmte alte, mit Wasser gefüllte Reifen auf einem Schiff, um den Mücken eine Brutstätte zu bieten", sagt Specht, der einen Teil seiner Ausbildung in der Liverpool School of Tropical Medicine genossen hat. So werden bislang nicht heimische Arten nach Europa gebracht.

Lese-Tipp: Unsere Mücken werden immer gefährlicher – ernsthafte Erkrankungen nach Mückenstich möglich

IM VIDEO: Mücken-Sterilisation soll Menschenleben retten (Archiv, 2019)

Malaria wurde erst Ende der 1960er in Europa besiegt

Die Aedes-aegypti-Mücke trat beispielsweise nach Jahrzehnten der Abwesenheit 2020 erneut an der Schwarzmeerküste Südrusslands, Georgiens und auch in der Türkei auf. Darüber hinaus war die Spezies 2012 bis 2013 für eine Dengue-Fieber-Epidemie mit etwa 2.000 registrierten Fällen auf Madeira verantwortlich, 2017 wurde es auf Fuerteventura festgestellt.

Und tatsächlich ist es noch gar nicht so lange her, dass zum Beispiel die Malaria in Europa, vor allem in Italien, ein Thema war – wenn auch Gott sei Dank die harmlosere Variante Plasmodium vivax. Erst Ende der 1960er gelang es, die Mücken und damit die krank machenden Parasiten in Europa auszurotten.

Kreislauf zwischen Mensch, Tieren und Insekt nötig

Damit Mücken die Krankheiten überhaupt übertragen können, müssen sich bei uns die klimatischen Verhältnisse ändern. Denn der Entwicklungszyklus der Mücken – und damit der Viren und Parasiten – verläuft bei hohen Temperaturen und guter Nahrungsverfügbarkeit rascher. „Ganz klassisch ist das im Rheingraben der Fall“, sagt Specht, durch Nebenarme des Rheins gebe es dort viele Feuchtbiotope.

Dort können sich bei entsprechenden Klimaverhältnissen dann auch Viren, Bakterien und Parasiten entwickeln. Bis sich tatsächlich Krankheiten wie Dengue, Zika, West-Nil-Fieber und Malaria wieder massiv ausbreiten können, braucht es aber auch einen stabilen Kreislauf aus Infektionen bei Menschen, Tieren und Insekten.

Lese-Tipp: WHO warnt – Malaria könnte sich wieder in Europa ausbreiten

Durch den Klimawandel wird es auch bei uns ein Problem

"Das ist ein kommendes Problem", sagt uns der Präventionsarzt, "das muss man durchaus auf dem Schirm haben." Aktuell sehe es aber nicht nach einer akuten Bedrohung aus - aber sie werde kommen, wenn sich der Klimawandel weiter so entwickele. "Da braucht es Surveillance, also Überwachung seitens der Behörden, um zuerst einmal nur zu erkennen: 'Wo ist was?'", sagt Specht, "das ist aber nicht ganz unaufwändig."

In weiteren Schritten werde dann versucht, zum Beispiel im Falle der Rheingräben, mittels biologischer Pestizide oder Sterilisation der Männchen die Mücken-Populationen zu dezimieren.