RTL-Legende Ulrich Klose über seinen schwersten Reporter-Einsatz„Ich hatte mehr Glück als Verstand, dass ich überhaupt noch lebe”

Uli Klose im Einsatz
Uli Klose war in vielen Kriegsgebieten unterwegs. (Archivbild)
RTL
von Eva Johanna Onkels

TV-Legende Ulrich Klose geht in den Ruhestand.
Er hat viel erlebt in den mehr als 35 Jahren bei RTL. Das merkt man, wenn Uli Klose, Jahrgang 1957, über seine Einsätze spricht. Sein schwerster war sein Einsatz im Irak als Kriegsreporter 2003. Hier spricht er über diese Zeit. Eindrücklich.

Einsatz mit den Amerikanern – statt den Briten

„Ich habe mehr Glück als Verstand gehabt, dass ich überhaupt noch lebe“, meint Uli Klose direkt zu Beginn des Interviews. Es ist ein Satz, der sich im Verlaufe des Gesprächs wie ein roter Faden durch seine Geschichten zieht. Doch eine Sache lässt ihn nicht los – der Irakkrieg und die Gräuel, die er dort erlebt hat.

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Es ist 2003, der Irakkrieg steht bevor. US-Präsident George W. Bush glaubt, der irakische Machthaber Saddam Hussein habe Massenvernichtungswaffen – und schickt seine Truppen. RTL will vor Ort sein, Uli Klose soll nach Basra. Geplant ist, dass er dieses Mal nicht an der Front ist. Er, der Reporter, der schon im zweiten Golfkrieg 1990 im Einsatz war, während des Bosnien-Kriegs mehrfach nach Sarajevo fuhr und aus dem Bürgerkriegsland Ruanda Bilder lieferte.

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Stattdessen soll er mit den Briten aus Basra heraus arbeiten. Ein Einsatz direkt an der Front mit diesen Truppen ist unwahrscheinlicher. Doch dann kommt es anders. Klose bekommt das Angebot, eingebettet in die amerikanischen Truppen, in den Irak zu gehen. Zuletzt ließ die US-Armee im Vietnam-Krieg Journalisten so nah zu den eigenen Soldaten. Nach einigen Überlegungen stimmt Klose zu.

„Wenn alles gut läuft, sind wir in zehn Tagen da“, hätten die amerikanischen Soldaten damals gesagt, erinnert sich der erfahrene Journalist. Von Kuwait nach Bagdad. Zehn Tage – aus denen sechs Wochen werden.

Ulrich Klose beim Telefonieren im Kriegsgebiet.
Für ihn ist es immer noch mehr Glück als Verstand, dass er aus dem Kriegsgebiet wieder herauskam. (Archivbild)
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Angespannte Soldaten – große Sorge in der Redaktion

Kurz vor dem Einmarsch in den Irak ist die Stimmung bei den Soldaten angespannt: „Da habe ich Soldaten erlebt, die geweint haben, die völlig ausgerastet sind“, erzählt Klose. „Hoffentlich geht das gut. Hoffentlich baut Saddam keine Giftgasköpfe auf Trägerraketen“, schildert der Reporter die Sätze der Soldaten. Angst geht um in der damals stärksten Armee der Welt.

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Die Lage vor Ort ist schwierig. Damit Kloses Eindrücke stimmen und weil er sich nicht allein auf die Amerikaner verlassen möchte, spricht er sich mit einem Kollegen des Focus-Magazins, Christian Liebig, ab. Der Tod ist den beiden Journalisten nahe. Am 7. April 2003, erzählt Klose, ruft er in der Redaktion an. Als er sich meldet, schreit ein Kollege durch die ganze Redaktion: „Uli lebt, Uli lebt!“. „Hör mit dem Scheiß auf”, antwortet Klose damals. Denn er weiß nicht, dass seine Kollegen die vergangenen Stunden in großer Angst um ihren Reporter verbrachten. Denn die Deutsche Presse-Agentur hatte den Tod eines deutschen Journalisten bei amerikanischen Truppen im Irak vermeldet.

Klose ruft sofort seine Eltern an. „Sie hatten einige Stunden geglaubt, ich sei tot“, erzählt er. Doch der Tote ist nicht Klose. Es ist Focus-Reporter Christian Liebig, der an diesem Tag stirbt. Liebig wollte nicht in die befreiten Paläste, hatte Angst, dass es dort zu gefährlich sein könnte. Stattdessen war er auf dem Gefechtsstand, bei den Generälen, hinter der Front. Doch genau dort schlägt an diesem 7. April eine Boden-zu-Boden-Rakete ein. Sie reißt neben Liebig acht weitere Männer in den Tod.

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„Dann weinten die Männer, die uns vorher Mut gemacht haben”

Es ist nicht die einzige Episode, die Klose bis heute bewegt. Wochen, in denen es tagelang kein Essen und Wasser gab, Schlafplätze in verlassenen Krankenhäusern und Schulen. An einem Tag sollen sie in Kerbela untergebracht werden, einem Wallfahrtsort. Als sie dort an der Unterkunft ankommen, wird der Munitionstransporter beschossen und geht in Flammen auf. Es explodiert überall Munition, Minen und Granaten – „alles, was man sich vorstellen kann.“

Ulrich Klose (rechts) in einem Militärflugzeug.
Ulrich Klose (rechts) in einer Militärmaschine. Sechs Wochen statt zehn Tage war er im Irak. (Archivmaterial)
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Klose und der Kameramann gehen in das zugewiesene Gebäude, wo es für die Truppe Nahrung und Wasser gibt. Dort liegt ein schwer verletzter amerikanischer Soldat am Boden, er hat ein Bein verloren. Eine Gruppe Männer ist schon vor Ort: „Jungs, macht euch nicht zu viele Gedanken, es sind schon zwei Apaches (Hubschrauber, Anm. d. Red.) in der Luft, die holen den gleich raus, dann bringen wir den zum nächsten Lazarett”, machen sie den Neuankömmlingen Mut. Klose und sein Kameramann holen sich ihre Rationen, gehen zur Tür raus. „Dann weinten die Männer, die uns vorher Mut gemacht haben“, erzählt Klose bedrückt. „Wir kriegen leider die Apaches nicht“, sagen sie. Das Gefechtsrisiko sei zu hoch, man möchte die Hubschrauber nicht verlieren. Niemand wird kommen, um dem verletzten Soldaten zu helfen. „Dann hat man diesem Soldaten wohl geholfen, zu sterben“, sagt der gestandene Reporter mit Schwermut in der Stimme. „Da wird dir das alles bewusst, der Krieg geht immer weiter und immer weiter“, sagt er. Von den zehn Tagen Einsatzzeit spricht schon lange keiner mehr.

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Arminia Bielefeld wird zum Lichtblick

Doch es gibt eine Sache in all der Not und dem Elend, die Kloses Kopf ein wenig über Wasser hält. Es ist sein Lieblingsfußball-Verein – Arminia Bielefeld. Es ist ein Stückchen Normalität inmitten des Krieges. Klose hat einen guten Draht zum damaligen Teamarzt der Mannschaft, Dr. Günter Neundorf. Jeden Samstag ruft er an. „Da haben wir bestimmt eine Viertelstunde telefoniert und er hat mir live gesagt, was bei der Arminia los ist. Da habe ich gleichzeitig eine Flasche Wasser (...) zerschnitten, habe sie auf die Motorhaube von unserem Jeep gestellt, angewärmt, habe mich rasiert, Fußball gehört. Da war ich für eine Viertelstunde, eine halbe Stunde, wieder im normalen Leben und konnte so den Krieg ein Stück weit ausblenden, was mir sehr geholfen hat.”

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Nach sechs Wochen können Klose und sein Kameramann das Land endlich verlassen. Sie werden von Bagdad nach Kuwait geflogen, nachdem sie einige Tage am Flughafen ausharren müssen, da die schweren Hercules-Maschinen der US Air Force nicht landen können.

Seinen Einsatz im Irak beschreibt Uli Klose (rechts) heute als den schwersten seines Lebens.
Obwohl hier viele lachen: Für Ulrich Klose war sein Einsatz im Irak prägend. (Archivbild)
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Ein Mann, den die Krise nicht loslässt

„Was machen wir?“, hätten sich Klose und der Kameramann gefragt. Ins Hotel? Stundenlang duschen, nachdem das wochenlang nicht möglich war? Was macht man, nachdem man so viel Horror erlebt hat? Sie gehen schließlich so wie sie sind, ungeduscht, nur mit gewaschenen Händen, in den Frühstückssaal des Hotels in Kuwait und essen. Einen Anruf aus Köln für ein Interview lehnt er erst einmal ab. „Ich wollte mit meinen Eltern, Geschwistern und Freunden telefonieren.“

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Der Einsatz hat ihn nicht losgelassen. Er redet nicht gern darüber. Nach seiner Rückkehr wird er Studioleiter in London, hofft auf ein ruhigeres Leben. Er ist erst drei Tage da, als in der Londoner U-Bahn eine Bombe explodiert. Direkt ist Klose wieder nah dran.

Seine letzte offizielle Geschichte als Reporter für RTL geht nicht um Krieg und Tod – sondern um Arminia Bielefeld. Und ganz verabschieden müssen sich die RTL-Zuschauer auch nicht. Klose wird nicht mehr im Tagesgeschäft arbeiten – aber als Reporter bleibt er dem Sender erhalten.