RTL/ntv Frühstart

„Viele können sich Weihnachten nicht mehr leisten“

von Philip Scupin

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, hat kurz vor Weihnachten eine düstere Bilanz der sozialen Lage in Deutschland gezogen. „Es wird natürlich für einige ein besonders bitteres Fest, weil hier nicht nur ein Krieg tobt in Europa, sondern weil sich viele Weihnachten schlechterdings nicht mehr leisten können“, sagte Schneider im „Frühstart“ bei RTL/ntv. Die explodierenden Lebenshaltungskosten würden viele Menschen an den Rand und sogar darüber hinaus bringen. „Die Lage ist wirklich nicht so gut, als dass wir jetzt ein frohes Weihnachten feiern könnten.“

"Trauriger Rekord an Armut"

Schneider zeigte sich erschrocken von neuen Forsa-Umfragezahlen, wonach ein Drittel der Bevölkerung weniger für Weihnachtsgeschenke ausgebe als im Vorjahr. „Das ist jeder Dritte unter uns, der nicht mehr den Lebensstandard halten kann wie sonst.“ Es gebe 13,8 Millionen Menschen in Armut, die bereits im Vorjahr so gut wie nichts für Geschenke ausgeben habe können. „Wir haben, und das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen, an diesem Weihnachtsfest einen traurigen Rekord an Armut.“

Schneider hält Entlastungen für unzureichend

Der Chef des Wohlfahrtsverbandes kritisierte die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung als sozial unausgewogen. Die Ampel-Koalition habe sehr viel Geld ausgegeben, allerdings hätten diejenigen am wenigsten bekommen, die am meisten auf Hilfen angewiesen seien. Empfänger der Grundsicherung hätten lediglich eine Einmalzahlung von 200 Euro bekommen. „Das ist nicht die Entlastung, die sie brauchen.“ Diese Menschen seien stattdessen noch tiefer in die Armut gerauscht.

Schneider widersprach dem Eindruck, dass die Bevölkerung insgesamt zufriedener mit der politischen Reaktion auf die hohen Energiepreise sei als allgemein angenommen. „Es ist das eingetreten, was ich prophezeit habe: ein Winter der Enttäuschung.“ Angesprochen darauf, dass der sogenannte „heiße Herbst“ mit möglichen Massendemonstrationen ausgeblieben sei, sagte Schneider, diese Demos seien schlecht vorbereitet gewesen. Zudem habe eine klare Botschaft gefehlt. „Der Begriff ‚heißer Herbst‘ war extrem unglücklich. Der zieht auch Menschen an, die man auf Demonstrationen gar nicht haben will.“

Die Ankündigung des Kanzlers zu weiteren Hilfen habe den Protestlern zudem den Wind aus den Segeln genommen. Schneider erkannte auch an, dass die Gas- und Strompreisbremse vielen Bürgern immerhin Hoffnung machten.

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Viertes Entlastungspaket gefordert

Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes forderte weitere Hilfen im neuen Jahr. „Wir brauchen ein weiteres Entlastungspaket.“ Sollte die Not wie erwartet weiter zunehmen, werde die Regierung reagieren müssen, so Schneider. „Was soll sie sonst tun: Zusehen, wie Deutschland auseinanderbricht?“ Es brauche sehr schnell eine Erhöhung des Bürgergeld-Regelsatzes auf 725 statt 502 Euro. Zudem müssten die zuständigen Stellen das erweiterte Wohngeld zügig im Januar oder Februar an die Berechtigten auszahlen.

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