„Menschenrecht, über seinen Körper zu entscheiden”

„Ich bin Arzt, kein Mörder!” Chefarzt kämpft für Rechte der Frauen

von Hebah Omar, Svenja Schmidt und Sebastian Stöckmann

Er hilft jeden Tag Frauen in Not.
Doch in dem Krankenhaus, in dem Gynäkologe Joachim Volz arbeitet, hat jetzt die katholische Kirche das Sagen. Und seine neuen Chefs verbieten dem Arzt aus religiösen Gründen Schwangerschaftsabbrüche – selbst, wenn beim Ungeborenen schwerste Behinderungen festgestellt werden. Doch Volz wehrt sich gegen das Verbot.

Krankenhäuser fusionierten zum Klinikum Lippstadt

„Es ist ein Menschenrecht, über seinen Körper zu entscheiden“, sagt der Gynäkologe. „Meine Arbeit ist keine Sünde“ Und: „Ich bin Arzt, kein Mörder!“ Die Zahl derer, die ihn unterstützen, wächst: Schon mehr als 140.000 Menschen haben seine Petition unterzeichnet, die das Abtreibungsverbot rückgängig machen soll.

Eigentlich sollte alles besser werden: Im Februar fusionierten das Evangelische Krankenhaus und das katholische Dreifaltigkeits-Hospital in Lippstadt (Nordrhein-Westfalen) zum Klinikum Lippstadt. Die katholische Kirche bestimmt, wo es langgeht, und inzwischen entscheidet nicht mehr die Medizin, was hilft – sondern die Kirche, was erlaubt ist.

Der Kirche gehe es nicht darum, im Sinne der Menschen zu handeln – sondern im Sinne eines Dogmas, behauptet Joachim Volz, der die Frauenklinik in Lippstadt leitet. „Einer kirchlichen Vorschrift, die in Stein gemeißelt ist und die es nicht zu diskutieren gilt. Wie es den Frauen geht, wie es mir als Arzt geht, wie es den Paaren geht, wie es der Familie geht – das soll eigentlich keine Rolle spielen, weil dieses Dogma darübersteht.”

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Abtreibungsverbot der katholischen Kirche gilt kategorisch

Das Abtreibungsverbot gilt kategorisch, auch im Falle einer Behinderung beim Ungeborenen oder wenn es zur Gefahr für seine Mutter werden könnte. „Ein Embryo und eine Frau sind ein Wesen, die kann man nicht trennen. Die kann man künstlich in Gedanken trennen, aber ein Embryo ohne eine Mutter geht nicht”, sagt Volz. Dass die Frau eine Gefahr für den Embryo sein könnte, das gibt es nicht. Unsere Patientin steht immer an oberster Stelle – immer.”

Die katholische Kirche geht noch weiter und verbietet Volz nicht nur Schwangerschaftsabbrüche in der Klinik, sondern auch in seiner eigenen Praxis in Bielefeld. Seine Mitarbeiterinnen müssen Frauen in Not abweisen – obwohl sie eigentlich helfen wollen. „Die Frauen tun mir unendlich leid“, sagt Fachärztin Bettina Löppenberg. „Es ist irgendwie unvorstellbar, dass das heutzutage noch möglich ist.“

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Schwangerschaftsabbruch: Klare Mehrheit der Deutschen hält §218 für überholt

Laut §218 im deutschen Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland grundsätzlich verboten. Nur, wer sich beraten lässt und vor der 14. Schwangerschaftswoche abtreibt, bleibt straffrei. Doch Ärzte dürfen nicht offen informieren, und immer weniger Kliniken führen Abbrüche überhaupt durch – seit Jahren protestieren Frauen dagegen. Einer repräsentativen Umfrage aus dem April 2024 zufolge halten 80 Prozent der Deutschen den §218 in seiner jetzigen Form für überholt.

Joachim Volz erlebt nicht nur großen Zuspruch für seine Petition, sondern hat auch gegen das Abtreibungsverbot der katholischen Kirche geklagt. Die Frage, ob kirchliches Arbeitsrecht über allem stehen darf, soll sich Anfang August entscheiden. Dann beginnt der Prozess vor dem Arbeitsgericht in Hamm.

Gynäkologe Joachim Volz: Haltung der Kirche ist realitätsfremd

Auf RTL-Anfrage reagiert das Klinikum Lippstadt knapp und will zum laufenden Verfahren keinen Kommentar abgeben. Das Erzbistum Paderborn verweist auf eine Stellungnahme auf seiner Website. Darin heißt es: „Schwangerschaftsabbrüche und assistierter Suizid sind im Grundsatz ausgeschlossen. Eine Ausnahme bei Schwangerschaftsabbrüchen besteht dann, wenn das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Mutter akut gefährdet ist und es keine medizinisch mögliche Alternative gibt, das Leben des ungeborenen Kindes zu retten.”

Offenbar stellt das Erzbistum Paderborn Schwangerschaftsabbrüche auf eine Stufe mit assistiertem Suizid. Für Volz ist die Haltung der Kirche von der Lebensrealität vieler Frauen weit entfernt. „Das ist eine Aussage, die es in der Medizin nicht gibt“, sagt er. „Wir lassen eine Frau nicht bis kurz vor dem Tode kommen, um dann zu intervenieren.“