Eltern des Opfers entsetzt

Mordfall Nicole Schalla (†16): Verurteilter Täter war frei und soll angeblich verschwunden sein

Ein verurteilter Mörder kann nach dem Schuldspruch unbehelligt nach Hause gehen – weil das Gericht keine Fluchtgefahr sieht. Der Fall von Ralf H., der vor 27 Jahren die 16-jährige Nicole-Denise Schalla nach Ansicht des Landgerichts Dortmund erwürgt hat, bewegt die Öffentlichkeit seit Jahren. Jetzt teilt die Polizei mit, dass Ralf H. sich aus dem Staub gemacht haben soll.

Vater Joachim Schalla: "Das ist eine Schlappe für unsere Justiz"

Joachim und Sigrid Schalla
Joachim und Sigrid Schalla (Archivfoto)
RTL

Der Vater des Mordopfers erfuhr durch einen Zufall davon, als eine Facebook-Bekannte ihn auf Medienberichte aufmerksam machte. "Wir sind entsetzt", sagt Joachim im RTL-Interview am Telefon. "Ich kann unsere Gerichtsbarkeit nicht verstehen." Ein Freund von ihm, der Jurist sei, könne ihm nicht erklären, wie es dazu kommen konnte.

"Wenn man einen Strafzettel nicht bezahlt, landet man im Knast. Aber ein Mörder läuft frei rum", sagt er desillusioniert. "Das ist eine Schlappe für unsere Justiz." Seine Frau Sigrid ruft aus dem Hintergrund: "Man hat das Gefühl, dass das Leben unserer Tochter nichts wert war."

Der Verteidiger des Angeklagten widersprach nun aber den Vorwürfen der Polizei. Sein Mandant sei nicht untergetaucht, Die Polizei habe lediglich eine falsche Adresse benutzt. Weil Ralf H. dort nicht mehr anzutreffen war, habe das zu der fälschlichen Annahme geführt, er sei untergetaucht, erklärte der Anwalt Udo Vetter im RTL-Interview.

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Antrag auf Überwachung und Fußfessel liegt vor - ohne Entscheidung

04.08.2020, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Der Angeklagte verbirgt sein Gesicht hinter einer Gesichtsmaske, einer Briller und unter einer Kapuze. Im Neubeginn eines Prozess um einen Mord vor 27 Jahren wird dem Angeklagten vorgeworfen, die damals 16-jährige Schülerin Nicole-Denise Schalla ermordet zu haben. Ein erster Prozess war Anfang des Jahres geplatzt, weil eine Richterin erkrankt war. Weil das Verfahren nicht zeitnah wieder aufgenommen wurde, war der Angeklagte im Juli trotz dringenden Mordverdachts aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Foto: Bernd Thissen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Beim Prozess verbarg der der Angeklagte sein Gesicht stets hinter einer Gesichtsmaske, einer Brille und unter einer Kapuze.
bt cul, dpa, Bernd Thissen

Ende Februar beantragte die Polizei Überwachung und Fußfessel beim Amtsgericht. Dazu sollte eine Anhörung stattfinden, doch H. konnte nicht geladen werden – weil er verschwunden ist. Öffentlich nach ihm suchen kann man aber erst, sollte das Gericht dem Antrag auf polizeiliche Beobachtung mittels Fußfessel stattgeben, sagte ein Sprecher. Die Prüfung dieser Maßnahme dauere noch an.

Der mutmaßliche Mörder wurde am 25. Januar zu lebenslanger Haft verurteilt. Weil die Justiz keine Fluchtgefahr sah und das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, blieb er nach dem Schuldspruch frei. Ralf H. war 2018 festgenommen worden, nachdem nachträgliche DNA-Analysen von Tatortspuren einen Treffer ergeben hatten.

Urteil wegen Revision nicht rechtskräftig

Schalla
Nicole-Denise Schalla wurde 1993 brutal ermordet

Beim ersten Prozess verhinderten Pannen und Verfahrensverzögerungen eine Untersuchungshaft. Beim zweiten Prozess wurde er zwar verurteilt, aber dagegen legte sein Anwalt Berufung ein. Das Gericht sah keine Fluchtgefahr. Das Mordurteil wird erst rechtskräftig, wenn der Bundesgerichtshof es bestätigt.

2020 war H. aus der Untersuchungshaft entlassen worden, nachdem der erste Prozess wegen der Erkrankung einer Richterin geplatzten war. Aus Sicht des Oberlandesgerichts Hamm hatten sich die Dortmunder Richter zu viel Zeit gelassen, um den Prozess wieder neu zu beginnen. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen, hieß es damals. Seitdem ist der 56-Jährige auf freiem Fuß.