„Ganz bevorzugte Ziele für Terroristen"
Luftfahrtexperte warnt: „Erhebliche Sicherheitsmängel" an vielen deutschen Flughäfen

„Die Zustände sind skandalös! Ein Maschendrahtzaun reicht hinten und vorne nicht!“
Ein bewaffneter Mann durchbricht am Flughafen ein Tor und rast mit seinem Auto auf das Vorfeld – mit seiner vierjährigen Tochter als Geisel. Mehr als 18 Stunden hält er die Polizei auf Trapp. Der jüngste Vorfall am Flughafen Hamburg zeigt laut Experten, wie schlecht deutsche Flughäfen teilweise gesichert sind. „Auf den Vorfeldern stehen Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch und Hunderten Passagieren an Bord“, sagt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt im RTL-Interview.
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Zweifel an Sicherheit deutscher Flughäfen: "Es muss dringend nachgerüstet werden"
Dass ein Mann mit einem gewöhnlichen PKW in den Hochsicherheitsbereich eines Flughafens fahren könne, dürfe absolut nicht sein, sagte Großbongardt. In diesem Fall könne man froh sein, dass es sich in Hamburg „nur um einen Familienvater und nicht womöglich irgendwelche Hamas-Sympathisanten“ gehandelt habe. Bei Flughäfen handele es sich schon seit vielen Jahrzehnten um „beliebte Ziele“ bei Terroristen. Hier müsse „dringend nachgerüstet“ werden, so der Luftfahrtexperte. Um das Gelände nach außen abzusichern reiche ein einfacher Maschendrahtzaun, wie er gerade an vielen kleineren Flughäfen existiert, „bei Weitem“ nicht aus.
Überrascht habe ihn der Vorfall aber nicht wirklich, sagte Großbongardt, der früher bei der Lufthansa, bei Boeing und bei der Pilotenvereinigung Cockpit gearbeitet hat: „Wir haben ja vor einigen Wochen schon die Klimakleber in Hamburg, aber auch an anderen Flughäfen, gesehen. Das war schon ein erstes Warnsignal, dass die Sicherheitskonzepte nicht ausreichen“.
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Bedenken an Sicherheitskonzepten: So müssten deutsche Flughäfen nachgerüstet werden
Was es auf jeden Fall bräuchte, seien doppelte Zäune, so der Luftfahrtexperte. Zäune, die elektronisch überwacht würden. „Und zwar so, dass über eine Alarmzentrale sichergestellt ist, dass im Falle einer Verletzung die Polizei oder der Werkschutz ganz schnell zugreifen können“. Bei größeren deutschen Flughäfen seien solche oder ähnliche Sicherheitsmaßnahmen gegeben, Frankfurt und München seien etwa „hervorragend ausgestattet“, sagte Großbongardt. Bei den kleineren Flughäfen sehe es aber ganz anders aus.
Gemäß des deutschen Luftsicherheitsgesetzes sind die Flughäfen selbst dafür verantwortlich, „die Bereiche der Luftseite gegen unberechtigten Zugang zu sichern und, soweit es sich um Sicherheitsbereiche oder sensible Teile der Sicherheitsbereiche handelt, den Zugang nur hierzu besonders berechtigten Personen zu gestatten“.
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Polizeigewerkschaften: „Flughäfen als Hochsicherheitsbereiche stiefmütterlich behandelt"
Auch Vertreter der Polizei forderten nach dem Vorfall in Hamburg Konsequenzen. „Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Heiko Teggatz der dpa. Die Politik unternehme da viel zu wenig. „Da vermisse ich auch eine Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser“.
„Offensichtlich zwingt niemand die Flughafenbetreiber ernsthaft, Sicherheitsmaßnahmen so hochzufahren, dass es zu solchen Vorfällen schlicht nicht mehr kommen kann“. Schon nachdem Klima-Aktivisten unlängst mehrere deutsche Flughäfen blockiert hatten, habe er angemahnt, dass Qualität, Höhe und Stärke der Zäune unzureichend seien, sagte Teggatz.
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Nach Geiselnahme: Flughafen Hamburg ist sich keiner Versäumnisse bewusst

„Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils“, sagte eine Sprecherin des Hamburger Flughafens nach der Geiselnahme. Dennoch könne bei der Größe des Airports - er umfasst fast 800 Fußballfelder - nicht ausgeschlossen werden, „dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann“. Um die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten, seien neben baulichen Maßnahmen auch Alarmketten etabliert, „die einwandfrei gegriffen haben“.
Als Folge der Aktionen der Letzten Generation lägen keine neuen Anforderungen für Einrichtungen der kritischen Infrastrukturen vor. Derzeit teste der Flughafen aber neue Kamera- und Zaunsensorik-Systeme. „Zudem wurde die Bestreifung der Zaunanlage durch Sicherheitskräfte nachhaltig erhöht“. Zu den offensichtlich leicht zu durchbrechenden Schranken wollte sie sich nicht äußern.
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