Sonderregelung im deutschen Gesetz
Wann verjährt Kindesmissbrauch?

Es passiert häufiger, als ihr denkt!
Kindesmissbrauch gehört in Deutschland leider zum Alltag. Die schlimmen Taten können lange, aber nicht ewig strafrechtlich verfolgt werden. Das Stichwort: Verjährung. Doch was muss man dazu wissen? Wir haben alle wichtigen Informationen zusammengestellt.
Wie viele Fälle von Kindesmissbrauch gibt es in Deutschland?
Ein Blick in die aktuelle Kriminalstatistik der Polizei verrät: 2024 gab es 16.354 Fälle von Kindesmissbrauch – rund 2.800 davon sind schwerer Missbrauch. Hinzu kommen Missbrauchsfälle von Jugendlichen (1.191) und Schutzbefohlenen ab 14 Jahren (446) sowie Kinder- und Jugendpornografie (zusammen 52.455). Doch das sind nur die angezeigten Straftaten, die strafrechtlich verfolgt werden. Die Dunkelziffer ist viel höher.
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So offenbart die Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKM) mit Verweis auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine erschreckende Zahl: Bis zu einer Million Kinder und Jugendliche in Deutschland hätten demnach bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren. Täter oder Täterinnen sind oft Vertrauenspersonen aus dem nahen sozialen Umfeld oder nutzen die Anonymität des Internets.
Was bedeutet Verjährung bei Kindesmissbrauch und wo ist das geregelt?
Verjährung bedeutet kurz gesagt: Wenn eine Straftat lange genug her ist, dann wird der Täter oder die Täterin dafür nicht mehr bestraft. Folglich sind dann auch eine Verurteilung durch ein Gericht oder eine Haftstrafe nicht mehr möglich. Die Verjährung ist fester Bestandteil des deutschen Rechts und in § 78 des Strafgesetzbuchs (StGB) festgelegt.
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Warum verjährt Kindesmissbrauch in Deutschland?
In Deutschland verjähren grundsätzlich nahezu alle Straftaten nach einer bestimmten Zeit – auch das ist in § 78 des Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Ausschlaggebend für die Verjährungsfrist ist zuallererst die zu erwartende Strafe:
Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, verjähren nach 30 Jahren.
Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, verjähren nach 20 Jahren.
Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, verjähren nach zehn Jahren.
Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, verjähren nach fünf Jahren.
Alle übrigen Taten verjähren nach drei Jahren.
Doch das Gesetz sieht an dieser Stelle eine Ausnahme vor: Ein Mord verjährt nicht und kann zeitlich unbegrenzt verfolgt und bestraft werden – auch nach vielen Jahrzehnten noch.
Wann verjährt Kindesmissbrauch in Deutschland?
Für Kindesmissbrauch gilt im deutschen Recht eine Sonderregelung: Nach einer Gesetzesänderung im Januar 2015 ruht die Verjährung bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Das heißt: Die Verjährungsfrist (siehe oben) läuft erst, wenn das Opfer 30 Jahre alt geworden ist.
Zudem haben weitere Faktoren einen Einfluss auf die Verjährungsfrist von Kindesmissbrauch:
Das Alter des Opfers: Es macht einen Unterschied, ob es um sexuellen Missbrauch von Kindern (unter 14 Jahre) oder Jugendlichen (über 14, aber unter 18 Jahre) geht.
Der genaue Straftatbestand: Es macht bei Kindern einen Unterschied, ob es um einfachen sexuellen Missbrauch oder schweren sexuellen Missbrauch (Handlungen, die laut § 176 StGB mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind) geht. Bei Jugendlichen wird zwischen sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB), sexuellem Übergriff/sexuelle Nötigung/ Vergewaltigung (§ 177 StGB) und sexuellem Missbrauch bei Ausnutzung einer Zwangslage (§ 182 StGB) unterschieden.
Daraus ergibt sich folgende Übersicht für Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch*:
Einfacher sexueller Missbrauch von Kindern (unter 14 Jahre): bis Vollendung des 40. Lebensjahres des Opfers
Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (unter 14 Jahre): bis Vollendung des 50. Lebensjahres des Opfers
Sexueller Missbrauch von jugendlichen Schutzbefohlenen: bis Vollendung des 35. Lebensjahres des Opfers
Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung von Jugendlichen: bis Vollendung des 50. Lebensjahres des Opfers
Sexueller Missbrauch von Jugendlichen bei Ausnutzung einer Zwangslage: bis Vollendung des 35. Lebensjahres des Opfers
Was ist mit Schmerzensgeld – wann verjährt das?
Neben der Strafverfolgung gibt es auch die Möglichkeit der Zivilklage – Opfern von sexuellem Missbrauch stehen dann womöglich Schadenersatz oder Schmerzensgeld zu. Diese Ansprüche verjähren nach Angaben der UBSKM seit 2013 erst nach 30 Jahren und können folglich so lange eingeklagt werden. Diese 30-Jahres-Frist gelte für alle Missbrauchsfälle, die sich seit 2013 ereignet haben oder 2013 noch nicht verjährt waren.
* Diese Verjährungsfristen beziehen sich lediglich auf Straftaten, die nach dem 27. Januar 2015 begangen wurden bzw. am 27. Januar 2015 noch nicht verjährt waren. Für ältere Straftaten gelten andere, kürzere Verjährungsfristen. Eine größere Übersicht findet ihr hier beim Verein „Gegen Missbrauch”.