„Würde immer zur Vorsicht raten”Zeigt dieses Video wirklich einen Puma? Experte schätzt ein

von Marc Chmiel und Gizem Schumann

Großkatze oder großer Irrtum?
Ein Tier schleicht durch das Gebüsch, ein verwackeltes Video geht durchs Netz – und plötzlich steht der Saalekreis still. Am Freitagabend (13. Juni) wird ein mögliches Raubtier gesichtet. Zwei Tage später schlagen die Behörden per Warn-App Alarm. Jetzt warnt ein Tierexperte im RTL-Interview eindringlich: Wenn es ein Puma ist, „dann wird es gefährlich“.

Eine Aufnahme, die ganz Sachsen-Anhalt in Atem hält

Freitagabend (13. Juni) beobachtet eine Spaziergängerin im Hafenbereich des Geiseltalsees (Braunsbedra, Saalekreis) ein großes, unbekanntes Tier im Gebüsch. Sie zückt ihr Handy, filmt – das Video ist wackelig, unscharf, aber geht sofort viral. Am Montag (16. Juni) schlagen die Behörden Alarm.

Lese-Tipp: Großkatze im Süden Sachsen-Anhalts gesichtet – „zu 80 Prozent handelt es sich um einen Puma”

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) verschickt eine offizielle Gefahrenmeldung über die Warn-Apps KatWarn und NINA: „Nähern Sie sich keinesfalls dem Tier! Vermeiden Sie es, sich in Wiesen und Wäldern aufzuhalten.” Seitdem herrscht Alarmbereitschaft im Saalekreis. Die Polizei sucht die Region systematisch ab – mit Helikoptern, Wärmebildtechnik und speziell geschultem Personal.

Experte bei RTL: „Das Siebenfache des Körpergewichts ist möglich“

Patrick Müller, politischer Referent bei der internationalen Tierschutzorganisation AAP – Animal Advocacy and Protection, hat sich das Video ebenfalls angesehen. Im Interview mit RTL erklärt er, dass es sich wahrscheinlich um eine große Katze handelt – mehr lasse sich anhand der Bildqualität jedoch nicht sicher sagen. „Ein Puma hat keinerlei Probleme, Tiere bis zum siebenfachen seines eigenen Körpergewichts zu reißen. Ein Puma-Männchen wiegt 50 bis 70 Kilo. Das heißt, Sie können sich vorstellen, da ist eine Menge möglich zum Reißen. Ein Weibchen 30 bis 50 Kilo. Auch da – das Siebenfache – 350 Kilo könnte drin sein.“

Patrick Müller von AAP warnt im RTL-Interview vor den Risiken bei einer möglichen Puma-Sichtung.
Patrick Müller von AAP warnt im RTL-Interview vor den Risiken bei einer möglichen Puma-Sichtung.
RTL

Das bedeutet: Ein solches Tier kann problemlos Rehe, Schafe, Wildschweine – oder größere Hunde erlegen. Auch für Menschen könne das Tier lebensgefährlich werden: „Alle größeren Katzen sind extrem starke Tiere, und falls es zur Konfrontation kommt, sind die Chancen für Sie leider sehr schlecht.“

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Was zeigt das Video wirklich?

„Das Video, was rumgeht, das ist natürlich leider wieder sehr verpixelt, sodass man keine genaue Einschätzung abgeben kann”, sagt Müller über die Aufnahmen. „Was man aber natürlich sieht: Es handelt sich wahrscheinlich um eine Katze und wahrscheinlich um ein großes Tier.“ Ohne Referenzobjekte im Bild sei es allerdings schwierig, die genaue Größe oder Art zu bestimmen. Möglich sei ein Puma – aber auch ein anderes Tier.

Und woran erkennt man einen Puma? „Bei Pumas ist es jetzt besonders, zum Beispiel, dass sie ihren Kot nicht verscharren. […] Gleichzeitig ist es so, dass Pumas auch relativ offen sind, auch ins Wasser zu gehen, weil sie gute Schwimmer sind. Das heißt also: Um den See herum könnte man vielleicht Fußspuren suchen oder Abdrücke der Pfoten in der nassen Erde zum Beispiel.“ Diese Spuren könnten den entscheidenden Hinweis geben. Doch bisher fehlt davon jede Spur. Deshalb sagt Müller: „Wenn in den nächsten Stunden, Tagen keine solchen Spuren gefunden werden, würde ich nicht darauf wetten, dass es ein Puma ist.“

Ein legales Haustier? Ja – in Sachsen-Anhalt möglich!

Die große Frage: Woher kommt so ein Tier überhaupt? Dazu sagt der Tierschützer: „In Deutschland gibt es kein bundesweites Verbot, exotische Wildtiere als Haustiere zu halten. […] In Sachsen oder in Sachsen-Anhalt gibt es keinerlei Regelungen, welche Wildtiere als Haustiere verboten sind.“ Es könnte sich also auch um einen entlaufenen Privatzoo- oder Zirkus-Puma handeln. Wenn das Tier keinen Mikrochip trägt: „Dann wissen wir, dass es sich um ein Tier aus dem illegalen Handel handelt.“

Patrick Müller spricht eine klare Warnung aus: „Falls Sie jetzt zufällig beim Spaziergang ein Rascheln im Gebüsch hören und plötzlich diese große Katze sehen, würde ich Ihnen auf jeden Fall empfehlen, die Distanz zu dem Tier zu vergrößern. Diese Tiere sollten nicht angefasst werden. […] Ich würde immer zur Vorsicht raten.“

Weitere Sichtungen bestätigen den Verdacht – aber keine Klarheit

Inzwischen bestätigt die Stadt Braunsbedra, dass es in den vergangenen Tagen „zwischen fünf und sechs“ weitere Sichtungen durch Bürgerinnen und Bürger gegeben habe. Ob es sich bei den beobachteten Tieren tatsächlich um eine Großkatze handelt, sei noch nicht geklärt. „Zu 80 Prozent handelt es sich um einen Puma, das ist aber noch nicht ganz bestätigt“, so die Stadt. Die Aufnahmen seien verwackelt und aus größerer Entfernung gemacht worden – eine eindeutige Identifikation sei bisher nicht möglich.

Die Gefahr bleibt – auch ohne Beweis

Sollte das Tier gesichtet werden, würden Experten das Tier mit einem Betäubungspfeil ruhigstellen. Dann: „Wird dann eine Vor-Ort-Untersuchung stattfinden, um herauszufinden: Gibt es einen Mikrochip? Hat das Tier irgendwelche Krankheiten, Verletzungen oder andere Spuren, wo man über die Herkunft was rausfinden kann?“ Die Organisation AAP hat den Behörden laut Müller bereits Hilfe angeboten – inklusive Aufnahme des Tieres und kostenlosem Transport.

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Ob wirklich ein Puma unterwegs ist, ist noch unklar. Doch die Behörden bleiben vorsichtig, die Suche läuft weiter. Tierschützer Patrick Müller mahnt: Wenn es sich um ein entlaufenes Tier handelt, kann es weniger scheu sein – besonders, wenn es Hunger hat. Deshalb gilt: Abstand halten und Warnungen ernst nehmen.