Lieferengpässe bei Medikamenten
Apotheker gehen auf Lauterbach los: "Ab Ostern droht größtes Versorgungschaos der Geschichte!"
von Madeline Jäger
Die Medikamenten-Regale in Deutschlands Apotheken sind noch nicht leer, aber sie werden immer übersichtlicher – und das ist gefährlich. Lieferengpässe bei lebenswichtigen Arzneimitteln sind ein großes Ärgernis im Alltag der Apotheken bei der Versorgung der Menschen und das mit steigender Tendenz.
Jetzt schildern die Verantwortlichen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. am Dienstag, 14. März, bei einer Pressekonferenz in Berlin, was passieren muss, damit es nach Ostern nicht zu einem kompletten Versorgungschaos für Patienten kommt.
Ostern: Droht danach das große Arzneimittel-Versorgungschaos?
Seit Monaten gibt es Engpässe in der Arzneimittelversorgung, kann es also noch schlimmer kommen? Ja, es kann! Laut dem Bundesverbands Deutscher Apothekerverbände (ABDA) endet nämlich am 7. April 2023 die sogenannte „SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“, die es den Apothekern und ihren Teams während der Pandemie ermöglichte, sämtliche Handlungsspielräume zu nutzen, um die Versorgung trotz Lieferengpässen sicherzustellen.
Ab Ostern drohe eine Regelungslücke, welche die Arzneimittelversorgung akut gefährdet. Die ABDA hat deshalb Vorkehrungen getroffen und Gespräche mit Politikern geführt. Denn, laut Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wäre die Austauschregelung für Medikamente, wenn die ursprüngliche Arznei nicht lieferbar ist, ab Ostern rechtlich so überhaupt nicht mehr möglich.
„Doch genau diese flexiblen Austausch-Möglichkeiten von Medikamenten benötigen wir Apothekerinnen und Apotheker, um unsere Patienten zu versorgen, “appelliert Overwiening. Alles andere würde zu einem großen „Bürokratie-Irrsinn“ für die Patienten führen. Für das drohende Versorgungschaos macht die Präsidentin explizit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verantwortlich.
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Präsidentin mit scharfer Kritik an Karl Lauterbach: „Er lässt uns und die Patienten im Stich“
„Seit Wochen lässt er uns Apothekerinnen und Apotheker, aber vor allem die Patientinnen und Patienten im Stich. Er ist durch sein beharrliches Nichtberücksichtigen der Apotheken vor Ort dafür verantwortlich, das womöglich größte Versorgungschaos in der Geschichte der bundesdeutschen Arzneimittelversorgung loszutreten“, kritisiert Präsidentin Gabriele Regina Overwiening deutlich.
Überhaupt nicht verstehen kann die Apothekerin, dass der Bundesgesundheitsminister vor ein paar Wochen in der Presse in Sachen Kinderarzneimittel-Lieferengpässe eine Entwarnung gab. Lauterbach sprach davon, dass die Lage „sich deutlich entspannt“ habe. Das sieht die Verbands-Chefin jedoch komplett anders. „Ich widerspreche ganz deutlich. Herr Minister, Sie liegen falsch! Das sind Fake-News!“ so Overwiening klipp und klar. Es seien immer noch Hunderte Medikamente für Kinder nicht erhältlich. Darunter Antibiotika und Schmerzmittel.
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Patienten stehen laut Apothekerverband vor dem Versorgungschaos
Und damit nicht genug, die Präsidentin der ABDA hält den aktuellen „Referentenentwurf“ zu einem neuen Lieferengpass-Gesetz von Karl Lauterbach für „handwerklich schlecht gemacht.“
Das Problem: Die aktuelle Medikamenten-Austausch-Regelung sei nicht enthalten. Stattdessen müssten Apothekerinnen und Apotheker bevor sie einem Patienten seine Arznei ausgeben können, sich erst auf einer Liste des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) schlaumachen, ob sie das dürfen. Klingt nach mehr Bürokratie für die Apotheken.
Doch was bedeutet das alles konkret für die Patientinnen und Patienten? Auf RTL-Anfrage schildert Professor Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker, was auf die Deutschen zukommen könnte. „Das bedeutet nicht nur, dass Patienten längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Das bedeutet konkret, wenn es zum Beispiel ein Antibiotikum laut der Liste nicht mehr gibt, dürfen wir es nicht einfach austauschen. Sondern: Wir müssen zum Beispiel die Mutter mit dem kranken Kind zurück in die hochinfektiöse Praxis schicken. Dort müsste sie sich erst einmal ein neues Rezept abholen“, so Schulz und kritisiert außerdem, dass es die besagte Liste des BfArM noch nicht einmal geben würde.
Apotheker befürchten Chaos auch in Arztpraxen: „Da ist dann die Hölle los“
Weiter warnt auch Präsidentin Overwiening, dass diese drohende neue Gesetzeslage sich auch auf die Arztpraxen auswirke. „Da stehen dann noch viele andere Betroffene und Mütter mit kranken Kindern. Da ist dann die Hölle los und das müssen alle Beteiligten ausbaden“, so die Präsidentin.
Doch noch sei nicht alles verloren. Parlamentarier hätten bereits einen Änderungsentwurf eingereicht, der am Freitag, 17. März, im Parlament erstmals besprochen werden soll. „Das Versorgungschaos könnte noch abgewendet werden, wenn der Änderungsantrag am Freitag durchgeht. Dann hätten wir Apothekerinnen und Apotheker bis zum 1. August 2023 eine Verschnaufpause, denn dann müsste neu entschieden werden“, erklärt die Präsidentin. Doch sie sei voller Hoffnung, dass der Entwurf durchgehe. Trotzdem äußert sie sich abschließend skeptisch: „Ich habe in der Politik gelernt, dass Pferde doch vor Apotheken kotzen können.“ Außerdem sei ein Ende der Lieferengpässe von Medikamenten alles andere als in Sichtweite – umso wichtiger sei es, den Umgang damit in den Apotheken nicht noch weiter zu erschweren.