Auch „Schwiegertochter gesucht“-Kandidat Ingo ist betroffen
Ungewollt kinderlos! Wie können Paare damit umgehen?

Unzählige medizinische Untersuchungen, aufwändige Behandlungen ohne Erfolg, Sex nach Stundenplan.
Unzählige Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos und durchleben die größten Anstrengungen, um doch noch ein Baby zu bekommen – oft erfolglos. Wie können Paare mit der Tatsache zurechtkommen, dass sich der Wunsch nach einem Kind womöglich nicht erfüllt?
Kinderlosigkeit ist auch für Männer sehr belastend
Jedes zehnte Paar in Deutschland ist laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ungewollt kinderlos. Dazu gehören auch Ingo und Annika: Der ehemalige „Schwiegertochter gesucht“-Kandidat ist so gut wie zeugungsunfähig – eine große Belastung für das Paar, das sich sehnlichst Kinder wünscht. Vor allem Ingo hat mit der Diagnose zu kämpfen: „Ich dachte mir dann, was willst du dann noch mit mir? Ich bin ja sowieso kein richtiger Mann“, gesteht er in der aktuellen Folge von „B:Real – echte Promis, echtes Leben“.
Dass gerade Männer sehr unter dem Umstand leiden, keine Väter werden zu können, zeigte bereits 2018 eine Studie aus Großbritannien. Sie fühlen sich häufiger depressiv, einsam und eifersüchtig auf Paare mit Kindern.
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Psychologe Dr. Tewes Wischmann von der Universität Heidelberg setzt sich seit Jahren mit dem Thema ungewollter Kinderlosigkeit auseinander und weiß: Männer gehen anders mit der Enttäuschung um als Frauen. Sie kommunizieren ihr Leid weniger, stürzen sich stattdessen oft die Arbeit. Doch gerade in dieser Situation sei Reden und Anteilnahme wichtig, vor allem auch, damit die Frau sich nicht verlassen fühlt, so Wischmann.
Im Video: Welche Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung gibt es?
Kinderlosigkeit bedarf Trauerarbeit!
In seinen Forschungen und im Praxis-Alltag habe er die Erfahrung gemacht, dass der unerfüllte Kinderwunsch eine gravierende Krise im Leben der Betroffenen auslösen könne: „Sie müssen damit rechnen, dass es der Trauerarbeit bedarf.“ Man müsse akzeptieren lernen, dass da eine Lücke sei – und sich ganz bewusst von der Elternschaft verabschieden. Trauerarbeit, so Wischmann, sei immer verbunden mit Ritualen: Manche Paare pflanzen einen Baum. Andere legen schöne Kieselsteine auf einen Berggipfel, für jedes erhoffte Kind einen.
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Seinen Klienten rät er, irgendwann tatsächlich und endgültig mit dem Kinderwunsch abzuschließen. Was schwierig sei, denn man müsse sich von etwas verabschieden, was man gar nicht gekannt hat. Er rät zur Konsequenz: Eben keine weitere künstliche Befruchtung mehr zu versuchen. Und vielleicht sogar ab jetzt zu verhüten. Denn „solange eine auch noch so kleine Chance besteht, bleibt die Hoffnung. Man weiß aber, dass Menschen, die diesen Abschied aktiv angehen, leichter damit zurechtkommen.“
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Aus Langzeitauswertungen weiß der Heidelberger Psychologe, dass Partnerschaften, die eine solche Krise überstanden haben, stabiler sind als andere. Allerdings warnt er davor, sich völlig auf den Partner zu konzentrieren und so die Partnerschaft zu überfrachten.
Jeder solle seine eigenen Ressourcen pflegen, also den Sportkumpel und die beste Freundin. Und darauf hören, was ihm oder ihr guttut. „Es ist sehr wichtig, sich nicht sozial zu isolieren. Solange der Verlust ganz akut ist, darf und muss man seine Gefühle ausleben. Doch irgendwann, wenn die Trauerarbeit vorangeschritten ist, muss man zurück ins Leben. Und auch auf eine Gartenparty gehen, deren Gastgeber gerade wieder ein Kind bekommen haben.“ So weh das auch tun mag.
Im Video: Ingo und Annika sind ungewollt kinderlos
Paare, die ungewollt kinderlos bleiben, müssen oft sehr stark sein
Die Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit sind nach wie vor nicht völlig erforscht, bei etwa zehn Prozent der betroffenen Paare kann man nach heutigem Wissensstand die Gründe noch nicht benennen. Dennoch sei frühzeitige gute Diagnostik immens wichtig, denn auf den Paaren lastet ein gewisser Zeitdruck. „Eine Schwangerschaft lässt sich zu nahezu hundert Prozent verhüten. Deshalb glauben viele, dass sie nach Absetzen der Pille automatisch schwanger werden. Das stimmt so aber nicht. Bereits mit 25 lässt die Fruchtbarkeit der Frau nach – ab 35 wird es kritisch“, so Wischmann. Eine 38-Jährige haben nur noch halb so viele Chancen, schwanger zu werden wie eine 28-Jährige. Er rät deshalb Mittdreißigerinnen, sich und den Partner bereits nach einem halben Jahr untersuchen zu lassen.
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Mit der Diagnose müssen dann beide Partner umgehen lernen. Befruchtungsversuche? Wenn ja, wie viele? Adoption? Ein anderer Lebensplan, eben ohne Kinder? Paare, die ungewollt kinderlos bleiben, müssten oft sehr stark sein. Und auch lernen, so manche „lieb“ gemeinte Bemerkung abprallen zu lassen. „Seid doch froh, dass ihr keine Kinder habt, dann habt ihr mehr Freiheit“ – solche Sätze mögen nett gemeint sein, würden am Ende aber lediglich einen großen Verlust bagatellisieren.