Welche Rolle spielte das Paracetamol dabei?
Vom Krankenhaus nach Hause geschickt! Hailey (1) stirbt im Schlaf
von Sandy Liesen und Jessica Bürger
Kris Thompson (32) und Iboyla Adam (35) sind am Boden zerstört, ihre kleine Tochter Hailey (1) ist tot. Sie starb, nachdem ihre Eltern mit ihr vom Krankenhaus nach Hause geschickt worden waren – wohl mit dem Hinweis, Paracetamol in Form des Medikaments Calpol einzunehmen. War das womöglich eine folgenschwere Fehlentscheidung? Arzt und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht schätzt ein, welche Rolle das Medikament wirklich gespielt haben kann.
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Hailey bekommt zuerst Antibiotika, dann Paracetamol
Dem britischen Nachrichtenmagazin „Daily Mail“ erzählen die Eltern von Hailey ihre Geschichte. Es ist Anfang Dezember 2022. Die kleine Hailey Thompson leidet an Husten und einer laufenden Nase. Ihre Eltern Kris und Iboyla gehen mit ihr zum Arzt. Dort sei ihr ein Antibiotikum verschrieben worden, worauf das 22 Monate alte Mädchen allergisch reagierte. Daraufhin wurde das Medikament wieder abgesetzt.
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Eine Woche später der nächste Arzttermin, diesmal gehen Hailey Eltern mit ihr ins Royal Albert Edward Krankenhaus in Wigan, in Großbritannien. Dort habe man ihnen gesagt, dass Hailey einen viralen Infekt habe und das Medikament Calpol einnehmen solle. Der Fiebersaft enthält laut Produktwebsite Paracetamol und soll gerade bei Babys und Kleinkindern die Erkältungssymptome lindern. Doch bei Hailey hätten sich die Symptome schlagartig verschlimmert, heißt es in der Zeitung.
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Es ist viel zu tun im Krankenhaus, Hailey wird nach Hause geschickt
Denn nur einen Tag später habe Kris Thompson seine Tochter keuchend im Bett vorgefunden. Er habe den Notruf gewählt, der total überlastet gewesen sei. Der Krankenwagen hätte zwei Stunden gebraucht, bis er bei den Thompsons angekommen wäre, erzählt er weiter der „Daily Mail“. Also fuhren Kris und Iboyla mit ihrer Tochter selbst ins Krankenhaus.
Es sei ein ziemlich ausgelasteter Sonntag gewesen, schreibt die Zeitung weiter. Lokale Medien wie „Wigan Today“ berichten zur gleichen Zeit über den dringenden Appell des Krankenhauses, nur im Notfall in die Notaufnahme zu kommen. Die Lage vor Ort sei kritisch, hieß es in der Meldung des „Wrightington, Wigan and Leigh Teaching Hospitals NHS Foundation Trust“ (WWL), der das Krankenhaus mit verwaltet. Patienten sollen bitte nur in "lebensbedrohlicher Notfällen“ vorbeikommen.
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Als Kris und Iboyla mit Hailey dort ankommen, habe ein Arzt bei Hailey nur den Blutdruck gemessen. Für mehr sei keine Zeit gewesen, heißt es weiter in der „Daily Mail“. Die Mandeln der Kleinen habe man sich nicht angeschaut, behaupten die Eltern. Man habe sie und Hailey wieder nach Hause geschickt, sie solle genug trinken und weiter das Medikament Calpol nehmen. Würde es ihr in drei Tagen nicht besser gehen, solle sie wieder vorstellig werden.
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Keine 24 Stunden später ist Hailey tot
Als Kris Thompson und Iboyla Adam am nächsten Morgen in Haileys Kinderzimmer kommen, erleben sie einen Albtraum. Hailey sei nicht ansprechbar gewesen, habe nicht auf ihre Eltern reagiert. Erneut rufen diese den Notarzt, Kris habe währenddessen versucht, seine Tochter mit einer Herzdruckmassage am Leben zu erhalten. Das 22 Monate alte Mädchen wird ins Krankenhaus gebracht – zu spät. Sie stirbt noch am gleichen Tag.
„Wir können nicht fassen, dass wir unser kleines Mädchen verloren haben“, sagt Haileys Papa der „Daily Mail“. „Es ging alles so schnell. Irgendwas ist in ihrem Körper passiert. Wir wollen Antworten. Wie kann ein gesundes Mädchen im Schlaf sterben?“ Die Eltern werfen den Ärzten vor, den Fall nicht ernst genug genommen zu haben. „Warum wurde sie zum Beispiel nicht auf A-Streptokokken, Scharlach oder Covid getestet?“
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Experte stellt klar: Das Paracetamol ist nicht Schuld an Haileys Tod
Für Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht scheint dies eine „Verkettung unglücklicher Umstände.“ „Zuerst einmal war die Reaktion des Krankenhauses richtig“, sagt er gegenüber RTL. Wenn es sich tatsächlich um einen viralen Infekt gehandelt habe, sei Paracetamol richtig für das Kind gewesen. Erkältungssymptome bei Kindern können eben nur symptomatisch behandelt werden. „Dass das Kind daran gestorben sein soll, lässt einen jedoch ratlos zurück.“ Aus der Ferne könne er nur Vermutungen anstellen.
Spechts Vermutung: Nicht das Medikament war Schuld an Haileys Tod, sondern womöglich doch eine Fehldiagnose. „Vielleicht lag etwas Bakterielles vor, das eine Sepsis ausgelöst hat“, sagt er. Schließlich müsse es einen Grund gegeben haben, dem Kind zuerst Antibiotikum zu verschreiben. Wenn Hailey dann aber allergisch auf das Medikament reagiert habe, sei es ebenso nachvollziehbar, dass es wieder abgesetzt wurde. Die Situation vor Ort im Krankenhaus scheine außerdem chaotisch gewesen zu sein. „Einem Kind Blutdruck zu messen, aber nicht in den Hals zu schauen, wenn es Erkältungssymptome hat, ist sehr ungewöhnlich“, sagt er.
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„Doch ich sehe keine Verbindung zum Paracetamol“, stellt Specht klar. Das Medikament sei toxisch für die Leber, wenn es überdosiert werde, erklärt er. Für die 22 Monate alte Hailey hieße das, dass sie mehr als vier Mal innerhalb eines Tages über fünf Milliliter Calpol habe einnehmen müssen. Zumindest ist dies die maximale Dosierung für sechs bis 24 Monate alte Kinder, wie man der Calpol-Website entnehmen kann. „Doch dafür gibt es, zumindest aus der Ferne, keine Anhaltspunkte“, sagt Specht. Um sicherzugehen, müsse man allerdings den Obduktionsbericht des Mädchens abwarten.
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Obduktion soll Klarheit bringen
Mittlerweile untersuche laut der „Daily Mail“ die Polizei den Fall, ein Gerichtsmediziner führe demnächst eine Obduktion durch. Ein Sprecher des WWL wird mit den Worten zitiert: „Wir senden unser aufrichtiges Beileid an Haileys Familie in dieser tragischen Zeit. Wir haben die Besorgnis der Eltern zur Kenntnis genommen und warten auf weitere Informationen, um den Fall besser verstehen zu können.“ Erst dann wird man mit Klarheit sagen können, woran die kleine Hailey wirklich gestorben ist.