Wenn Daniel Diekmann durch den Flur des Hauses geht, dann hat er Angst. Angst davor, dass man ihm etwas antun möchte. Denn der 55-Jährige ist einer der letzten Bewohner dieses Hauses in Berlin. Über 80 Wohnungen stehen hier leer.
„Ich habe meinen Wagen direkt unter der Straßenlaterne geparkt und dann stand da drauf. Ausziehen oder brennen. Ein paar Wochen später, mitten am hellichten Tage, brannte dann das Auto."
Seit 20 Jahren wohnt Daniel Diekmann in diesem Haus. Doch plötzlich zogen von Jahr zu Jahr immer mehr Mieter aus. Und die Wohnungen? Die blieben leer. Auch der 55-Jährige bekommt den Druck des Eigentümers immer mehr zu spüren, sagt er.
„Man hat das auch probiert, schon mit Abfindungsangeboten. Aber was nützen mir 30.000 Euro für meine Wohnung? Dann habe ich keine neue Wohnung.“ – „Wie lange lässt man jetzt schon hier die Wohnungen leerstehen?“ – „Also die Wohnungen hier stehen jetzt seit 2014, 2015 leer."
Eine leerstehende Wohnung ist für den Investor scheinbar deutlich lukrativer als Mieter mit alten Mietverträgen. Schließlich könnte man dann die Wohnung aufwendig sanieren und teuer verkaufen. Auf unsere Bitte um Stellungnahme bekommen wir vom Eigentümer keine Reaktion.
Rainer Balcerowiak von der Berliner Mietergemeinschaft setzt sich seit Jahren gegen spekulativen Leerstand ein. Er will mir ein Haus zeigen, wo angeblich genau das passieren soll.
„Na ja, weil wenn man einen Altbau kauft, dann hat man eben die Potenziale, wenn man Mieter rausgedrängt hat. Altmieter, die auch gebundene Verträge haben, durch aufwendige Modernisierung die Wohnungen so teuer zu machen, dass das richtig gute Rendite für die neuen Besitzer bringt.“
Während ich mich umschaue, begegne ich plötzlich einer Mieterin. Sie wirkt aufgelöst, fast verzweifelt. Aus Angst vor Konsequenzen durch den Vermieter zögert sie kurz, doch dann ist sie bereit, mir das Haus zu zeigen.
"Hier ist alles leer." – "Eine Familie wohnt noch hier drin."
Sie möchte namentlich nicht genannt werden, aus Angst, dass auch ihr ein Rausschmiss droht. Doch wer ist der dubiose Vermieter?
„(...) Dem gehört das Haus.“ – Er soll der Ehemann einer deutschen Prominenten sein. Ich recherchiere und folge den Spuren durch ein Geflecht aus Firmen und Beteiligungen und finde Beweise. Der Ehemann der Prominenten ist Geschäftsführer einer Gesellschaft, die als Eigentümer eingetragen ist. Ich möchte wissen, warum er die Wohnungen nicht vermietet und fahre zu der Adresse, wo die Immobilienfirma gemeldet ist.
Auf dem Briefkasten sind alle seine Firmen aufgelistet. Auch die, die das Haus verwaltet. In einem Schreiben hinterlasse ich meine Fragen. Tatsächlich erhalte ich ein Anwaltsschreiben, doch auf meine Fragen geht er nicht ein. Deshalb gehe ich einen Schritt weiter. Was unternimmt die Politik dagegen, dass Spekulanten immer mehr Häuser leer stehen lassen und die Mieter rausdrängen? Ich stelle eine offizielle Anfrage an das Bundesbauministerium.
„Auch bei insgesamt sehr niedrigen Leerstandsquoten in Ballungsgebieten ist das Phänomen des Spekulations-Leerstands nicht auszuschließen und stellt angesichts der angespannten Wohnungsmärkte ein ernstzunehmendes Problem dar, das gezielt adressiert wird."
Das Ministerium verweist auf das sogenannte Zweckentfremdungsverbot. Das bedeutet: Wer Wohnraum länger als drei Monate leer stehen lässt, benötigt dazu eine Genehmigung. Ohne die kann es schnell zu Bußgeldern kommen. Meine Recherchen haben jedoch gezeigt, dass diese nur selten verhängt werden.
Ich kann nur allen Betroffenen raten, nicht schweigen. Hilfe gibt's bei Mietervereinen. Wer sich wehrt, hat bessere Chancen, denn Wohnen darf in meinen Augen kein Spielball für Spekulanten sein.