Gisèle Pelicots Sohn spricht nach Urteil
Die Täter sind in Haft, doch die Familie hat sich verloren

Was macht solch eine grausame Tat mit einer Familie?
Es ist vorbei: 20 Jahre muss Dominique Pelicot wegen schwerer Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch seiner Ex-Frau Gisèle in Haft. Für seine Kinder ist damit ein Kapitel abgeschlossen. Doch zurückbleibt auch eine Familie, die sich selbst verloren hat.
„Irgendwie haben wir Kinder uns vergessen gefühlt”
Zwar ist David Pelicot (50), der älteste Sohn des verurteilten Dominique Pelicot, mit dem Urteil „zufrieden“. „Er hat das Maximum bekommen, das heißt 20 Jahre Zuchthaus. Jetzt muss er die Rechnung für die Gräueltaten bezahlen, die er an unserer Mutter begangen hat“, sagt er zum Fernsehsender BFMTV.
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Doch das ist nicht alles: Die Kinder der Pelicots seien die „Vergessenen“ dieses Prozesses, sagt David. Das Verfahren sei nicht nur „der Prozess von Gisèle Pelicot, sondern auch der einer Familie, die völlig ausgelöscht wurde. Irgendwie haben wir Kinder uns vergessen gefühlt.“
Im Video: Alle Männer im Pelicot-Prozess sind schuldig!
Seine Kindheit ist verschwunden
Sein Familienleben sei am 2. November 2020 „ausgelöscht worden“, sagt er. An diesem Tag habe seine Mutter ihn angerufen und ihm von den Taten seines Vaters erzählt. Für David Pelicot brach eine Welt zusammen: „Mein Vater existiert nicht mehr, ich musste um ihn trauern. Meine gesamte Kindheit ist verschwunden, sie wurde ausgelöscht“, sagt er im Gespräch mit dem Sender BMFTV.
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Außerdem seien noch nicht alle Fragen beantwortet. „Wir hatten viele Fragen, auf die wir keine Antworten erhielten.“ Unter anderem sei nach wie vor ungeklärt, ob sich Dominique Pelicot auch an seiner Tochter Caroline Darian vergangen habe. Sie ist davon überzeugt, dass ihr Vater nicht nur ihre Mutter, sondern auch sie unter Drogen gesetzt und missbraucht habe. Dominique Pelicot bestreitet diese Vorwürfe – obwohl auf seinem Computer Fotos und Videos seiner entblößten Tochter gefunden wurden. Auch Davids Sohn berichtete von einem Übergriff seines Großvaters auf ihn.
Ein Prozess als Zeichen für die Gesellschaft
Doch David hat auch eine große Hoffnung: Der Prozess solle ein „Testament für zukünftige Generationen“ werden, sagt er. In dem Urteil sieht er eine „große Botschaft der Hoffnung für die Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch“ – und ein Kompass für die „Erziehung unserer Kinder und insbesondere unserer Söhne“. Neben Dominique Pelicot waren 50 andere Männer angeklagt. Sie hatten die heute 74-jährige Gisèle im bewusstlosen Zustand teils mehrfach vergewaltigt.
Mit deren Urteilen, die zwischen drei und 15 Jahren liegen, ist er nicht zufrieden: „Ich bin etwas enttäuscht von dem, was die anderen Angeklagten bekommen haben.“ (eon)