Trotz gesetzlichem Anspruch

Studie schlägt Alarm: Eine Million Grundschulkinder könnten bald ohne Ganztagsbetreuung sein

Heilerzieherin Franziska Krogmann betrachtet mit Philip (M, 3 Jahre) und Tamara (r, 2 Jahre) am 02.11.2012 in der Krippe der Kita Mucklas in Hamburg ein Bilderbuch. Foto: Georg Wendt/dpa  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Studie schlägt Alarm: Eine Million Grundschulkinder könnten bald ohne Ganztagsbetreuung sein

Eigentlich steht seit vergangenem Herbst fest, dass jedes Grundschulkind ein Recht auf einen Platz in einer Ganztagsbetreuung hat. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt jetzt aber zu einem alarmierenden Fazit: Wenn die Politik nicht bald handelt, bleibt das ein leeres Versprechen - denn es fehlt an Personal.
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Mehr als 100.000 Fachkräfte fehlen

Familie und Beruf unter einen Hut bringen – vor dieser Herausforderung stehen Millionen Eltern. Ein Gesetz sollte die Eltern entlasten und jedem Kind einen Platz in einer Betreuungseinrichtung anbieten, solange die Eltern arbeiten. Doch all das ist offenbar nur heiße Luft.

Denn für die Umsetzung bis Ende des Jahrzehnts fehlen einer Studie zufolge mehr als 100.000 Erzieherinnen und Sozialpädagogen in Deutschland. Vor allem im Westen wird die Umsetzung des Rechtsanspruchs schwierig, denn hier fehlen besonders viele Plätze.

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In den ostdeutschen Bundesländern sieht es dagegen vergleichsweise gut aus. Hier liegt das Problem vor allem im schlechteren Personalschlüssel. Denn hier müssen deutlich weniger Erzieher und Betreuer deutlich mehr Kinder betreuen.

Es liegt nicht am Geld

Dabei liegt das Problem nicht am Geld. Denn Bund und Länder hatten sich mit dem Gesetz auch auf ein großes Finanzierungspaket geeinigt. Der Studie zufolge gibt es schlicht zu wenige Menschen, die den Beruf ergreifen wollen.

Expertin Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung fordert deshalb eine „langfristig angelegte Fachkräfteoffensive von Bund und Ländern“. Heißt im Klartext: Mehr Anreize für Schulabgänger und genügend Ausbildungskapazitäten. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissen (GEW) und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) fordern von der Politik eine „Fachkräfteoffensive“.

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Nicole Gohlke, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sieht dabei auch den Bund in der Bringschuld. Der dürfe sich hier nicht immer mit Verweis auf die Länderhoheit wegducken, sondern müsse seinen Beitrag leisten.

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Lage im Westen dramatisch

Aber wie groß ist das Problem eigentlich? Laut der Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen im Westen Deutschlands bis 2030 mehr als eine Million Betreuungsplätze und rund 76.000 Fachkräfte. Selbst wenn nur die heutige Quote Ostdeutschlands - wo mehr als vier von fünf Grundschülern ganztags betreut werden - angepeilt würde, fehlten noch 55.000 Fachkräfte.

Im Osten ist die Lage weniger dramatisch, aber immer noch angespannt. Dort kann nach aktuellem Stand bis 2030 zwar jedem Kind ein Ganztagsangebot gemacht werden. Allerdings plädiert die Bertelsmann Stiftung dafür, die personelle Situation an Grundschulen und Horten zu verbessern. Denn in Horten muss eine Vollzeit-Fachkraft dort rechnerisch mehr als doppelt so viele Kinder betreuen wie eine Kollegin oder Kollege im Westen. Würde man die Situation also an die im Westen anpassen, fehlen auch im Osten Deutschlands rund 26.000 zusätzliche Fachkräfte.

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Wo es gut läuft

Schüler einer Offenen Ganztagsgrundschule (OGATA) beim Mittagessen in Köln (Foto vom 22.04.2005). Bis 2007 sollen 2500 Grundschulen zu OGATAs werden und 200 000 der 800 000 Kinder einen Platz bieten. Foto: Jörg Carstensen dpa/lnw (zu lnw-Korr: "Schon 700 Offene Ganztagsschulen in NRW - Große Nachfrage" vom 03.05.2005)  +++(c) dpa - Report+++
Offene Ganztagsgrundschule

Es gibt aber auch Betreuungsparadise in Deutschland. Wer seine Kinder in Berlin, Hamburg oder Thüringen betreuen lassen möchte, hat gute Chancen einen Platz zu bekommen. Dort gibt es bis Ende des Jahrzehnts laut der Prognose genügend Personal, um jedem einzelnen Grundschulkind einen Ganztagsplatz anzubieten - und das bei einem guten Betreuungsschlüssel. (dpa, sst)

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