Gynäkologin erklärt: Frau hat keine Lust oder Schmerzen beim Sex? Daran kann es liegen!

Wenn Sex nicht möglich ist…
Für viele Menschen ist Sex nicht nur etwas ganz Natürliches, sondern auch die Schönste (Neben-)Sache der Welt. Ganze Bücher, Filme und Serien handeln davon, und nachgewiesenermaßen denken wir alle ziemlich oft am Tag daran. Männer übrigens alle 28, Frauen alle 52 Minuten. Doch was ist, wenn es Probleme beim Geschlechtsverkehr gibt? Oder die Lust komplett fehlt?
Viele Frauen hadern mit ihrem Sexleben
Das Wichtigste zuerst: Bei vielen Menschen und Paaren läuft der Sex nicht ganz „rund“! Das ist absolut kein Grund, sich zu schämen. Und: Es gibt Hilfe!
Zunächst einmal einige spannende Zahlen die weibliche Lust betreffend:
etwa elf Prozent aller Frauen berichten darüber, Probleme bei der sexuellen Erregung zu haben
zehn Prozent haben Schmerzen beim Sex oder empfinden ihn als unangenehm
circa 33 Prozent fühlen sich dauerhaft oder zeitweise lustlos
fünf Prozent haben noch nie einen Orgasmus erlebt
Ganz schön viele Frauen hadern also, zumindest immer mal wieder, mit ihrem Sexleben. Die Ursachen dafür sind ganz unterschiedlich.
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Keine Lust auf Sex - warum bloß?
Viele Frauen berichten mir darüber, dass sie sich immer wieder total lustlos fühlen. Das muss mitnichten bedeuten, dass sie unglücklich in ihrer Beziehung sind oder sich von ihrem Partner nicht (mehr) angezogen fühlen!
Vielmehr ist es so, dass sie einfach keine sexuelle Erregung empfinden- und selbst nicht wissen, wieso. Ganz häufig sind dafür „äußere“ Umstände verantwortlich: Stress im Beruf oder im gesamten Alltag, die wiederum zu Erschöpfung und Energielosigkeit führen. Aber auch psychische Belastungssituationen wie Depressionen und Angsterkrankungen oder körperliche Grunderkrankungen (Diabetes, Parkinson etc.) können das sexuelle Verlangen erheblich beeinträchtigen. Hormonelle Veränderungen, zum Beispiel in den Wechseljahren, aber auch die Verwendung von hormonellen Verhütungsmitteln können zudem echte Lustbremsen sein.
Bei sexueller Lustlosigkeit ist es außerdem ganz wichtig, zusammen mit der behandelnden Ärztin einmal die aktuell eingenommenen Medikamente zu überprüfen. Antidepressiva, Blutdruckmedikamente und Fettsenker können nämlich ebenso einen Einfluss auf das sexuelle Lustempfinden haben.
Zwar können geringe Mengen an Alkohol zunächst stimulierend sein, größere Mengen und dauerhafter Konsum senken die Libido aber deutlich!
Um herauszufinden, warum die Lust auf Sex plötzlich oder immer mal wieder fehlt, ist es also ganz wichtig, sich an eine Expertin oder einen Experten zu wenden. Das kann der Frauenarzt oder die Frauenärztin sein, aber auch der Hausarzt oder die Hausärztin. Liegt der Verdacht nahe, dass die Lustlosigkeit psychisch bedingt ist oder doch ein Partnerschaftskonflikt oder eine familiäre Belastungssituation vorliegt, können (Sexual-) Therapeuten und Psychologen die richtige Anlaufstelle sein.
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Schmerzen beim Sex!
Natürlich gibt es aber auch körperliche Ursachen, die wiederum zu Schmerzen und damit mangelnder Lust oder gar Angst vor dem Geschlechtsverkehr führen können. Schmerzen beim Sex werden auch als Dypareunie bezeichnet. Hier sind zwei Lokalisationen zu unterscheiden:
innere Schmerzen im Bereich des Beckens (innere Dypareunie)
und
äußere Schmerzen im Bereich der Vulva und Vagina (äußere Dypareunie)
Innere Schmerzen können zum Beispiel bedingt sein durch Zysten an den Eierstöcken, Endometrioseherde oder auch verschiedene Entzündungen. Äußere Schmerzen entstehen häufig durch eine vaginale Atrophie in den Wechseljahren. Aber auch bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel die Pille, können dafür sorgen, dass Vulva und Vagina trocken und dadurch sehr empfindlich und schmerzhaft sind.
Liegen also Schmerzen vor, sollten diese unbedingt gynäkologisch abgeklärt werden! Zysten und Endometrioseherde können unter anderem hormonell oder operativ behandelt werden, eine vulvovaginale Trockenheit mit lokalen Östrogencremes und anderen feuchtigkeitsspendenden Produkten. Außerdem empfiehlt sich die Benutzung eines Gleitgels.
Da die weibliche Sexualität multifaktoriell bedingt ist, liegt häufig nicht nur eine psychische ODER eine körperliche Ursache für sexuelle Probleme vor, sondern es ist ein Zusammenspiel beider Faktoren. So kann eine trockene Vagina, die immer wieder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr verursacht hat, schließlich dazu führen, dass Frauen irgendwann Angst vor der Penetration haben – auch wenn die Trockenheit längst erfolgreich behandelt wurde.
Vaginismus - was ist das eigentlich?
Eine sehr ausgeprägte Form, warum Sex unmöglich ist, ist der sogenannte Vaginismus. Hierbei verkrampft sich die Vaginalmuskulatur unwillkürlich, und eine Penetration klappt nicht. Frauen, die darunter leiden, haben häufig außerdem Probleme, ein Tampon einzuführen oder eine gynäkologische Untersuchung durchführen zu lassen. Bei einem primären Vaginismus liegt das Problem von Anfang an vor, wird also bereits beim ersten Versuch, Geschlechtsverkehr zu haben oder ein Tampon zu verwenden, entdeckt, beim sekundären entwickelt er sich mit der Zeit.
Genaue Angaben, wie viele Frauen darunter leiden, gibt es nicht. Nach wie vor gibt es grundsätzlich sehr wenig wissenschaftliche Daten zum Thema weibliche Lust und Sexualität. Zudem ist besonders der Vaginismus für die betroffenen Frauen meist sehr schambehaftet, weswegen sie den Gang zur Frauenärztin scheuen.
Auch die genauen Ursachen dafür sind bislang nicht eindeutig geklärt. Gerade beim primären Vaginismus werden vor allem psychische Ursachen, hier vor allem traumatische Erlebnisse, als Auslöser vermutet. Beim sekundären Vaginismus scheinen eher andere Gründe, wie zum Beispiel Schmerzen wegen vulvovaginaler Trockenheit, ausschlaggebend zu sein. Die Behandlung der Grunderkrankung ist deshalb hier der erste Schritt. Dafür ist es natürlich zunächst wichtig, dass sich die Betroffenen vertrauensvoll an einen Arzt oder eine Ärztin wenden. Wird bei der gynäkologischen Untersuchung keine körperliche Ursache gefunden, gibt es dennoch verschiedene Therapiemöglichkeiten:
das Erlernen von Entspannungstechniken, durch die sich die Verspannung der vaginalen Muskulatur lösen können
die Durchführung von Beckenbodentraining, wodurch das An- und Entspannen der Muskulatur bewusst gesteuert werden kann
die Verwendung von mechanischen Hilfsmitteln, die zum Beispiel in Apotheken erhältlich sind und der Größe nach aufsteigend verwendet werden, um die Vagina vorsichtig zu dehnen
die psychotherapeutische Unterstützung, um die Ursache für den Vaginismus zu ergründen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln
Kommunikation ist das A und O
Egal, weswegen es nun im Sexleben hapert, neben einer fachlichen Betreuung ist auch die Kommunikation mit dem Partner oder der Partnerin ganz wichtig. Fehlende Lust kann nämlich sehr persönlich genommen werden – obwohl es gar kein innerpartnerschaftliches Problem gibt! Deshalb ist hier ein ehrliches Gespräch das A und O. Zusammen fällt es sowieso immer leichter, eine Lösung zu finden. Und gerade beim Sex kann das bedeuten, gemeinsam immer wieder unterschiedliche Sachen auszuprobieren und neue, lustvolle Wege zu wagen.