Fall aus Flensburg sorgt für FassungslosigkeitDarf ein Ladenbesitzer Juden einfach Hausverbot erteilen?

Trotz Aufforderung der Polizei den Zettel abzumachen, hängt der Ladenbesitzer ihn drinne wieder auf.
Trotz Aufforderung der Polizei, den Zettel zu entfernen, hängt der Ladenbesitzer ihn drinnen wieder auf.
RTL Nord
von Alisha Elling, Henrike Laing und Michelle Seidel

Das kann doch nicht legal sein, oder?
In Flensburg (Schleswig-Holstein) löst ein Plakat am Mittwoch bundesweites Entsetzen aus. Der Ladenbesitzer erteilt Juden darauf Hausverbot für sein Geschäft. Mittlerweile ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft. Doch der 60-Jährige sieht sich nach wie vor im Recht - aber ist er das wirklich?

Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Der Aushang in einem Schaufenster auf der Duburger Straße in Flensburg hat viele Menschen fassungslos gemacht: „Juden haben hier Hausverbot!”, stand in großer Schrift geschrieben. „Nichts Persönliches, kein Antisemitismus, kann euch nur nicht ausstehen“, hieß es weiter unten. Nachdem sich zahlreiche Passanten und Politiker empört gezeigt haben, schritt die Polizei ein und ordnete an, das Plakat zu entfernen. Der Ladenbesitzer, Hans Velten Reisch, hängt daraufhin den Zettel einfach von außen ins Innere seines Ladens. Mittlerweile liegt das Plakat als Beweismittel bei der Staatsanwaltschaft. Die prüft nun, ob sich der Ladenbesitzer strafbar gemacht hat. „Hier kommt wegen der Kernaussage „Juden haben Hausverbot” der Strafbestand Volksverhetzung des Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches in Betracht”, sagt Bernd Winterfeldt von der Staatsanwaltschaft Flensburg.

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RTL konfrontiert uneinsichtigen Ladenbesitzer

Der Ladenbesitzer verteidigte seine Aktion. Er sei nicht antisemitisch, sondern habe nur Frust über den Krieg in Gaza äußern wollen. RTL konfrontiert den Mann: „Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Israel und das Judentum ein Unterschied ist?”. Reisch entgegnet nur: „Das ist für mich gleich.” Eine Haltung, die Experten klar als antisemitisch bewerten. „Es wird nicht gesehen, dass es in Israel ein breites Meinungsspektrum gibt und es wird auch nicht gesehen, dass Juden außerhalb Israels keine israelischen Staatsbürger sind, dort nicht wählen können und auch nichts mitbestimmen können“, erklärt Walter Joshua Pannbacker, Antisemitismusbeauftragter der jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein.

Rechtliche Einschätzung: Hausrecht endet bei Diskriminierung

Der Ladenbesitzer beruft sich auf sein Hausrecht, doch das greife laut Experten nicht. „Hier geht es um die Art und Weise, wie er sein Hausrecht ausgeübt hat und das darf, wie auch die Meinungsfreiheit, nicht die Rechte Dritter in dem Maße tangieren, dass Strafnormen verletzt werden”, erklärt Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt.

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Solche Vorfälle würden an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte erinnern. „Wir wissen jetzt aus erster Hand, wie es sich anfühlte, als die Judenverfolgung in Deutschland sich ausbreitete. Man merkt, wie ein Schritt nach dem anderen kommt und man steht hilflos davor”, sagt Walter Joshua Pannbacker, Antisemitismus-Beauftragter des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein.

Die Ermittlungen dauern an. Im Fall einer Verurteilung wegen Volksverhetzung drohen dem Ladenbesitzer eine Geld- oder Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren.

Verwendete Quellen: eigene RTL-Recherchen