Fast täglich erfährt er von Helfern, die getötet wurden

Serkan Eren riskiert sein Leben in Sjewjerodonezk: "Die Kugeln sind nur wenige Meter an uns vorbeigeflogen"

von Nele Balgo

Täglich werden russische Raketen über Sjewjerodonezk abgeschossen, teilweise sogar im Sekundentakt. Das sind die Erinnerungen von Serkan Eren von der Hilfsorganisation STELP e.V. an seinen letzten Einsatz im Kriegsgebiet. Erst vor wenigen Tagen ist er aus dem Osten der Ukraine zurück nach Deutschland gekommen. Er liefert Lebensmittel und evakuiert Menschen aus dem Landesteil, der aktuell am stärksten umkämpft ist. "Die Kugeln sind nur wenige Meter an uns vorbei geflogen“, berichtet er. Wie groß die Gefahr für die Helfer tatsächlich ist und wie sie sich vor den Angriffen schützen, erzählt Eren im Ukraine Talk.

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Menschen glauben der Hilfsorganisation nicht

500 Menschen hat STELP im vergangenen Monat evakuiert. Anfangs wollten viele russische Separatisten nicht evakuiert werden, erinnert sich Eren. Einige von ihnen hätten auch Gerüchte gestreut. „Wir standen vor ihnen und haben teilweise gebettelt: Kommt mit, ihr kennt die Bilder aus Bucha, ihr kennt die Bilder aus anderen Städten, aus Mariupol. Das gleiche wird hier in Sjewjerodonezk und in der Umgebung passieren. Hier ist eure letzte Chance sicher aus dieser Stadt zu kommen“, erzählt Eren. Doch einige Menschen hätten ihnen nicht geglaubt.

STELP ist auch im Kontakt mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium und hat ihnen den Vorschlag gemacht, dass es einen Tag geben könnte, an dem sich die Bevölkerung entscheidet. Russische Separatisten könnten dann nach Russland zwangsevakuiert werden, alle anderen in Richtung Westen. „Ansonsten wird es da hunderte, tausende Tote geben in den nächsten Tagen“, so Eren.

„Die russische Seite versucht wirklich Hunger als Kriegswaffe einzusetzen“

Dem ukrainischen Militär zufolge haben sich die russischen Raketenangriffe in der Ukraine in den letzten beiden Wochen verdoppelt. Hilfsorganisationen riskieren also auch ihr Leben für das Leben der ukrainischen Zivilbevölkerung. Das Risiko, dass auch die Helfer in einen Schusswechsel geraten können, ist hoch. Nur wenige Meter von Eren und seinem Team entfernt seien schon Bomben eingeschlagen. „Es wird keine Rücksicht mehr genommen“, mahnt Eren.

Zusätzlich wird es immer herausfordernder, die Menschen in der Ostukraine mit Lebensmitteln zu versorgen. „Die russische Seite versucht wirklich, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen“, so Eren. Bewusst würden Lager und Supermärkte bombardiert. Deshalb muss auch STELP sich umstellen. Lebensmittel lagern sie jetzt verteilt in Kellern und Wohnungen, damit im Fall eines Angriffs nicht das ganze Lager zerstört wird.

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Gegen Raketen sei man machtlos

Die Helfer versuchen sich mit schlusssicheren Westen und Helmen vor den russischen Waffen zu schützen. Während man sich vor Schusswechseln und Maschinengewehren noch einigermaßen schützen könne, weil man wisse, wo die Frontlinie verläuft, sei man gegen Raketen machtlos. „Man hört die Rakete kommen und dann muss man einfach nur hoffen, dass sie nicht neben einem einschlägt, sondern im besten Fall 200-300 Meter weiter“, erklärt STELP-Vorsitzender Serkan Eren.

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