Seid ihr auch betroffen?Drei Millionen Deutsche haben Tinder-Burnout! Was hinter dem Phänomen steckt

von Irena Bauer

Ihr habt keinen Bock mehr aufs Swipen?
Dann ergeht es euch wie Millionen anderen Deutschen. Das sogenannte Tinder-Burnout greift im Land um sich und hinterlässt junge Menschen zunehmend verzweifelt. Online-Dating macht einfach keinen Spaß mehr. Doch woran liegt das? Und noch wichtiger: Wie kommen wir da wieder raus? Der Berliner Franz Club hat da bereits eine Idee. Was Fische und Fahrräder damit zu tun haben, verraten wir euch im Video.

Was genau steckt hinter dem Tinder-Burnout?

Jeder siebte Deutsche, der online nach der großen Liebe sucht, sei erschöpft vom Online-Dating. Das legt eine aktuelle Studie nahe. Da Tinder mit weltweit zehn Millionen Nutzern die größte Dating-Plattform ist, hat sich deshalb schnell der Begriff Tinder-Burnout etabliert, auch wenn sich eher um ein allgemeines Dating-Burnout handelt – unabhängig der Plattform. Doch was steckt hinter dem Phänomen?

„Der Begriff Dating-Burnout zieht einen wirklich großen Begriff aus dem Bereich der Erschöpfung dazu – Burnout. Über das Wort soll signalisiert werden, welchem Druck, auch welchem gefühlten Erfüllungs- oder Leistungsgedanken Menschen sich beim heutigen Online-Dating ausgesetzt fühlen“, erklärt Beziehungsexpertin Ruth Marquardt im RTL-Gespräch.

Doch woher kommt die Erschöpfung eigentlich? Dating an sich soll einem ein gutes Gefühl vermitteln und Spaß machen. Darauf hat Marquardt eine Antwort: „Die Erschöpfung kommt durch eine Überforderung: zu viele Nachrichten, zu viele Anfragen. Immer wieder das Gleiche, immer wieder neu Anlauf nehmen. Sich verabreden, Kaffee trinken, spazieren gehen. Feststellen, ob die Chemie stimmt. Das Überangebot, dieses ‚zu viel‘ überfordert hier viele.“

Wahrscheinlich kennen viele App-Nutzer dieses Gefühl genau. Oft hat man dazu das Gefühl, dass man sofort auf die vielen Nachrichten antworten sollte. Und wenn man dann keine Lust hat, dann schreibt man lieber kurz etwas Oberflächliches, als sich auf sein Gegenüber wirklich einzulassen. Ein klassisches Symptom, wie Marquardt beschreibt.

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Doch es gibt auch noch mehr Anzeichen laut unserer Expertin: „Ich muss mir überlegen: ‚Wem habe ich was schon erzählt bzw. geschrieben?‘ ‚Wiederhole ich mich?‘ Es fühlt sich an, als müsste man Buch führen, um nicht den Überblick zu verlieren. Da Singles oft auf mehreren Plattformen parallel daten, müssen sie hier regelrecht in den eigenen Chatverläufen recherchieren. Das kostet Zeit.“

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Ablehnung und Ghosting hinterlassen Verletzungen

Weiter beschreibt Marquardt, dass man dann die wenige freie Zeit, die man dann noch hat, bei Dates verbringt. Das sei ein großer Aufwand, vor allem, weil viele App-Nutzer beschreiben, dass sie sechs Dates in zwei Wochen absolvieren würden. Das sei ein regelrechter Dating-Marathon. All das könne erschöpfen und schnell zu Frust führen, weil alle Treffen ähnlich ablaufen und es nicht einfach sei, sich immer wieder neu und voller Interesse und Aufregung auf den nächsten Date-Partner einzulassen.

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„Solche Erfahrungen greifen den Selbstwert an – ich fühle mich wiederholt nicht gesehen oder wertgeschätzt und erhalte den Eindruck: Ich bin austauschbar. Dieser potenzielle Partner meldet sich nicht mehr: Offenbar hat er etwas Besseres gefunden. Das verletzt – in der Summe der Erfahrungen“, erzählt Ruth Marquardt. Also sind es auch die vielen Mikroverletzungen, hervorgerufen durch jede Ablehnung und jedes Ghosting, die in ihrer Summe viele Menschen leiden lassen und zu einem Dating-Burnout führen können.

Seid ehrlich: Habt ihr ein Dating-Burnout?

Was hilft bei einem Dating-Burnout?

Wenn man selbst mitten in einem Dating-Burnout steckt, können folgende Tipps helfen:

Wenn ich bei mir feststelle, es stresst mich genau das, was mir doch eigentlich guttun sollte, dann ist es Zeit, die Strategie zu ändern“, rät Marquardt. Also warum nicht weniger Dates verabreden? Man sollte sich selbst wieder mehr in den Mittelpunkt seines eigenen Lebens stellen, sich genügend Raum für Freizeitaktivitäten und guter Zeit mit Freunden oder Familie lassen. Ein zu voller Terminkalender sei nicht nur im Job stressig, so Marquardt. Auch privat könne es überfordern.

Eine weitere Gegenmaßnahme kann hilfreich sein: eine längere Date-Pause von Wochen oder Monaten. In dieser Zeit kann ich mir klar machen: Was wünsche ich mir eigentlich in einer Beziehung? Wie sollte meine Beziehung aussehen? Und wo finde ich möglicherweise außerhalb von Dating-Apps solche Partner? Sich mit sich selbst und seiner Persönlichkeit auseinander zu setzen, kann ein weiterer guter Schritt sein.

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„Wichtig ist vor allem, mir selbst nicht zu viel Druck zu machen, sofort einen Partner oder eine Partnerin finden zu müssen“, stellt Marquardt klar. „Es darf wieder ok sein, Single zu sein. Ohne Druck. Mit dem Anspruch, es muss passen. Ich werde es merken. Und dafür nehme ich mir Zeit.“

Diese Maßnahmen bewahren euch vor einem Dating-Burnout

Es muss nicht zwingend sein, dass man in ein Dating-Burnout schlittert. Es gibt einige Punkte, die man beachten und sich so selbst schützen kann: „Verlockend beim Online-Dating ist das Überangebot. Eine Option ist hier: Nicht ohne Zeitbegrenzung durch die Partner-Angebote zu scrollen, sondern sich bereits hier ein Zeitlimit festzulegen“, erklärt Marquardt. Heißt: Stellt euch einen Wecker!

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Warum ist das hilfreich? Wir kennen es aus unserem Handy-Verhalten generell: Laut Marquardt neigen wir dazu, noch weiter und weiter zu scrollen, da unser Gehirn immer auf der Suche ist nach dem nächsten Neuen. Außerdem haben wir das Gefühl – wenn wir nicht alle Angebote gesehen haben, dass etwas unfertig ist. „Daher machen wir weiter und weiter – und merken gar nicht, wie wir innerlich gehetzter und gestresster werden, eher hektisch durch das Angebot klicken, anstatt uns Zeit zu nehmen für den einen Kontakt. Vielleicht zwei Kontakte.“

Unser Fazit: Wenn ihr euch bewusster mit dem Thema Online-Dating auseinandersetzt, euer Verhalten und den Konsum der Vielzahl an Apps reflektiert, dann steht der Suche nach dem einen Partner nichts mehr im Wege.