Scholz liefert sich heftige AfD-Debatte mit Merz

„Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf“

Einen so heftigen Schlagabtausch haben sich Kanzler und Oppositionsführer bisher nur selten im Bundestag geliefert.
Olaf Scholz (l.) und Friedrich Merz liefern sich einen heftigen Schlagabtausch.
Kay Nietfeld/dpa

Offenes Visier im Bundestag!
Vor der Abstimmung über die Migrationspolitik liefern sich Kanzler Olaf Scholz (66, SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (69, CDU) einen außergewöhnlich scharfen Schlagabtausch über den Umgang mit der AfD.

Olaf Scholz mutmaßt über Union-AfD-Koalition

Der SPD-Kanzlerkandidat warf Merz vor, die klare Abgrenzung zu extrem rechten Parteien aufzugeben. „Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf“, rief er dem Oppositionsführer in seiner Regierungserklärung im Parlament zu.

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Scholz mutmaßte auch, dass die Union nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen könnte. Merz wies das in seiner Antwort auf den Kanzler als „niederträchtig“ und „infam“ zurück. „Ich werde alles tun, das zu verhindern.“ Der CDU-Chef bekräftigte dennoch, dass er für die Durchsetzung seiner Vorschläge zur Migration die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt. Das sei ihm lieber, als „weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land weiter bedroht, verletzt und ermordet“ werden.

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Abstimmung über Zustrombegrenzungsgesetz am Freitag

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel wandte sich sowohl gegen Scholz als auch gegen Merz. Die Regierungserklärung nannte sie „ungeheuerlich“ und warf Scholz „autoritäres“ Denken vor. „Das ist Demokratie ohne Volk, das ist Demokratie ohne Wähler“, sagte sie. Die Migrationspolitik der Regierung nannte sie einen „politisch motivierten Kontrollverlust.“ Die sogenannte „Brandmauer“ gegen die AfD sei ein Hebel, um den Wählerwillen auszuschließen. Der Union warf Weidel vor, die Vorschläge zur Eindämmung der Migration von der AfD abgeschrieben zu haben.

Weidel hat die Union erneut aufgefordert, mit ihrer Partei zusammenzuarbeiten. (Archivbild)
Alice Weidel attackiert Olaf Scholz und Friedrich Merz.
Sebastian Kahnert/dpa

CDU und CSU wollen am noch am Nachmittag zwei Anträge zur Abstimmung stellen. In einem geht es um einen Fünf-Punkte-Plan zur Bekämpfung der irregulären Migration, der mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit bekommen könnte. Gefordert wird darin unter anderem ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente, auch wenn sie ein Schutzgesuch äußern. Erst am Freitag steht das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Unionsfraktion zur finalen Abstimmung. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden.

„Deutscher Bundeskanzler darf kein Zocker sein“

Scholz sprach Merz die Regierungsfähigkeit ab, weil er Pläne vorlege, die dem Grundgesetz und dem EU-Recht widersprächen. „Es gibt Grenzen, die darf man als Staatsmann nicht überschreiten”, sagte er. „Politik in unserem Land ist doch kein Pokerspiel. Der Zusammenhalt Europas ist kein Spieleinsatz. Und ein deutscher Bundeskanzler darf kein Zocker sein. Denn er entscheidet im schlimmsten Fall über Krieg oder Frieden.”

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Merz wies den Vorwurf der Rechtswidrigkeit klar zurück. Der EU-Vertragsartikel 72 eröffne dem nationalen Recht den Vorrang bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sagte er. „Wie viele Kinder müssen noch Opfer solcher Gewalttaten werden, bevor sie auch der Meinung sind, dass es sich hier um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt?“, fragte er. Zudem sei im Artikel 16a des Grundgesetzes ausdrücklich geregelt, dass sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen könne, wer aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem Land einreise, in dem die Europäische Menschenrechtskonvention gelte.

Olaf Scholz spricht von „unverzeilichem Fehler“

Noch schärfer wurde der Schlagabtausch beim Thema AfD. Die Union toleriere die Unterstützung derer, „die unsere Demokratie bekämpfen, die unser vereintes Europa verachten, die das Klima in unserem Land seit Jahren immer weiter vergiften“, sagte Scholz. Dies sei ein „unverzeihlicher Fehler.“ Seit Gründung der Bundesrepublik vor über 75 Jahren habe es immer einen klaren Konsens aller Demokraten gegeben, mit extremen Rechten nicht gemeinsame Sache zu machen, sagte Scholz. „Sie haben diesen Grundkonsens unserer Republik im Affekt aufgekündigt“, warf der Kanzler seinem Herausforderer vor.

Merz verwies darauf, dass alle Versuche, mit SPD und Grünen zu einem Konsens in der Migrationspolitik zu kommen, in den letzten drei Jahren gescheitert seien. Nun wolle er „aufrechten Ganges das tun, was unabweisbar in der Sache notwendig ist.” Dafür nehme er auch Bilder von jubelnden AfD-Abgeordneten in Kauf, auch wenn diese „unerträglich“ sein werden. (fkl, mit dpa)