Skandal bei Bundestagswahl in Bergheim
Frau wird Wahlrecht verweigert, weil sie ein Kopftuch trägt
Keinen Zutritt mit Kopftuch
von Maximilian Storr
Eigentlich wollte sie im NRW-Städtchen Bergheim einfach nur wählen gehen, genauso wie das Millionen Bundesbürger am Sonntag auch getan haben. Aber Nahari – wie sich die Frau auf Instagram nennt – durfte nicht. Mit ihrem Kopftuch würde sie gegen das Verhüllungsverbot verstoßen, hieß es in ihrem Wahllokal zunächst. Das wollte die Frau nicht auf sich sitzen lassen und wehrte sich. Der peinliche Vorfall rief auch die Stadt Bergheim auf den Plan.
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Auch zweiter Versuch scheitert
Nahiri, deren richtiger Name der Redaktion nicht bekannt ist, schildert die Situation in einem Post auf Instagram. Sie und ihre Freundin seien in die Astrid-Lindgren-Schule nach Bergheim zum Wählen gegangen. „Meine Freundin wurde reingelassen und durfte wählen“, schreibt sie und erklärt weiter: „Mir wurde gesagt, ich dürfe nicht wählen, weil ich ein Kopftuch trage und mich damit ja ‘verhülle’. Diese Regelung könne ich im Bundeswahlgesetz nachlesen. Ich dürfe nur wählen, wenn ich mein Kopftuch absetze.“
Weil auch Männer anwesend waren, wollte sie ihr Kopftuch aber nicht absetzen. Obwohl sie darauf hinwies, dass sie keine entsprechende Regelung im Bundeswahlgesetz finden könne, wurde ihr der Zutritt zum Wahllokal weiter verwehrt, wie sie erzählt. Sie solle sich bei der Stadt beschweren.
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Missverständnis
Ihre Freundin rief daraufhin bei der zuständigen Behörde an und die Sachbearbeiterin klärte den Vorfall mit der Schule. Es hätte sich herausgestellt, dass der Wahlvorstand in der Schule etwas missverstanden hätte, denn das Verbot würde sich auf die Burka und nicht auf Kopftücher beziehen. Nahiri konnte also doch noch wählen gehen! Gleichzeitig hätten sie und ihre Freundin auch noch eine zweite Frau mit Kopftuch motiviert, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Stadtverwaltung in Bergheim reagierte mit einer Pressemeldung auf den peinlichen Vorfall.
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"Bedauerlicher Vorfall"
Dort heißt es: „Bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag kam es im Wahllokal 6, Astrid-Lindgren-Schule in Bergheim- Kenten zu einem bedauerlichen Vorfall, bei dem einer Wählerin mit Kopftuch und Mundschutz von einer Wahlhelferin zunächst das Wahlrecht unter Hinweis auf das
Verhüllungsverbot verwehrt wurde. Erst nach einer Beschwerde der Frau bei der Wahlleitung
wurde unmittelbar eine entsprechende Anweisung aus dem Rathaus an das Wahllokal vor Ort
gegeben. Sodann wurden der Frau die Wahlunterlagen ausgehändigt und sie konnte ihre Stimme
abgeben.“
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Stadt: kein rassistischer Hintergrund
Die Wahlleitung habe sich sich sofort um die lückenlose Aufklärung des Vorfalls gekümmert. Die Wahlhelferin sei nach eigener Aussage von einer unzulässigen Verhüllung ausgegangen, obwohl bei den Wahlhelferschulungen der Umgang mit einer etwaigen Verhüllung ausdrücklich erörtert wurde. Ein islamophober, rassistischer oder diskriminierender Hintergrund für die Zurückweisung könne keinesfalls bestätigt werden.
Das schränkte Nahiri in einem zweiten Instagram-Statement ein. „Wir glauben, dass es zu dem jetzigen Zeitpunkt zu früh ist, um schon eine Aussage darüber zu treffen, ob das hier ein Fall von Rassismus war oder nicht. Das Stadt meint, es wäre kein rassistischer Fall. Wir hoffen, dass die Stadt das auch darlegen kann.“ Außerdem sei sie sich unsicher, ob sie und die andere Frau, die ein Kopftuch trug und die sie noch zum Wählen ermutigen konnte, die einzigen gewesen sein, die (zunächst) nicht hereingelassen worden sind: „Die Dunkelziffer ist unbekannt.“
"Keine vergleichbaren Fälle"
Die Stadtverwaltung schrieb dazu folgendes: „In keiner der vergangenen Wahlen in Bergheim, noch bei der Wahl am vergangenen Sonntag, auch nicht in einem anderen der 46 Wahllokale und bei rund 450 ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern ist es zu einem vergleichbaren Vorfall gekommen. Der Sachverhalt wurde sowohl mündlich als auch schriftlich aufgearbeitet und es gibt keinen Anhaltspunkt darauf, dass es noch einen weiteren Fall oder weitere Fälle gegeben hat.“
Die Stadt hat sich nach eigenen Angaben schriftlich und in Person von Bürgermeister Volker Mießeler bei der Frau entschuldigt. Es scheint aber noch Gesprächsbedarf zu geben. Interesse an einem persönlichen Treffen haben beide Seiten schon bekundet.
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